Am 15. Mai wird die Schweiz die nächste Schlacht um Europa ausfechten. Es geht darum, ob das Land Ja sagt zum Ausbau der EU-Grenzschutzagentur Frontex. Dagegen haben Migranten-Organisationen das Referendum ergriffen, insbesondere wegen Menschenrechtsverletzungen, die Frontex vorgeworfen werden.
Weiterer Sargnagel für EU-Beziehungen
Doch es wird bei der Abstimmung Mitte Mai um weit mehr gehen: Sagt die Schweiz Nein zu Frontex, fliegt sie aus dem Schengen-Dublin-System raus – wie Justizministerin Karin Keller-Sutter (58) am Wochenende bestätigte. Damit würde die Schweiz unattraktiver für Touristen und attraktiver für Migranten. Während Erstere ein extra Visum bräuchten, könnten Zweite alle nochmals ein Asylgesuch in der Schweiz stellen, auch wenn sie das schon woanders getan haben.
Und mehr noch: Ein Nein zu Frontex würde in Brüssel als weiterer Sargnagel für die bilateralen Beziehungen wahrgenommen. Allfällige Gespräche über ein Ende der Nadelstiche bei Forschung und Export dürften dann noch weniger Aussicht auf Erfolg haben. Weswegen sich etwa der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse «aktiv» für ein Ja zu Frontex einsetzen wird.
SP riskiert Schengen-Ausschluss
Umso erstaunlicher ist, mit welcher Überzeugung die Linke für ein Nein weibelt. Am Samstag sprachen sich die Delegierten der SP mit 282 Stimmen zu 20 Stimmen dafür aus, das Referendum zu unterstützen. Ausgerechnet die SP, die am liebsten der EU beitreten würde, riskiert den Ausschluss aus dem Schengen-Verbund?
Davon will Co-Präsidentin Mattea Meyer (34) nichts wissen. «Die EU wird das Schengen-Abkommen bei einem Nein zur Frontex an der Urne sicher nicht kündigen», ist sie sicher. Das SP-Nein sei zudem vielmehr ein Bekenntnis zu mehr Europa, findet Meyer – einem Europa, das mehr Menschen Schutz bietet.
Kritik aus den eigenen Reihen
Nur: Als es 2019 um eine Verschärfung des Waffenrechts ging, sprach sich die SP vehement für Ja aus – und zwar auch mit dem Argument, dass die Schweiz sonst aus Schengen-Dublin rausfliegen würde. Damals noch kam sie zum Schluss: «Ein Abseitsstehen wäre völlig verantwortungslos.»
Nicht alle im linken Lager sehen dem Abstimmungskampf denn auch gelassen entgegen. «Ich persönlich hätte das Referendum nicht ergriffen», räumt SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (61), überzeugter Pro-Europäer, ein. Jetzt, wo es da sei, müsse aber «die humanitäre Situation an Europas Aussengrenzen» im Fokus stehen.
Beim Gewerkschaftsbund hatte das Sekretariat dem Vorstand gar Stimmfreigabe nahegelegt – aus europapolitischen Überlegungen. Letztlich entschied sich aber auch der SGB für ein Nein.