Noch ist der Corona-Herbst in weiter Ferne. Doch das Virus rast bereits wieder unaufhaltsam durchs Land. Am Dienstag vermeldete das Bundesamt für Gesundheit (BAG) 33'108 neue Coronavirus-Ansteckungen, die innerhalb von sieben Tagen gemeldet worden sind. Das sind 34 Prozent mehr als noch in der Vorwoche. Parallel dazu werden auch mehr Spitaleintritte und Todesfälle registriert.
Das weiss auch der Bundesrat um Gesundheitsminister Alain Berset (50). Handlungsbedarf aber erkennt die Regierung keine. Neue Schutzmassnahmen sind nicht vorgesehen, und von einer Impfkampagne für den zweiten Booster kann keine Rede sein – obwohl Experten vor der Sommer-Welle und ihren Folgen warnen.
Bund befürchtet keine Überlastung der Spitäler
Für den Bundesrat aber gibt es keine Hinweise darauf, dass die Krankheitsverläufe mit den neuen Untervarianten der Omikron-Variante schwerer seien als mit den bisherigen Untervarianten. Sein Fazit: «Eine Überlastung des Gesundheitssystems sei aufgrund der vorliegenden Daten wenig wahrscheinlich.» Er wolle die Lage einfach weiter genau beobachten, teilt der Bundesrat mit – und verschwindet in die Sommerpause.
Nicht nur Schweizer Virologen warnen vor der Sommer-Wellen. Auch der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (59, SPD) warnt davor, Omikron zu unterschätzen. Er befürchtet nicht nur eine Überlastung der Kliniken. Er weist via Twitter auch auf Studien hin, die einen Zusammenhang zwischen einer Corona-Infektion und späterer Demenz nahelegen. Das sei «leider keine Panikmache», betont er. Die Folgen von Long-Covid sind meist noch gar nicht absehbar.
Corona-Folgen nicht zu unterschätzen
«Mit einer steigenden Zahl an Infektionen werden mehr vulnerable Personen im Spital landen und auch die Long-Covid-Fälle zunehmen», warnte auch Tanja Stadler (41), die ehemalige Präsidentin der Corona-Taskforce, kürzlich im Blick-Interview.
Das BAG dagegen sieht wie der Bundesrat nach wie vor keinen Grund zur Sorge. Es gebe derzeit keine Hinweise auf schwerere Krankheitsverläufe, betont auch das Bundesamt.
Und wieder Krach um Kompetenzen
Ohnehin sieht der Bundesrat die Verantwortung nun bei den Kantonen. Sie sollen notfalls Massnahmen treffen. Schliesslich hätten sie jetzt genügend Pandemie-Erfahrungen gesammelt. Die Kantone aber wehren sich dagegen, dass sie sich untereinander absprechen und unpopuläre Massnahmen wie Kapazitätsbeschränkungen, Masken-, Homeoffice- oder Zertifikatspflicht beschliessen sollen. Für schweizweite Massnahmen soll der Bund zuständig sein.
Zuletzt hat Lukas Engelberger (47), Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektoren, auch noch an anderer Front Druck gemacht: beim zweiten Booster. «Wir warten hier in Basel-Stadt eigentlich nur noch auf die Empfehlung des Bundes, um dann möglichst rasch damit loszulegen», sagte er in einem Interview.
Während über die Verantwortung nach wie vor Uneinigkeit herrscht und die Bundesräte nun erst mal ihre Sommerferien geniessen, dürften die Corona-Zahlen weiter ansteigen. (dba)