Warme Winter sind nicht nur für Schneehasen auf der Piste ein Problem – sondern noch stärker für die gleichnamigen Tiere. Mangelts an Schnee, wird den Hasen das weisse Fell zum Verhängnis: Sie geraten einfacher ins Visier von Raubtieren, ihr Lebensraum schrumpft.
Es ist nur ein Beispiel für die Folgen, die milde Temperaturen mitten im Winter, wie wir sie derzeit erleben, haben. Um die 20 Grad Anfang Jahr: Das wirkt sich auch auf Natur, Landwirtschaft und die Energieversorgung aus. Im Positiven wie auch im Negativen.
Gefahr für Obstbäume
«Am meisten Sorgen machen uns die Obstbäume», sagt Markus Ritter (55), Mitte-Nationalrat und Präsident des Schweizer Bauernverbands. Ist es lange sehr warm, besteht die Gefahr, dass die Bäume schon austreiben. «Kommt es dann noch einmal zum Wintereinbruch, können die Kulturen grossen Schaden nehmen», sagt Ritter.
Umgekehrt kann ein milder Winter auch dazu führen, dass Bäume zu spät blühen. «Einige Pflanzen brauchen eine gewisse Anzahl von kalten Tagen in Winter, damit ihre biologische Uhr richtig funktioniert», sagt Pierluigi Calanca von der Forschungsanstalt Agroscope. Dazu gehörten beispielsweise Äpfel, Birnen, Kirschen und Reben.
Kälte und Schnee sind zudem wichtig für die Böden. Im Tessin habe sich im vergangenen Jahr gezeigt, dass ein trockener Winter die Sommertrockenheit verschärfen könne, sagt Forscher Calanca. Es fehlen Wasserreserven, wenn es keinen oder nur wenig Schnee gibt, der im Frühling schmilzt.
Bienen drohen Honigreserven auszugehen
Für die Bienen ist die Winterwärme ebenfalls gefährlich. «Ist es lange warm, werden sie bereits aktiv. Doch weil noch nicht viele Blumen blühen, müssen sie sich von den Honigreserven ernähren», so Calanca aus. Bei einem erneuten Kälteeinbruch könnten sie plötzlich zu wenig Nahrung haben.
Auch andere Insekten sind früher als sonst unterwegs, zum Beispiel Mücken. «In Baumhöhlen überwinternde Fledermäuse können durch die Wärme aus dem Winterschlaf erwachen», sagt Urs Tester von Pro Natura. «Sie müssen einen kühleren Schlafplatz suchen. Das kostet Energie und eventuell auch das Leben.»
Von den höheren Temperaturen profitieren kann hingegen das Vieh. «Ich konnte die Kühe vergangenes Jahr fast bis Ende November draussen behalten, weil noch Gras wuchs», erzählt Biobauer Ritter. Und wenn es das Wetter zulässt – das Gras wächst und die Böden nicht zu nass sind –, gehe die Freiluft-Saison im März schon wieder los.
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Strompreise sanken deutlich
Positiv ist das milde Winterwetter auch aus Sicht der Versorgungssicherheit. Es muss weniger geheizt werden, die Wasserspeicher in der Schweiz und die europäischen Gasspeicher können geschont werden. «Auf diese Energie sind wir im Februar, März und April angewiesen, wenn Engpässe am wahrscheinlichsten sind», sagt Julien Duc vom Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE.
Kostete eine Megawattstunde Strom Anfang Dezember noch 413 Franken, wurde sie Ende Monat für 265 Franken gehandelt, sagt Duc. In einigen Regionen und Stunden seien die Strom-Spotpreise gar negativ geworden, teilt der Energiekonzern Axpo auf Nachfrage mit. Das heisst: Wer Strom wollte, musste dafür nichts zahlen, sondern erhielt sogar noch Geld dafür.
«Vorübergehende Entspannung ist keine Entwarnung»
«Zu den Hauptgründen hierfür gehört das sehr milde und gleichzeitig oft relativ windige Wetter», sagt Axpo-Experte Andy Sommer. Das habe zur Folge, dass man nur wenig Energie aus Kohle und Gas benötigt habe. Dies reduziere den Nachkaufbedarf in den Sommermonaten etwas.
Die Endkunden haben von den günstigeren Preisen vorderhand nichts, weil die Tarife jeweils schon im Sommer fürs kommende Jahr festgelegt werden. Auch bedeutet die aktuelle Situation aus Sicht des Stromverbands VSE nicht, dass man sich das Energiesparen nun sparen kann. Verbandssprecher Duc betont: «Eine vorübergehende Entspannung ist keine Entwarnung.» Energie zu sparen, lohne sich trotzdem weiterhin. Denn eine Energiemangellage diesen Winter sei «nach wie vor möglich», sollte es zu einer «unglücklichen Verkettung» von Faktoren kommen, die die Schweiz nicht beeinflussen kann.