Auf einen Blick
- SVP-Präsident kritisiert EU-Abkommen und Bundespräsidentin Amherd
- Dettling sieht Schweizer Demokratie gefährdet und fordert Moratorium des Staatswachstums
- Grenzschutz-Initiative der SVP hat bereits drei Viertel der nötigen Unterschriften gesammelt
Herr Dettling, wo steht die Hellebarde?
Soll ich sie holen?
Schon gut. Sie und Ihre Fraktionskollegen haben mit dieser Waffe vorletzte Woche auf dem Bundesplatz gegen das EU-Abkommen protestiert. Was genau wollten Sie damit sagen?
Da müssen Sie etwas zurückblicken. Die Hellebarde steht für die Verteidigung unserer Demokratie und unserer Freiheit. Dieses Thema bleibt aktuell. Die Zeiten sind heute anders, aber der Kampf für die Unabhängigkeit bleibt der gleiche. Das wollten wir vermitteln. Aber es ist klar, dass wir nicht mit der Hellebarde nach Brüssel stürmen.
Sie sehen die Schweizer Demokratie wirklich derart gefährdet?
Die Demokratie ist so gefährdet wie noch nie im modernen Bundesstaat – dass Sie und ich abstimmen können und die Abstimmung eine Auswirkung hat, ist so schützenswert wie noch nie. Jetzt will uns eine fremde Macht dreinreden, wie wir abzustimmen haben.
Sie haben ein Problem, das Sie selber geschaffen haben: Ihre Bundesräte halfen 2021 mit, das erste Rahmenabkommen zu beerdigen …
… sensationell, sie haben Rückgrat bewiesen.
Die Landesregierung hätte das damals durchwinken können. Das Volk hätte die Sache erledigt, wenn Sie genug überzeugt hätten. Jetzt heisst es von der FDP und Mitte bis zur SP: Das neue Abkommen ist das bessere Rahmenabkommen! Für Sie wird es schwieriger.
Was soll daran besser sein? Sie müssen die Sache anders betrachten. Am Anfang stand der Bedarf nach einem besseren Stromabkommen. Das sozusagen war das Einfallstor der EU, worauf man die Büchse der Pandora öffnete. Und was ist passiert? Beim Strom hat man keine Einigung erzielt, deshalb hat der Bundesrat dieses Dossier abgekoppelt. Der ganze Rest ist im Wesentlichen das Gleiche wie das Rahmenabkommen von 2021. Wobei es einen Unterschied gibt.
Welchen?
2021 war Guy Parmelin Bundespräsident. Der hatte Rückgrat. Das vermisse ich bei der heutigen Landesregierung – die hätte das Signal nach Brüssel senden müssen: Wir können verhandeln, aber bei der Souveränitätsfrage bleiben wir hart! Bei keinem Freihandelsvertrag mit einem Drittstaat geht es um Souveränitätsfragen, ich weiss nicht, wieso die EU auf die Idee kommt, der Schweiz fremdes Recht aufzuzwingen.
De facto übernimmt die Schweiz schon längst EU-Recht.
Aber freiwillig! Dort wo es Sinn macht, habe ich überhaupt kein Problem damit. Übrigens erzählt Ignazio Cassis Unsinn, wenn er sagt, dass es nicht um viele Gesetzesanpassungen gehe. Wieso braucht man dann eine 1400-seitige Botschaft fürs Parlament? Ich kann mich nicht an eine bundesrätliche Botschaft von 1400 Seiten erinnern.
Cassis könnte Ihr Hauptgegner bei einer Abstimmung werden …
Er wirkt etwas blass in dieser Frage. Das gilt für den gesamten Bundesrat. Haben Sie ein Mitglied erlebt, das Feuer und Flamme ist für dieses Abkommen? Ausser Bundespräsidentin Viola Amherd natürlich.
Was haben Sie denn an Frau Amherd auszusetzen?
Es ist offensichtlich, dass es ihr nur um das Foto mit Ursula von der Leyen ging. Der Inhalt spielt für Viola Amherd keine Rolle.
Sie sprechen auf den Fototermin mit der EU-Kommissionspräsidentin vergangene Woche in Bern an …
Den teuersten Flug der Geschichte.
Wie meinen Sie das?
Frau von der Leyen kam ja nicht gratis. Ihr Besuch kostete uns Schweizerinnen und Schweizer 350 Millionen Franken. Die EU ist in der Krise, hoch verschuldet und braucht Geld. Wir dürfen uns nicht enger an eine Krisenregierung anbinden lassen. Das macht absolut keinen Sinn.
Sie meinen die vereinbarten Kohäsionszahlungen, die die Schweiz jährlich an die EU entrichten soll.
