Schwieriger Einstand für Baume-Schneider
SVP startet wahre Asyl-Offensive

Die Flüchtlingszahlen in der Schweiz steigen und steigen. Das ist Wasser auf die Mühlen der SVP. Die Partei begrüsst die neue Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider gleich mit einer Asyl-Breitseite im Amt.
Publiziert: 18.12.2022 um 12:58 Uhr
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Aktualisiert: 18.12.2022 um 14:55 Uhr
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Rund 70'000 ukrainische Flüchtende haben bisher vor dem russischen Angriffskrieg Schutz in der Schweiz gesucht.
Foto: Keystone
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Elisabeth Baume-Schneider (58) muss sich auf einiges gefasst machen. Am 1. Januar startet sie als neue SP-Justizministerin. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der Europa mit dem grössten Flüchtlingsstrom seit dem Zweiten Weltkrieg kämpft. Alleine in der Schweiz haben bis Ende November rund 70'000 Ukrainerinnen und Ukrainer den Schutzstatus S erhalten.

Auch die normalen Asylzahlen nehmen seit Monaten zu. Im September wurden mit 2681 so viele Gesuche gestellt wie seit der Flüchtlingskrise 2015 nicht mehr. Und die Zahlen steigen weiter. Für das laufende Jahr rechnet das Staatssekretariat für Migration (SEM) mit insgesamt 22’000 Asylgesuchen, 7000 mehr als im Jahr zuvor. Und ein Ende ist vorerst nicht absehbar.

Ein Schwall neuer und alter Forderungen

Da lässt sich die SVP nicht zweimal bitten. Immerhin zählt die Asylmigration zu ihren Kernthemen. Und nun, da wieder eine Linke dem verantwortlichen Departement vorsteht, lässt sich das Thema noch einfacher befeuern. Gerade im Wahljahr 2023 soll sich das für die Partei lohnen. Die SVP heisst die neue SP-Bundesrätin daher mit einem Schwall neuer und alter Forderungen im neuen Amt willkommen. Dabei macht sie vor fast nichts Halt. Die Forderungen stehen zum Teil in Konflikt mit geltendem Recht.

Obergrenze für Asylgesuche: Der Bundesrat solle eine zahlenmässige Obergrenze für die Annahme von Gesuchen festlegen, die dem Mittel der Jahre 2020 und 2021 entspricht. Das fordert der St. Galler Nationalrat Mike Egger (30). Wegen überfüllter Asylzentren schiebe der Bund heute Tausende Asylsuchende in die Kantone ab, bevor deren Gesuch abgeschlossen sei.

Transitzonen: Gemeinsam mit den Grenzkantonen soll der Bund an den Landesgrenzen Transitzonen mit Unterkünften und Verfahrensräumen schaffen. «Die Einreise darf einzig nach einem positiven Asylentscheid bewilligt werden», fordert der Aargauer Nationalrat Andreas Glarner (60). Bis dahin sollen die Asylsuchenden in einer der Zonen bleiben. Wer einen negativen Asylentscheid erhält, soll in sein Einreiseland zurückgeschafft werden.

Abschaffung des Status S: Die befristete Aufnahme der als schutzbedürftig eingestuften Personen erfolgt ohne Asylverfahren. Das habe zu einer Überbeanspruchung der Empfangsstrukturen auf allen Staatsebenen geführt, ist Egger überzeugt. Hinzu komme eine Ungleichbehandlung gegenüber allen anderen Asylsuchenden. Die Abschaffung des Status S sei nötig «für die Akzeptanz und die Glaubwürdigkeit des Sozialstaats und des Asylwesens», findet er.

Der Forderungskatalog der SVP reicht aber noch weiter. Gleich mit mehreren Vorstössen würde die Partei das Schweizer Asylwesen gerne komplett aushebeln:

Aufnahmestopp: Zwei Varianten präsentiert SVP-Vizepräsident Marcel Dettling (41) hier. Eine ist ein sofortiger Aufnahmestopp, weil 2022 bereits gegen 100'000 Flüchtlinge ins Land gekommen seien. Daneben schlägt er vor, nur noch so viele Asylsuchende aufzunehmen, wie im Gegenzug vorübergehend Aufgenommene (derzeit knapp 45'000) das Land wieder verlassen. So will Dettling Druck auf die Behörden machen: In den letzten zehn Jahren seien nur 120 Personen, die kein Asyl erhalten haben, wieder ausgereist.

Aussetzung des Asylrechts bei Status S: Der bis März 2024 verlängerte unkomplizierte Status S führe zur «Willkommenskultur» für Flüchtlinge aus aller Welt, ist die Aargauer Nationalrätin Martina Bircher (38) überzeugt. Im September hätten erstmals mehr Menschen ein Asylgesuch gestellt als ein Gesuch auf Schutzstatus S – Tendenz steigend. «Gemeinden und Kantone geraten überall an ihre Kapazitätsgrenzen», warnt Bircher. Daher dürften keine Asylgesuche mehr angenommen werden, solange der Status S gilt.

Schengen-Dublin-Einreisestopp: Glarner will alle Gesuche abweisen lassen von Personen, die aus Schengen-Dublin-Staaten einreisen. Das beträfe alle umliegenden Staaten. Eine Einreise wäre nur noch per Flugzeug möglich. Und: «Personen, auf deren Gesuch nicht mehr eingetreten wird, müssen in speziellen Unterkünften an möglichst unattraktiven Orten untergebracht werden.» Sie erhielten nur Nothilfe, aber keine Sozialhilfe oder andere Gelder.

«Mit diesen Plänen wollen wir dem Bundesrat helfen», versichert Bircher. Die bisherige FDP-Justizministerin Karin Keller-Sutter (58) habe immer eine EU-weite Lösung angestrebt, sagt Dettling: «Wer aber hofft, dass sich alle Mitgliedstaaten einig werden, glaubt auch an den Storch.» Die Schweiz brauche eigene Asyl-Lösungen. «Wir wollen nicht nur kritisieren, sondern legen konkrete Lösungsvorschläge vor», betont Egger. «So wollen wir Elisabeth Baume-Schneider den Start erleichtern.»

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