Auf einen Blick
- Gewerkschaftsboss Maillard unter Beschuss nach Kritik am EU-Deal und Arbeitgebern
- Wirtschaftsvertreter werfen Maillard politische Erpressung und Realitätsferne vor
- Prominente Wirtschaftsstimmen äussern sich kritisch zu Maillards Haltung
Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard (56) steht nach seinem Frontalangriff auf den EU-Deal und die Arbeitgeber unter Beschuss. Seit Tagen sorgt das Blick-Interview des SP-Ständerats für Diskussionsstoff. Vor allem aus der Wirtschaftswelt kommen heftige Reaktionen. Die Vorwürfe: Maillard betreibe politische Erpressung, verdrehe die Tatsachen und überborde mit seiner Kritik.
Maillard ist unzufrieden mit den Eckwerten, die der Bundesrat mit Brüssel ausgehandelt hat. Man werde das EU-Abkommen bekämpfen, wenn der Lohnschutz in der Schweiz nicht verbessert werde, kündigte er an. «Der Bundesrat hat unseren Lohnschutz geopfert!», sagte der Chef des Gewerkschaftsbundes. Die grösste Zumutung für ihn: «die EU-Spesenregelung, die wir übernehmen müssen».
Maillard dominiert die Debatte. Selbst in Deutschland nimmt man Notiz von seinen Ansagen: Er profiliere sich mit dem Interview «als entschiedener Kritiker des Verhandlungsergebnisses», bemerkte die «Frankfurter Allgemeine Zeitung».
Um die Vertreter der Wirtschaft blieb es vor Weihnachten eher ruhig. Doch jetzt setzen sie sich gegen Maillard zur Wehr. Blick dokumentiert die wichtigsten Aussagen.
Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher
Beim mächtigen Industrieverband Swissmem nervt man sich mächtig. Direktor Stefan Brupbacher (57) nannte Maillards Forderungen realitätsfern: «Herr Maillard glaubt, dass er uns erpressen kann. Da ist er ein Träumer.» Via «SonntagsZeitung» warnte er den Gewerkschaftschef vor der grossen Schuld, die er sich auflade, wenn er zu hoch pokere. Maillards Wetteinsatz seien «die Arbeitsplätze der Schweizerinnen und Schweizer».
«Wir waren und sind bereit, mit den Gewerkschaften Lösungen zum Beispiel bei der Ausgestaltung der Lohnkontrollen zu finden», sagte Brupbacher. «Aber politische Geschenke wie flächendeckende Mindestlöhne oder eine generelle Ausweitung der Gesamtarbeitsverträge kann Herr Maillard vergessen.»
Bei der Spesenregelung sei man selbst kritisch, so Brupbacher. Maillard mache «aus einer Mücke einen Elefanten». Nur wenige Branchen und Angestellten seien betroffen. Zudem werde die Regel laut Bundesrat selbst in der EU nicht angewendet. Das Problem sei lösbar.
Arbeitgeber-Präsident Severin Moser
Will Maillard insgeheim so oder so keinen neuen Vertrag haben? Diese Vermutung äusserte Severin Moser (62), Präsident des Arbeitgeberverbandes, in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger». «Entweder will er die bilateralen Verträge nicht weiter fortführen. Oder er will grosse Konzessionen von uns Arbeitgebern erpressen.» Man werde jedoch den liberalen Arbeitsmarkt in der Schweiz nicht opfern.
Moser stimmt den Gewerkschaften zu, dass gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort gelten muss. Dies könne jedoch durch zusätzliche Schweizer Regelungen erreicht werden, um inländische und ausländische Firmen gleichzustellen.
FDP-Präsident Thierry Burkart
Scharfe Töne kommen von FDP-Präsident Thierry Burkart (49). Er warf dem Gewerkschaftsboss vor, die Interessen des Landes aufs Spiel zu setzen. «Pierre-Yves Maillard und seine Gewerkschaft missbrauchen ihre Vetomacht, die sie bei den Bilateralen haben, um sachfremde, alte linke Gewerkschaftsforderungen aus der Mottenkiste durchzusetzen und den liberalen Arbeitsmarkt und die Sozialpartnerschaft zu torpedieren», sagte der Ständerat im Interview mit der «Schweiz am Wochenende». «Das ist nicht im Interesse des Landes.»
Laut Burkart hat sich Maillard derart weit gegen den EU-Deal aus dem Fenster gelegt, «dass er fast nicht mehr zurück kann, ohne das Gesicht zu verlieren».
SVP-Präsident Marcel Dettling
Den EU-Deal sehen sie beide skeptisch. Doch dann hat es sich mit den Gemeinsamkeiten: SVP-Präsident Marcel Dettling (43) misstraut den Gewerkschaften um Maillard. Sie seien gekauft, damit sie später ruhig bleiben, sagte er im SonntagsBlick-Interview. «Die Gewerkschaften machen nur Theater im Wissen darum, dass sie dann mehr kriegen. Sie treiben den Preis in die Höhe.»
Ypsomed-Chef Simon Michel
Etwas verständnisvoller äusserte sich Medtech-Unternehmer Simon Michel (47). «Ich verstehe den Missmut von Gewerkschaftschef Pierre-Yves Maillard, der eine Garantie für den Lohnschutz verlangt. Auch die Arbeitgeber wollen das», sagte Michel der «SonntagsZeitung». Hier stehe die Politik in der Pflicht.
Weitere Kritik will der FDP-Nationalrat, der im Vorstand von Economiesuisse sitzt, aber nicht gelten lassen. Die Gewerkschaften müssten aufpassen, dass sie mit ihrem Widerstand nicht überbordeten, warnte Michel. «Sie setzen ihre ganzen sozialpolitischen Errungenschaften der letzten 25 Jahre aufs Spiel.»