Darum gehts
- Kantone wollen personalisierte Tickets in Schweizer Stadien einführen
- Nationalrätliche Sicherheitskommission lehnt personalisierte Tickets ab
- Ständerat stimmte im Dezember für Änderung der Rechtsgrundlage
Es ist nur ein Beispiel von vielen. Im vergangenen Oktober dringen Zürcher Fussballchaoten am Bahnhof Hardbrücke in eine S-Bahn ein, liefern sich mit Rivalen eine Rangelei, bis einer zum Pfefferspray greift. Sekunden später hat sich das Reizgas im Waggon verteilt, die Passagiere keuchen und husten, mehrere fliehen aus dem Zug. Nach einer Minute ist der Tumult vorbei, die Vermummten ziehen unter Triumphchören Richtung Stadion.
Von solchen Gewalteskalationen haben die Kantone die Nase voll. Sie wollen in Schweizer Stadien personalisierte Tickets einführen, auch gegen den Willen der Fussballclubs. Auf Gehör gestossen sind sie im Ständerat. Chaoten soll es verboten sein, Sporttickets zu erwerben, wenn sie in der Hooligan-Datenbank Hoogan registriert sind. Der Ständerat stimmte im Dezember für eine Änderung der Rechtsgrundlage – auf Kosten des Datenschutzes, wie der Bundesrat moniert hatte.
Instrument könne Gewalt nicht wirksam eindämmen
Geht es nach dem Ständerat und den kantonalen Polizeidirektoren soll künftig schon beim Ticketkauf ein Datenabgleich zwischen Käufer und der Datenbank möglich sein; Verkaufsstellen würden Zugriff auf Hoogan erhalten. Personen erst beim Betreten des Stadions zu kontrollieren und Abgleiche mit der Datenbank zu machen, sei illusorisch, argumentieren Befürworter.
Zu anderen Schlüssen ist am Dienstag die nationalrätliche Sicherheitskommission gekommen. Auch wenn die kantonalen Polizeidirektoren auf eine nötige Gesetzesänderung beharren, die Kommissionsmehrheit will von personalisierten Tickets nichts wissen und lehnt die Forderung deutlich mit 17 gegen 7 Stimmen bei 1 Enthaltung ab. Zwar müsse die Sicherheit aller Beteiligten an Sportveranstaltungen gewährleistet sein und es bestehe auch Handlungsbedarf – für eine Mehrheit der Kommission sei die vorgeschlagene Regulierung aber nicht zielführend.
Erfahrungen aus Deutschland, England oder Frankreich zeigten, dass das Instrument Gewalt nicht wirksam eindämmen, sondern nur verlagern würde – nach ausserhalb der Stadien oder in untere Fussballligen, sagt SP-Nationalrätin und Kommissionsmitglied Andrea Zryd (49).
«Friedliche Fans würden abschreckt»
Die Einführung würde zu grossen logistischen Problemen, Wartezeiten und einem massiven Mehraufwand für Sportclubs führen, bilanziert die Kommissionsmehrheit. Gleichzeitig hat sie erhebliche Bedenken zum Datenschutz, wenn sensible Personendaten an zahlreiche externe Stellen herausgegeben werden. Und sowieso: Entscheidend ist nicht, wer ein Ticket kauft, sondern wer am Stadioneingang steht. Dort bräuchte es dann also nochmals eine Personenkontrolle. «Ein solch flächendeckender Datenabgleich würde viele friedliche Fans abschrecken», ist sich Zryd sicher.
Weiter erkennt die Kommissionsmehrheit die Sicherheit rund um Stadien nicht als Bundesaufgabe. Vielmehr würden bestehende Instrumente wie Rayon- oder Stadionverbote funktionieren und müssten nur konsequenter umgesetzt werden. Auch könnten Sportclubs schon heute Ausweise kontrollieren, mit Hoogan abgleichen und gegebenenfalls den Zugang verwehren. Dafür brauche es keine Gesetzesänderung.
SP-Nationalrätin Zryd hatte stattdessen einen weiteren Vorstoss eingereicht, der den Bundesrat beauftragen wollte, eine nationale, präventiv ausgerichtete Strategie zur Vermeidung von Gewalt rund um Sportveranstaltungen zu entwickeln. Zu prüfen wäre gewesen, wie die bestehenden Strukturen gezielt gestärkt und besser koordiniert werden können. Doch auch dieser Vorstoss blieb in der Kommission chancenlos. «Manche in der Kommission wollen lieber gar nichts machen», kommentiert Zryd. «Aber das wird das Problem auch nicht lösen.»
Im Sommer kommt es nun wohl zum Showdown im Nationalrat. Dann wird sich das Parlament mit der Sache beschäftigen.