Genau. Und der Fototermin war im Grunde eine Schweinerei. Viola Amherd trat für einen Handshake mit der EU-Vertreterin kurz auf die Bühne, machte den grossen Zampano und schickte danach ihre drei Kollegen Ignazio Cassis, Guy Parmelin und Beat Jans vor die Medien. Ich hätte von der Bundespräsidentin erwartet, dass sie hinsteht und sich den Fragen stellt.
Wie nahmen Sie Viola Amherd insgesamt als Bundespräsidentin wahr?
Sie hat vor allem Steuergeld verbrannt. Das begann mit der Bürgenstock-Konferenz, wo sie eine tragische Rolle spielte …
Ach bitte – eine gut gemeinte Sache.
Mit welchem Resultat? Zunächst hiess es, dass das ein Schritt zum Frieden sei, bis man merkte, dass die Russen nicht kommen. Dann wurde eine Nachfolgekonferenz in Aussicht gestellt. Haben Sie davon etwas gehört? Ich nicht. Ein Desaster! Ausser für Frau Amherd, die ihr Ego steigern konnte.
Jetzt sind wir abgewichen. Noch einmal zu Europa: Sie streben ja einen Sieg wie das EWR-Nein 1992 an …
Am liebsten wäre mir gewesen, dass bereits der Bundesrat das stoppt. Dieser Kampf wird hart, ein Marathon. Denn ich glaube, dass das sehr, sehr knapp werden könnte. Ich bin nicht so überzeugt wie viele andere, dass die Abstimmung schon gewonnen ist.
Interessant. Was lässt Sie zweifeln? Sie haben Gleichgesinnte bis ins linke Spektrum.
Die Gewerkschaften sind gekauft, damit sie später ruhig bleiben.
SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard hat doch soeben im Blick das Abkommen kritisiert!
Die Gewerkschaften machen nur Theater im Wissen darum, dass sie dann mehr kriegen. Sie treiben den Preis in die Höhe.
Das werden wir sehen. Dann ist es doch umso wichtiger, dass Sie nicht nur mit der Hellebarde auftreten, sondern Verbündete haben.
Das haben wir.
Wen?
Wir haben mit der Gruppierung Kompass/Europa über 2000 Leute aus der Wirtschaft die unabhängig von uns für den eigenständigen Weg kämpfen. Das war 1992 nicht der Fall. Heute sind erfolgreiche Unternehmer wie Urs Wietlisbach und Alfred Gantner und etliche KMU-Leute gegen das Abkommen. Das ist eine wichtige Front, denn ich bin überzeugt, dass die Wirtschaftsfrage zentral sein wird. Und schliesslich haben wir die Vereinigung Pro Schweiz mit dem kampferprobten Adrian Amstutz an Bord. Wir sind breiter aufgestellt als 1992.
Laufen da Gespräche untereinander?
Man tauscht sich aus. Wir werden uns aufeinander abstimmen. Aber wir sind unabhängig voneinander.
Und mit der Nachhaltigkeits-Initiative haben Sie eine Vorlage mit derselben Sprengkraft.
Darum haben die anderen so Schiss! Bundesrat Beat Jans hat die anderen Parteispitzen bereits zum Gespräch darüber geladen, wie man die Initiative bodigen kann – mit uns hat er nicht gesprochen.
Sie können die Sorge in Wirtschaftskreisen vor dieser Initiative aber schon nachvollziehen? Es ist ja die Wirtschaft, die Arbeitskräfte aus dem Ausland holt.
Jetzt haben wir die Spitze erreicht. Wir haben zwar eine rekordhohe Zuwanderung, aber die Wirtschaft verlangt immer nach noch mehr …
… auch Vertreter Ihrer Partei.
Wir haben seitenweise Stelleninserate trotz rekordhoher Zuwanderung. Ich frage jeweils: Wie viel Zuwanderung brauchen wir, dass die Firmen sagen, jetzt ist genug – 200’000? 300’000? Ich erhielt nie eine Antwort. Noch wichtiger ist: Der Bereich, der am stärksten wächst, ist der öffentliche Sektor. Der Staat macht den Unternehmen immer mehr Vorschriften – und zieht den Unternehmen auch noch die Arbeitnehmer ab! Da habe ich schon die Hoffnung, dass die neue Regierung in Amerika auf den Putz haut und entsprechende Signale setzt.
In den USA soll Tesla-Unternehmer Elon Musk der Verwaltung Beine machen. Was schlagen Sie hierzulande vor?
Einen Elon Musk für die Schweiz haben wir bereits gefordert. Und wir lancierten schon den Vorschlag, dass für jede neue Regulierung ein altes Gesetz verschwinden muss. Das Problem ist: Mit jedem neuen Gesetz haben wir neue Staatsangestellte. Deshalb braucht es jetzt ein Moratorium des Staatswachstums auf Bundesebene. Der Bundesrat sollte bis auf weiteres keine zusätzlichen Staatsangestellten ermöglichen. Erst recht in Zeiten, in denen der Bund sparen muss. Ein anderes Thema beschäftigt die Bevölkerung allerdings mindestens so fest.
