Auf einen Blick
- EU-Deal: Fronten zwischen Gegnern und Befürwortern zeichnen sich ab
- SVP führt Kampf gegen den EU-Deal an, GLP unterstützt ihn
- Cassis will Vorlage vor Sommerpause 2025 in die Vernehmlassung geben
FDP-Aussenminister Ignazio Cassis (63) hat es nach einem langen Verhandlungsmarathon mit der EU-Kommission geschafft: Seine Bundesratskollegen haben das Verhandlungsergebnis abgesegnet. Nun liegt der neue EU-Deal auf dem Tisch.
Noch vor der Sommerpause 2025 will Cassis eine Vorlage in die Vernehmlassung geben. Diese soll das Abkommenspaket sowie innenpolitische Massnahmen beinhalten. Spätestens dann müssen Parteien, Verbände und Organisationen Position beziehen. Blick erklärt, wie die Fronten verlaufen und wo die Hauptakteure stehen.
Die Feinde
Es ist bereits klar, welche Partei den Kampf gegen den EU-Deal anführen wird: die SVP. Diese lehnt den «EU-Unterwerfungsvertrag» kategorisch ab. 2021 habe der Bundesrat mit dem Nein zum Rahmenabkommen noch Rückgrat gezeigt, moniert die Partei. Nun aber wolle er «die Schweiz an die Krisen-EU ausliefern». Für SVP-Vordenker Christoph Blocher (84) wird es der letzte grosse Kampf – damit schliesst sich quasi ein Kreis, nachdem er 1992 den EWR-Beitritt praktisch im Alleingang gebodigt hatte.
Sekundiert wird die SVP von verschiedenen Organisationen. An vorderster Front mit dabei ist das Komitee Kompass Europa, das eine engere Anbindung der Schweiz an die EU zu verhindern versucht. Angeführt wird es von den Milliardären Alfred Gantner (56), Urs Wietlisbach (63) und Marcel Erni (59), die im Abstimmungskampf auch für ein dickes finanzielles Polster sorgen dürften.
Als Kampforganisation wird auch Pro Schweiz, die aus verschiedenen EU-kritischen Vereinen hervorgegangen ist, eine aktive Rolle spielen. Der Bundesrat verschleiere die Kernpunkte, kritisiert die Organisation. Brüssel diktiere, Bundesbern kapituliere und das Schweizer Volk solle «schweigen und zahlen».
SVP und Co. setzen auch anderweitig auf Konfrontation: Ihre Initiative gegen eine 10-Millionen-Schweiz zielt im Endeffekt auf eine Kündigung der Personenfreizügigkeit. Gut möglich, dass zuerst über die Initiative abgestimmt wird und der EU-Deal erst 2028 – nach den Wahlen 2027 – vors Volk kommt.
Die Freunde
Während sich die EU-Gegner längst formiert haben, kommen die EU-Freunde nur langsam in die Gänge. Die einzige Ausnahme: die Grünliberalen. Sie steht wie keine andere Partei für die Weiterentwicklung des bilateralen Weges. Die GLP befürwortet eine starke Annäherung an die EU und stellte sich als einzige Partei schon unmissverständlich hinter das 2021 gescheiterte Rahmenabkommen. Im neuen Deal sieht die Partei von Jürg Grossen (55) eine «Chance, den bilateralen Weg aus der Sackgasse zu führen».
Jubelstimmung herrscht bei den Grünen. Für die Partei ist das Abkommen «ein Garant für stabile und gute Beziehungen, von welchen sowohl die Schweiz als auch die EU profitieren». Zu Vorsicht mahnt die Partei beim Lohnschutz.
Die grossen Wirtschaftsverbände hielten sich in der aktuellen Debatte bisher eher zurück. Nun aber positionieren sie sich deutlich: Der Arbeitgeberverband, Economiesuisse und Swissmem begrüssen die neuen Verträge ausdrücklich. Der Abschluss der Verhandlungen markiere einen wichtigen Schritt in Richtung einer nachhaltigen Sicherung dieses bewährten Wegs, heisst es etwa beim Arbeitgeberverband.
Die Pokerer
Linke und Gewerkschaften haben den bilateralen Weg bisher stets mitgetragen – dank der flankierenden Massnahmen, die das schweizerische Lohnschutzniveau weitgehend gesichert haben. Mit dem neuen EU-Deal ist in diesem Bereich ein Rückschritt verbunden.
Der Gewerkschaftsbund, angeführt von Pierre-Yves Maillard (56), bewertet das Verhandlungsergebnis als «ungenügend»: Der Lohnschutz werde abgebaut und der Service public geschwächt.
Im Inland-Poker steht der Lohnschutz im Fokus. Seit Monaten verhandeln die Sozialpartner hinter verschlossenen Türen. Ohne konkretes Resultat. Damit die Gewerkschaften mitmachen, braucht es Zugeständnisse etwa bei der Allgemeinverbindlichkeit von Gesamtarbeitsverträgen oder beim Kündigungsschutz für Arbeitnehmende. Auch höhere Kinderzulagen stehen zur Diskussion.
Für sie ist klar: Nicht nur Unternehmen, sondern auch die Arbeitnehmenden müssen vom EU-Deal profitieren. Das dürfte auch für die SP zum Gradmesser werden. Wer glaubt, das sei alles bloss ein grosser Bluff, könnte sich durchaus verrechnen.
Die Zauderer
FDP und Mitte reagieren noch zurückhaltend – wenn auch tendenziell positiv. Die beiden bürgerlichen Parteien bilden zusammen mit der SP traditionell die Europa-Allianz im Bundesrat. Umso mehr verwundert ihr Zaudern.
Die FDP von Thierry Burkart (49) bewertet das Verhandlungsergebnis besser als bei früheren Anläufen. Die Partei will die Verträge weder bejubeln noch verdammen. Die Verträge müssten erst geprüft werden. «Nützen die neuen Verträge der Schweiz?» Diese Frage werde die FDP-Basis an einer Delegiertenversammlung entscheiden.
Auch die Mitte sieht einen «klaren Fortschritt». «Im Vergleich zum Rahmenabkommen von 2018 hat der Bundesrat wesentliche Verbesserungen erreicht», so Mitte-Präsident Gerhard Pfister (62). Man werde nun prüfen, ob das Verhandlungsziel tatsächlich erreicht werde, und sich später ausführlicher dazu äussern.