Die Temperaturen steigen, die Zahl der Hospitalisierungen sinkt: Aktuell ist die Corona-Pandemie in der Schweiz unter Kontrolle. Nur noch jedes zehnte Bett auf den Intensivstationen ist derzeit von einem Covid-Patienten besetzt.
Doch es ist möglich, dass sich dies im Herbst wieder ändert. Der Bundesrat will sich für eine mögliche weitere Corona-Welle wappnen. Bevor die letzten Massnahmen fielen, hatte Gesundheitsminister Alain Berset (50) Ende März einen Plan für die kommenden Monate präsentiert.
Die Kantone haben bis am Freitag Zeit, Stellung zu den Vorschlägen zu beziehen. Rückmeldungen, die Blick vorliegen, machen klar: Es gibt noch sehr viel zu klären.
Wieder ist man sich nicht einig
Der Bundesrat sieht die Verantwortung nun, mit der Rückkehr zur normalen Lage, hauptsächlich bei den Kantonen. Sollten die Fallzahlen in der zweiten Jahreshälfte wieder massiv steigen und eine Überlastung des Gesundheitswesens drohen, sollen die Kantone die notwendigen Massnahmen treffen. Sie hätten jetzt schliesslich genügend Pandemie-Erfahrungen gesammelt.
Das Ausrufen der «besonderen Lage», in der der Bund das Zepter übernimmt, ist aus Sicht der Landesregierung nicht mehr nötig – ausser die neue Welle würde viel heftiger ausfallen als die bisherigen.
Kantone rufen nach dem Bund
Das sehen die Kantone ganz anders. Sie wehren sich dagegen, dass sie sich untereinander absprechen und unpopuläre Massnahmen wie Kapazitätsbeschränkungen, Masken-, Homeoffice- oder Zertifikatspflicht beschliessen sollen.
Für schweizweite Massnahmen soll der Bund zuständig sein, «auch wenn die Pandemiewelle nicht besonders heftig ausfällt», finden die Ostschweizer Kantone. Zürich fordert ebenfalls, dass die Verantwortung vor allem wieder beim Bund liegt. Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass «ausschliesslich kantonsspezifische Massnahmen nicht zweckmässig» seien, schreibt Luzern. Zudem sei das auch nicht effizient, findet Basel-Stadt. Ein weiteres Argument, das von diversen Kantonen vorgebracht wird: Die Bevölkerung würde es nicht verstehen, wenn in einem Kanton das eine und im anderen etwas anderes gelten würde.
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Doch das will der Bund gar nicht. Er schlägt vor, dass sich die Kantonsregierungen untereinander koordinieren. Aus deren Sicht ist das aber unmöglich. Dazu fehlten die entsprechenden Entscheidungsgremien, so die Begründung. Und die Kantone sind auch nicht gewillt, diese zu schaffen. Christian Rathgeb (52), Bündner Regierungsrat und Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), sagte jüngst gegenüber der «NZZ», die Kantone seien dagegen, dass eine interkantonale Organisation wie die KdK eine dominantere Rolle im Pandemie-Management übernimmt. «Sie wollen einen früheren, engeren und vor allem direkten Einbezug durch den Bund.»
Der Bund soll aber zahlen
Widerstand gibt es auch gegen den Plan des Bundesrats, den Kantonen die Verantwortung für das Impf-Anmeldetool zu übergeben, das der Bund Ende 2020 beschafft hat und das von gut zwei Dritteln der Kantone genutzt wird.
Die Kantone wollen keine Verantwortung – dafür aber Geld. Repetitive Tests und Ausbruchstests an Schulen soll, wenn sie erneut notwendig werden, wieder der Bund finanzieren, fordert unter anderem Luzern. Und wenn der Bund von den Kantonen verlangt, dass sie genügend Spitalkapazitäten bereithalten, müsse er sich auch daran finanziell beteiligen, findet die Walliser Regierung. «Wer befiehlt, zahlt», heisse es schliesslich.
Wird man sich einig?
Der Bundesrat wird übernächste Woche entscheiden, wie er auf den Widerstand der Kantone reagiert. Wie aus den Unterlagen hervorgeht, hat er bereits mit Knatsch gerechnet. So liess er offen, ob am Ende tatsächlich eine gemeinsame Strategie von Bund und Kantonen auf dem Tisch liegt. Als Ziel formulierte er lediglich, dass man prüfen wolle, ob eine Einigung möglich ist. Gut möglich, dass man sich nur darauf einigen kann, sich nicht einig zu sein. Für den Corona-Herbst würde es nichts Gutes bedeuten.