So stramm auf Regierungskurs war das Volk schon lange nicht mehr. Eineinhalb Monate vor dem nächsten Abstimmungssonntag finden bei der ersten SRG-Trendumfrage alle drei Vorlagen vom 15. Mai die Gnade der Stimmberechtigten.
Jeweils 63 Prozent der Befragten wollen am 15. Mai ein Ja zur Schweizer Beteiligung an der EU-Grenzschutzagentur Frontex und zur Organspende-Vorlage einlegen. Ebenfalls auf Ja-Kurs ist die sogenannte «Lex Netflix», wenn auch mit 57 Prozent nicht ganz so deutlich.
So richtig in die Gänge gekommen ist der Abstimmungskampf bislang zwar nicht, viele werden sich ihre Meinungen erst noch machen. Die jeweiligen Befürworter haben aber ein komfortables Polster. Dazu gehören auch Bundesrat und Parlament, handelt es sich bei allen drei Vorlagen doch um Referenden.
Noch im Februar zeigte sich ein ganz anderes Bild: Sowohl bei der Tabakwerbeverbots-Initiative, der Stempelsteuer und dem Mediengesetz stimmte das Volk das Gegenteil von dem, was Bundesrat und Parlament empfohlen hatten.
Schengen-Risiko schreckt ab
Die umstrittenste Vorlage im kommenden Mai ist zweifellos jene der Schweizer Beteiligung an Frontex. Die EU-Grenzschutzagentur wird immer wieder mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht, weswegen Organisationen aus dem Migrationsbereich das Referendum gegen den Schweizer Beitrag ergriffen haben. Mit 63 Prozent Ja- zu nur 29 Prozent Nein-Stimmen haben solche Argumente bislang aber ganz offensichtlich nicht gefruchtet, wie aus der Umfrage hervorgeht.
Zwar wurde nur indirekt danach gefragt, die Vermutung liegt aber nahe, dass das Risiko für Schengen im Pro-Lager ein wichtiges Argument sein dürfte. Denn die Befürworter der Vorlage warnen, dass die Schweiz aus dem Schengen-Raum ausgeschlossen werden könnte, wenn sie sich nicht am Frontex-Ausbau beteiligt.
Frontex macht rechts und links Bauchweh
Bemerkenswert ist der Blick auf die Parteibindungen, hat doch das Frontex-Referendum gerade die Linken ins Dilemma gestürzt. SP und Grüne haben beide die Nein-Parole herausgegeben, ihre Basis ist aber wenig auf Kurs. 57 Prozent der Sozialdemokraten wollen Ja stimmen, bei den Grünen sind es ebenfalls satte 52 Prozent. Nur 23 respektive 27 Prozent folgen der Parteiparole.
Nicht nur in der Linken sorgt die Frontex-Finanzierung für eine Spaltung. Die Wähler von Mitte, FDP und GLP sind zwar überdeutlich auf dem Ja-Kurs ihrer Parteien. Bei der SVP hingegen stehen 50 Prozent Ja 45 Prozent Nein gegenüber. Die Sünneli-Partei hat ihre Parole noch nicht gefasst, um so spannender wird es, auf welche Seite sie sich letztlich schlägt.
Jungfreisinn muss eigene Partei noch überzeugen
Während Frontex ganz links und ganz rechts Kopfschmerzen bereitet, übernimmt diese Rolle das Filmgesetz bei der FDP. Deren Jungpartei ist federführend beim Referendum gegen die sogenannten «Lex Netflix», die Streaming-Anbieter verpflichtet, vier Prozent des Umsatzes in die Schweizer Filmproduktion zu stecken.
Trotzdem gehen die Meinungen bei der Mutterpartei bemerkenswert weit auseinander. 49 Prozent Ja stehen hier 43 Prozent Nein-Stimmabsichten gegenüber.
Romands eher für Organspende-Vorlage
Bei der dritten und letzten Vorlage geht es um die Organspende: Wenn ein Verstorbener sich zu Lebzeiten nicht gegen die Organspende ausgesprochen hat, und auch die Angehörigen nichts einzuwenden haben, soll die Organspende künftig erlaubt werden.
Eigentlich ist dies ein indirekter Gegenvorschlag gegen eine Volksinitiative, doch dagegen wurde wiederum das Referendum ergriffen: Lieber soll alles beim Alten bleiben, dass nämlich ohne explizite Zustimmung zu Lebzeiten die Organentnahme tabu ist.
Obwohl die Frage meist wenig mit der Parteizugehörigkeit zu tun hat, sind die Lager aber deutlich verteilt: Je weiter rechts, desto tiefer ist die Zustimmung zum Gesetz. Die tiefste Zustimmung hat die SVP, wo nur 42 Prozent der Basis vorhat, ein Ja einzulegen.
Eine grosse Rolle spielt bei dieser Vorlage auch das Alter: Drei Viertel der unter 40-Jährigen tendieren zu einem Ja, bei den über 65-Jährigen sind es noch 56 Prozent. Und der Röstigraben macht sich auch hier bemerkbar: In der Westschweiz haben nur halb so viele vor, dem Referendum zu folgen und ein Nein einzulegen, als das in der Deutschschweiz der Fall ist.