Die drohende Strommangellage setzt die Bundesverwaltung unter Strom. Die Pläne von SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (63), mit welchen Sparmassnahmen er der drohenden Strommangellage begegnen will, sorgt in den Amtsstuben für Diskussionsstoff. Das zeigt die verwaltungsinterne Ämterkonsultation vom Herbst zu den Strom-Bewirtschaftungsmassnahmen, die Blick gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz vorliegt.
Darin fahren die Bundesbeamten Parmelin auch an den Karren. Unter Beschuss kommt nämlich die Idee für Tempo 100 auf der Autobahn. Reicht freiwilliges Energiesparen nicht mehr aus, sollen die Autofahrer den Fuss vom Gas nehmen. Egal, ob im Elektroauto oder im Benziner.
Elektroautos «deutlich in der Minderheit»
Das sorgt beim Bundesamt für Justiz für Kopfschütteln. Es sei zwar nachvollziehbar, dass Elektroautos bei tieferem Tempo Strom sparen würden, hält es in seiner Stellungnahme vom November fest. Dann folgt das Aber: «Sie reduzieren jedoch die Höchstgeschwindigkeit nicht nur für Elektroautos, sondern für alle Autos.» Deren Beitrag sei nicht erforderlich, um einer Strommangellage zu begegnen, finden die Justizbeamten. Sie stellen denn auch infrage, ob der Anteil von Elektroautos auf der Autobahn tatsächlich so gross sei, dass eine Temporeduktion eine spürbare Auswirkung auf den Gesamtstromverbrauch habe.
«Im Moment sind auf den Autobahnen die elektrischen Autos deutlich in der Minderheit», moniert das Bundesamt in seiner Stellungnahme. Sowieso stelle sich die Frage, weshalb alle weniger schnell fahren sollten, «während Beschneiungs- und Skisportanlagen erst bei Stufe 4 verboten werden». Die Begründung, alle Autos in den gleichen Topf zu werfen, sei schlichtweg «zu dürftig».
Und noch einen Einwand bringen die Juristen an: Der Bundesrat dürfe eigentlich nur Temporeduktionen anordnen, die der Verkehrssicherheit dienen würden. «Die Beschränkung auf 100 km/h auf Autobahnen zur Reduktion des Stromverbrauchs ist keine solche Regelung.»
«Nicht zielgerichtet»
Kritik an Tempo 100 übt in der Ämterkonsultation auch Parmelins eigenes Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Die Temporeduktion solle nur für Elektroautos gelten. Eine generelle Senkung auch für fossil betriebene Autos «ist nicht zielgerichtet», hält das Seco fest. Und schiebt hinterher: «Oder ist es nicht möglich, bei Geschwindigkeitskontrollen zu unterscheiden, ob es elektrisch oder thermisch ist?»
Parmelin lässt sich von diesen Einwänden vorerst nicht beirren – obwohl der Anteil rein elektrischer Autos am gesamten Personenwagenbestand Ende 2022 gerade mal 2,3 Prozent ausmacht. Die Zahl der Elektrofahrzeuge steige stetig an und damit auch das Sparpotenzial, heisst es in den Erläuterungen zu den Vorschlägen, welche der SVP-Magistrat Ende November präsentiert hat. Zudem würden die eingesparten Mineralölprodukte «allenfalls für den Betrieb von Notstromaggregaten zur Verfügung stehen». Und werde weniger getankt, werde auch Strom gespart.
Seco kritisiert «Mikromanagement»
Doch nicht nur Tempo 100 gibt zu reden. Ausgerechnet das Seco, das Parmelins Wirtschaftsdepartement angegliedert ist, stört sich am «Mikromanagement» des Bundes – also den detaillierten Einschränkungen von der Waschtemperatur-Vorgabe bis hin zum Streaming-Verbot.
Es warnt vor der «Gefahr, dass die Norm-Adressate nicht mehr wissen, was gilt». Und verweist dabei auf die Corona-Regelungen, als nicht immer klar war, ob sich nun fünf oder zehn Personen treffen dürften, ob drinnen oder draussen, usw. Einige Verbotsoptionen – etwa für Kinos, Sportveranstaltungen oder sonstige Kultur- und Freizeitveranstaltungen gehen dem Seco schlicht «zu weit».
Sowieso wollen die Wirtschaftsbeamten die Grossverbraucher bei Verbotsvorgaben möglichst schonen. Um wirtschaftliche Schäden zu begrenzen, soll der Fokus anderweitig ausgerichtet werden. «Verbote und Beschränkungen sind klarer auf private Haushalte, auf den Komfortbereich sowie Unternehmen, die nicht kontingentiert werden, zu beschränken», beantragt das Seco – allerdings vergeblich.
Im Februar entscheidet der Bundesrat
Allerlei Einwände gibt es auch gegen den Einschränkungs- und Verbotsfahrplan, der mehrere Eskalationsstufen vorsieht. Während das Seco auf Lockerungen drängt, um eigentliche «Betriebsschliessungen» zu verhindern, zieht das Bundesamt für Zivilluftfahrt in die gegenteilige Richtung. Es ärgert sich über die «bevorzugte Behandlung von Freizeit- und Sportaktivitäten», denen erst auf einer späteren Eskalationsstufe tiefe Einschnitte drohen. Lapidar schreibt das Amt: «Kunsteisbahnen, Schneekanonen, (vorab private) Jacuzzis und jedes zweite Hallenbad könnten sofort und ohne nennenswerte gesellschaftliche Einbusse nicht nur kontingentiert, sondern ganz ausser Betrieb genommen werden.»
Nicht nur die Rückmeldungen der Ämter sind kontrovers, ebenso die Vernehmlassungsantworten von Parteien, Organisationen und Verbänden. Derzeit werden die Verordnungen im Wirtschaftsdepartement überarbeitet – und schon im Februar wird Bundesrat Parmelin seine angepassten Vorschläge seinen Regierungsgspänli präsentieren. Klar ist schon jetzt: Die Stromverordnung bleibt ein Papier mit Tücken.