Die Corona-Fälle steigen immer stärker an. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) meldete für die letzte Woche 24'704 Covid-Neuansteckungen in der Schweiz und Liechtenstein. Die Fallzahlen sind somit innert Wochenfrist um 56 Prozent gestiegen. Gleichzeitig registrierte das BAG elf neue Todesfälle und 251 Spitaleinweisungen in Zusammenhang mit Corona.
Für Ex-Taskforce-Chefin und ETH-Mathematikerin Tanja Stadler (41) ist es darum angezeigt, dass Seniorinnen und Senioren sich den zweiten Booster holen: «Eine vierte Impfung schützt diese Menschen noch besser vor einem schweren Verlauf und ist darum sinnvoll», stellt sie im Blick-Interview klar.
Piks für ruhigen Sommer
Noch weiter geht der deutsche Gesundheitsminister und Mediziner Karl Lauterbach (59). Er empfiehlt angesichts der sich gerade aufbauenden Sommerwelle den vierten Piks allen, die «einen ruhigeren und beschwerdefreieren Sommer haben wollen». Diese Impfung sei auf jeden Fall eine «gute Investition», weil sie für einige Monate das Risiko reduziere, sich zu infizieren, und vor schweren Verläufen schütze.
Zögerlich agiert derweil das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Bisher empfiehlt der Bund lediglich Immungeschwächten den zweiten Booster. Alle anderen seien genug geschützt. Und der Präsident der Eidgenössischen Impfkommission, Christoph Berger (60), gibt an, die epidemiologische Lage zu verfolgen. Seine Kommission werde die Empfehlung falls nötig anpassen.
Wie Ende letzten Jahres
Das weckt Erinnerungen ans Ende des letzten Jahres: Auch damals zögerten BAG und Impfkommission. Während die westliche Welt bereits breit boosterte, wartete der Bund noch ab. Erst als es fast zu spät war, wurde älteren und vorerkrankten Personen ans Herz gelegt, sich den Booster zu holen. Allerdings waren die meisten Kantone noch nicht auf die Auffrischungsimpfung vorbereitet. Und bis die Empfehlung für die dritte Impfung Anfang Jahr auch für die breite Bevölkerung erfolgte, hatte sich schon eine riesige Welle aufgebaut.
Die aktuelle Situation ist aber noch verzwickter: Seniorinnen und Senioren wissen nicht, ob es besser ist, sich jetzt den vierten Piks zu holen und sich damit aktuell besser zu schützen. Oder ob sie zuwarten sollen bis im Herbst. Denn wenn dann eine grosse Corona-Welle kommen sollte, könnte ihr Schutz schon wieder ungenügend sein, weil dieser bei älteren Menschen rasch abnimmt. Eine klare Empfehlung der Behörden tut not.
60 Franken, bitte!
Aber der Bundesrat gab am 10. Juni bloss bekannt: Wer eine vierte Dosis will, obwohl er zu keiner Risikogruppe gehört, muss dafür selbst ins Portemonnaie greifen.
Mit diesem Entscheid überrumpelte Bundesbern die Kantone. So ist vielerorts noch nicht bekannt, was der vierte Piks kosten soll. Klar ist nur: In Basel-Stadt, Bern, Luzern und Uri kostet er 60 Franken. Nur der Kanton Solothurn trägt die Kosten für seine Bürger. Aber beim Grossteil der Kantone herrscht nach wie vor Ratlosigkeit. Wie in Zürich: Dort teilt die Gesundheitsdirektion mit, man werde zu gegebener Zeit über Angebote und Preise informieren. Doch wann ist das? Viele Leute brauchen den erneuten Booster, um in den Sommerferien zu verreisen.
Praxen impfen schon
Dabei wird in Zürcher Praxen die Reiseimpfung bereits verabreicht, und zwar ohne dass die Patienten diese selbst berappen müssen. «Uns bleibt vorerst nichts anderes übrig, als die Impfungen auf herkömmlichem Weg zu verrechnen, weil der Kanton uns keinen anderen Weg vorgibt», so Felix Huber (65), Arzt und Präsident des Ärztenetzwerks Medix.
Die Zürcher Medix-Praxen verzeichnen aber noch keinen Grossandrang auf die Reiseimpfung. Nur etwa 20 Personen liessen sich pro Woche impfen, schätzt Huber.
Wie in vielen anderen Praxen melden sich aber auch in Hubers Praxis viele verunsicherte Seniorinnen und Senioren wegen des zweiten Boosters. Huber rät ihnen vorerst davon ab, weil noch unklar sei, wie gut die Impfung überhaupt vor der neuesten Covid-Variante schütze.