Sicherheitsrisiko bei Aslysuchenden
Geheimdienst überprüfte 82 Ukrainer

Letztes Jahr nahm der Geheimdienst 713 Asyldossiers und 82 Status-S-Gesuche genau unter die Lupe. Dabei empfahl er ein Asylgesuch zur Ablehnung. Seit 2010 hat er damit insgesamt 139 Asylsuchende als potenzielles Sicherheitsrisiko eingestuft.
Publiziert: 10.01.2023 um 11:52 Uhr
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Der Nachrichtendienst des Bundes in Bern hat 2022 713 Asyldossiers und 82 Status-S-Gesuche überprüft.
Foto: Keystone
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Noch liegen die definitiven Zahlen nicht vor, doch letztes Jahr verzeichnete die Schweiz weit über 20'000 neue Asylgesuche. Hunderte davon nahm der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) auf Wunsch des Staatssekretariats für Migration (SEM) genauer unter die Lupe.

713 Asyldossiers hat der Geheimdienst auf ein mögliches Gefährdungspotenzial abgecheckt. Ein einziges Asylgesuch hat der NDB zur Ablehnung empfohlen, wie Sprecherin Sonja Margelist auf Anfrage erklärt. Zudem wurden 82 Status-S-Gesuche ukrainischer Flüchtlinge durch den Geheimdienst überprüft. Daraus resultierte jedoch keine einzige ablehnende Empfehlung.

Kaum NDB-Kontrollen bei Ukrainern

Obwohl letztes Jahr – neben den regulären Asylgesuchen – rund 75'000 Personen den Status S beantragt und rund 72'000 Menschen diesen auch erhalten haben, wurden in diesem Bereich nur wenige Dossiers vom Geheimdienst untersucht.

Das heisst aber nicht, dass die ukrainischen Flüchtlinge gar nicht kontrolliert wurden, wie SEM-Sprecher Samuel Wyss betont: «Fast alle Personen, die den S-Status beantragen, werden einer Identitäts- und Sicherheitskontrolle unterzogen.»

Allerdings entspreche das Kontrollniveau bei den aus der Ukraine ankommenden Flüchtlingen nicht demjenigen des regulären Asylverfahrens, räumt er ein. «Es enthält aber wesentliche Aspekte der Gefahrenabwehr.» Das beinhaltet die Personen- und Gepäckkontrolle, die Abnahme und Überprüfung der Zwei-Fingerabdrücke, die Kontrolle der Identitätsdokumente sowie den Abgleich in den relevanten Datenbanken.

Dass nur 82 Status-S-Dossiers an den Geheimdienst weitergeleitet wurden, hat einen einfachen Grund: «Da die grosse Mehrheit der Anträge auf S-Status Frauen und Kinder betrifft und gültige Identitätsdokumente enthält, wurden nur wenige Fälle, die besondere Hinweise ergaben, dem NDB zur Überprüfung vorgelegt.» Der NDB wiederum hat keinen dieser Fälle zu Ablehnung empfohlen.

Mehr Gesuche, weniger Überprüfungen

Im regulären Asylbereich ist die NDB-Kontrolltätigkeit zwar höher, doch wie schon im Vorjahr wurde nur ein Gesuch zur Ablehnung empfohlen. In den Jahren zuvor waren es noch deutlich mehr: Ein Dutzend im Jahr 2020 und im Rekordjahr 2017 sogar 38. Damals wurden auch noch deutlich mehr Dossiers überprüft – über 6000, obwohl die Zahl der Asylgesuche mit gut 18'000 viel tiefer war als vergangenes Jahr.

Mehr Gesuche, weniger Überprüfungen. Wie erklärt sich diese Lücke? Der Geheimdienst will dazu keine weiteren Angaben machen. Das SEM hingegen verweist darauf, dass 2017 «ein starker Migrationsstrom aus dem irakisch-syrischen Krisengebiet zu verzeichnen war, in dem viele Personen ihre Identität nicht nachweisen konnten, was eine gründlichere Überprüfung erforderte», so SEM-Sprecher Wyss.

Die Migrationsbehörde übermittelt dem Nachrichtendienst nämlich jeweils die Dossiers jener Asylsuchenden, bei welchen sich aufgrund ihrer Personalien oder aus ihren Dossiers Hinweise ergeben, dass sie ein Risiko für die innere und äussere Sicherheit der Schweiz darstellen könnten. Die Verdächtigen werden dabei durch eine Abfrage in den NDB-Datenbanken sowie allenfalls in anderen externen Datenbanken überprüft.

139 potenzielle Gefährder seit 2010

Aus gewissen Ländern, in denen terroristische Zellen agieren, werden dem NDB alle Dossiers unterbreitet. Welche Länder aktuell auf dieser vom Bundesrat abgesegneten Liste figurieren, ist geheim. Bei den zur Ablehnung empfohlenen Asylsuchenden kann es sich etwa um islamistische Extremisten, Angehörige einer Terrororganisation oder aber um andere Gewaltextremisten handeln. Infrage kommen auch potenzielle Kriegsverbrecher.

Seit 2010 hat der Geheimdienst insgesamt 139 Asylsuchende als potenzielles Sicherheitsrisiko ausgemacht.

Keine einzige Einbürgerung verweigert

Doch nicht nur Asyl- und Status-S-Dossiers hat der NDB im letzten Jahr überprüft, sondern auch 45'147 Einbürgerungsgesuche, wobei er kein einziges zur Ablehnung empfehlen musste – was im Vorjahr noch bei fünf Gesuchen der Fall war.

Im Weiteren überprüfte der Geheimdienst 6095 Gesuche im Bereich Ausländerdienst, wobei er aus Sicherheitsbedenken in acht Fällen eine Ablehnung empfahl. Sechs davon betrafen Akkreditierungen (etwa bei Botschaften). Abgelehnt wurden auch eine Aufenthaltsbewilligung und ein Visumsgesuch.

Ob die negativen Akkreditierungsempfehlungen im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine stehen, mochte das SEM nicht konkret beantworten. Die Bundesbehörden würden sich nicht zu einzelnen Fällen äussern beziehungsweise könnten keine Details zu ablehnenden Entscheidungen oder den betroffenen Nationalitäten nennen, so Wyss.

Auch wenn die Behörden schweigen, so ist es gut möglich, dass Russen von Absagen betroffen sind. Denn laut NDB sind ein Drittel der hierzulande akkreditierten russischen Diplomaten Spione.

Über 2 Millionen Flugpassagiere überprüft

Schliesslich kontrollierte der NDB auch 1,11 Millionen Datensätze im Rahmen des Visa-Konsultationsverfahrens, woraus fünf Ablehnungsempfehlungen resultierten. Damit wurden fast dreimal mehr Datensätze als im Vorjahr kontrolliert.

Daneben wurden die API-Datensätze (Advance Passenger Information) von 2,27 Millionen Personen auf 14'071 Flügen überprüft. Auch in diesem Bereich sind die Zahlen markant angestiegen. Das hängt damit zusammen, dass 2022 nach der heissen Phase der Corona-Pandemie wieder mehr gereist und geflogen wurde als in den ersten beiden Corona-Jahren.

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