Sicherheitskräfte kritisieren Untätigkeit bei Fan-Gewalt scharf
«Können nicht warten, bis es Tote gibt»

Für die Polizeiverbände ist klar: Die Behörden müssen endlich eingreifen. Sie befürchten, dass die Gewalt durch Fussball-Chaoten immer weiter eskaliert, wenn den Hooligans nicht rasch Einhalt geboten wird. Doch selbst bei Pyros inmitten von Familien bleibt man untätig.
Publiziert: 08.08.2023 um 21:16 Uhr
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Aktualisiert: 09.08.2023 um 06:54 Uhr
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Anhänger des FC Luzern zünden beim Spiel in St. Gallen Pyros.
Foto: freshfocus

Es ist ein Trauerspiel. Obwohl der FC St. Gallen am Sonntag gegen Luzern mit 2:1 gewinnt, freut man sich nicht über das Fussballspiel. Denn trotz Schliessung des Gästesektors waren Luzerner Chaoten auf eigene Faust in den Kybunpark gereist, um mitten in der grünweissen Fangemeinde, neben Eltern mit Kindern, Pyros zu zünden.

Schon auf der Anreise hatten die Chaoten in Zügen randaliert und Reisende belästigt, wie einer Mitteilung der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) zu entnehmen ist – und doch unternimmt sie nichts.

Polizist niedergestreckt

Am Dienstag machte zudem die Meldung die Runde, nach dem Sonntagsspiel Aarau gegen Neuchâtel Xamax hätten Vermummte einen Polizisten in Zivil per Faustschlag niedergestreckt. Umso unverständlicher ist für Polizeifunktionär Adrian Wüthrich (43) die Zurückhaltung der KKJPD.

Zwar diskutieren die Kantonsregierungen laufend Massnahmen wie Geisterspiele und stellen deren Umsetzung in Aussicht, doch das tun sie schon jahrzehntelang. Die Schwierigkeiten mit Fangewalt sind alt. Justiz- und Polizeidirektorinnen kommen und gehen, die Probleme mit den Chaoten bleiben.

Wüthrich, Präsident des Berner Polizeiverbands, hat wenig Verständnis. Sogar das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) von Bundesrätin Viola Amherd (61) zeigt sich mittlerweile frustriert. Und auch Johanna Bundi Ryser (60) zeigt sich ernüchtert: «Wir bewegen uns seit Jahren im Kreis», so die Präsidentin des Verbands Schweizerischer Polizei-Beamter.

«Es gibt keine rechtsfreien Räume»

«Es braucht Massnahmen, die weh tun und langfristig wirken, sonst sind diese Chaoten unbelehrbar und es herrscht bald wieder derselbe Zustand wie zuvor», betont Bundi Ryser. Wüthrich ergänzt, es sei unbegreiflich, «dass die KKJPD bei klaren Regelverstössen nicht die Gelbe Karte zückt». So seien Pyros verboten, aber man sehe sie in fast jedem Spiel. Aarauer Fans gingen auf einen Polizisten los: «Die Behörden können doch nicht aus Angst vor dem Unmut der Hooligans die Gefährdung von Fans und Polizeikräften hinnehmen.»

Er sieht sich in der Situation, ausgerechnet die Justiz- und Polizeidirektoren daran erinnern zu müssen: «Es gibt in der Schweiz keine rechtsfreien Räume!» Die Handlungen der Chaoten müssten geahndet werden. «Es braucht keine neuen Berichte, sondern die Kantonsbehörden müssen den Strafrahmen klar abstecken.» Jeder müsse wissen: Das sind die Regeln und wenn ich dagegen verstosse, blüht mir unweigerlich diese oder jene Strafe.

Man kenne die dafür allenfalls notwendigen Instrumente wie personalisierte Tickets. «Die KKJPD hat es selbst in der Hand. Bleibt sie weiter untätig, wird sich Bundesbern dem Thema wieder annehmen müssen», macht er klar.

KKJPD erklärt sich

KKJPD-Co-Präsidentin Karin Kayser-Frutschi (56) weist den Vorwurf zurück, untätig zu sein, räumt aber ein, dass man sich schon sehr lange mit dem Problem herumschlägt: «Die KKJPD arbeitet im Verbund mit allen zuständigen Partnern seit vielen Jahren daran, die Gewalt im Umfeld von Sportveranstaltungen einzudämmen.» Dies gelinge phasenweise besser, phasenweise schlechter.

Kayser-Frutschi sagt zudem, die Spielbewilligungsbehörden hätten mit der Swiss Football League ein Projekt gestartet, das bis Ende Jahr «ein Kaskadenmodell konkretisieren soll». Die letzte Massnahme sei die obligatorische Einführung personalisierter Tickets. Vor deren Einführung müssten aber rechtlich alle milderen Massnahmen ausgeschöpft sein und es brauche eine Rechtsgrundlage.

«Wir können nicht warten»

Bundi Ryser sieht die Fussballklubs und Stadionbetreiber auch in der Pflicht, von denen es grössere Anstrengungen brauche. Doch sie hat das Gefühl, die Klubs befürchteten, mit strengeren Massnahmen ihre Fans zu vergraulen. «Kurzfristig mag das stimmen», sagt sie. Doch es führe kein Weg daran vorbei: «Wir können nicht warten, bis es Tote gibt.»

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