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So wurde das CO₂-Gesetz zum Debakel
Zu viel, zu teuer, zur falschen Zeit

Es ist ein Schock nicht nur für Umweltministerin Simonetta Sommaruga: Das Stimmvolk erteilt dem neuen CO₂-Gesetz eine Abfuhr. Wie kam es zum Debakel?
Publiziert: 14.06.2021 um 03:41 Uhr
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Aktualisiert: 14.06.2021 um 12:10 Uhr
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Feierlaune bei der SVP: Nationalrat Christian Imark, Nationalrat Albert Rösti (v. l.) und andere Gegner des CO2-Gesetzes stossen an.
Foto: Keystone
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Lea Hartmann

Das Debakel zeichnete sich schon bei der ersten Hochrechnung ab. Die Gewissheit kam kurz vor 18 Uhr: Das neue CO2-Gesetz ist an der Urne gescheitert. 51,6 Prozent der Stimmenden legten ein Nein ein. Gerade einmal fünf Kantone sagten Ja. Für die Befürworter ein Schock. «Meine Enttäuschung war noch nie so gross seit der EWR-Abstimmung 1992», so GLP-Präsident Jürg Grossen (51). Auch SP-Co-Präsident Mattea Meyer (33) stellt fest: «Ich bin extrem enttäuscht.»

«Misstrauensvotum gegenüber Sommaruga»

Insbesondere für Umweltministerin Simonetta Sommaruga (61, SP) ist das Ergebnis ein Super-GAU. Oder wie es SVP-Präsident Marco Chiesa (46) in der Elefantenrunde von Blick TV ausdrückte: «Das ist ein Misstrauensvotum gegenüber Sommaruga.» Die SVP war die einzige Partei, die für ein Nein gekämpft hatte.

Zu viel, zu teuer, zur falschen Zeit
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Desaster ums CO₂-Gesetz:Zu viel, zu teuer, zur falschen Zeit

Mit dem CO2-Gesetz hätte die Schweiz die Weichen gestellt, um bis 2030 den Treibhausgas-Ausstoss mindestens zu halbieren. Dazu haben wir uns im Pariser Klimaabkommen verpflichtet. Nun dürfte das nicht mehr zu schaffen sein. Laut dem Bundesamt für Umwelt sinken die Treibhausgas-Emissionen ohne das Gesetz bis 2030 höchstens um 23 Prozent.

Unglückliches Timing

Zum Verhängnis geworden ist dem CO2-Gesetz vor allem eins: der Zeitpunkt der Abstimmung. Die Trinkwasser- und die Pestizid-Initiative haben zu einer riesigen Mobilisierung auf dem Land geführt, was sich an der Stimmbeteiligung zeigt. Schweizweit lag sie bei knapp 60 Prozent. In zahlreichen Dörfern aber über 80 Prozent.

Das schadete dem CO2-Gesetz, weil viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger auf dem Land gleich dreimal Nein in die Urne legten. Wohl auch aus Trotz gegenüber den Städtern. Dass diese die Land- und Bergbevölkerung vergangenes Jahr beim Jagdgesetz überstimmten, haben sie nicht vergessen.

Der Bauernverband hatte zwar die Ja-Parole zum CO2-Gesetz beschlossen, allerdings erst Ende April, als der Abstimmungskampf schon voll im Gang war. In der Schlacht um die Agrar-Initiativen ist das zudem vollkommen untergegangen. Das Resultat: ein tiefer Stadt-Land-Graben.

Wie Sommaruga betonte, sei für das CO2-Gesetz kein anderer Abstimmungstermin infrage gekommen. Die Pestizid-Initiativen hingegen hätten auch schon im März an die Urne kommen können.

«Ja-Seite hat Kostenfrage unterschätzt»

Kommt hinzu, dass die Befürworter mit blutleeren Kampagnen und abstrakten Argumenten auf Stimmenfang gingen. Die SVP hingegen wusste ganz genau, was zieht – und zielte voll auf die Kosten. «Die Ja-Seite hat die Kostenfrage unterschätzt», sagte Politologe Claude Longchamp (64) auf Blick TV. Gerade in schlechten Zeiten – wie während einer weltweiten Pandemie – würden die Konsumenten zuerst aufs eigene Portemonnaie schauen. Die Befürworter hätten das wissen und ihre Kampagne entsprechend aufstellen müssen. Doch so richtig mit Herzblut warb kaum jemand für den Kompromiss, der niemandem hundertprozentig passte.

Zudem hat das Parlament das CO2-Gesetz wohl überladen, wie Sommaruga sagte. «Solch grosse Vorlagen haben es immer schwer, weil sie die Angriffsflächen vergrössern.» Flugticket-Abgabe, CO2-Abgabe auf fossile Treibstoffe, Gebäudeprogramm und Klimafonds: Einzeln dürften die Massnahmen eine Mehrheit geholt haben. In der Summe war es der ländlichen Bevölkerung zu viel.

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