Sie meinen das Asylwesen.
Die Volksseele kocht. Ereignisse wie der Vorfall auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg stehen für einen Missstand im Asylwesen, und ganz ehrlich, ich mache mir Sorgen um unsere Kultur. Wir befinden uns nicht weit vom Kloster Einsiedeln. Im November schändete ein angeblich 17-jähriger Afghane die schwarze Madonna.
Ein psychisch kranker junger Mann, heisst es.
Ich weiss nicht, ob der psychisch krank ist. Ich weiss auch nicht, ob er 17 ist. Ich habe bloss das Video gesehen – für mich war das eine Machtdemonstration. Und es reiht sich ein in die mörderischen Angriffe von Solingen, Mannheim, Brandenburg oder Zürich, wo ein Jugendlicher mit nordafrikanischen Wurzeln im März einen Juden lebensgefährlich attackiert hat.
Jetzt picken Sie verschiedene Fälle heraus. Wo hört das Benennen von Missständen auf – und wo beginnt Stimmungsmache?
Das Problem ist Bestrafung. Es fehlt ein klares Signal. Beispielhaft ist der Fall im Kloster Einsiedeln. Statt Anzeige zu erstatten, haben die Mönche für den Madonna-Schänder gebetet. Hätte das Kloster auch so reagiert, wenn Sie oder ich das gemacht hätten? Ich habe da meine Zweifel. An manchen Schulen werden aus Rücksicht keine Weihnachtslieder mehr gesungen, Kreuze werden abgehängt und im Militär Gebetsteppiche ausgerollt. Wir geben scheibchenweise unsere Tradition und unsere Kultur auf. Das bereitet mir grosse Sorgen. Wobei ich betonen will: Mit jenen, die sich hier an die Regeln halten und integrieren, habe ich nicht das geringste Problem.
Wenn Ihnen ein starkes Signal des Staates fehlt – wie soll dieses aussehen?
Es beginnt schon mit der fehlenden Sanktionierung beim Regelverstoss. Die Asylmigranten lachen über uns. Am schlimmsten ist der Vollzug. So gut wie niemand muss in sein Heimatland zurück. Warum hat Ungarn so wenig Asylbewerber? Weil sie nur die aufnehmen, die wirklich einen Asylgrund haben. Darum haben wir die Grenzschutz-Initiative lanciert: Kein Asyl, wenn jemand über ein sicheres Drittland kommt, kein illegaler Aufenthaltsstatus mehr, keine vorläufige Aufnahme mehr.
Wo stehen Sie mit dieser Initiative?
Bei knapp drei Vierteln der nötigen Unterschriften – und wir haben erst im Sommer mit dem Sammeln begonnen.
Das Parlament hat bei den Ukrainern die Schraube angezogen und für Kritik gesorgt – der Schutzstatus S gilt nur noch für gewisse Gebiete in der Ukraine.
Und wer hat in den Kantonen Druck gemacht? Der Zürcher Regierungsrat Mario Fehr …
Fehr teilte Justizminister Jans per Brief mit, dass Zürich keine Grossfamilien mehr aufnimmt, die nicht aus umkämpften Gebieten kommen.
Ich forderte darauf unsere Regierungsräte auf: Doppelt sofort nach! Ich schrieb ihnen: Wenn der grosse Kanton Zürich keine mehr aufnimmt, wisst ihr, wer das zu spüren bekommt.
Und, wirkte Ihr Aufruf bei Ihren Kollegen in den Kantonen?
Bern, St. Gallen, Glarus und Thurgau sind Zürich gefolgt.
Von Bundesrat Beat Jans scheinen Sie wenig begeistert.
Er ist ein Ankündigungsminister. Ihm ist der Schritt vom Parteisoldaten zum Magistraten nicht gelungen.
Warum übernimmt dann nicht die SVP bei der nächsten Gelegenheit das Asyldepartement?
Diese Frage kommt immer wieder. Wir können nicht jedes Departement besetzen. Aber wir werden, davon bin ich überzeugt, langfristig nicht umhinkommen, auch in diesem Departement aufzuräumen. Dänemark und Schweden zeigen, dass auch sozialistische und liberale Regierungen durchgreifen können.
An diesen Worten werden Sie noch gemessen. Jetzt sind Sie knapp ein Jahr SVP-Präsident. Zu Beginn wurden Sie von den Parteioberen als neuer Toni Brunner angepriesen. Sind Sie das geworden?
Das kann ich nicht beurteilen, aber ich gehe an den Delegiertenversammlungen sicher viel früher ins Bett als Toni.