Auf einen Blick
- Abstimmung über EU-Vertrag wohl erst 2028, Peter Bodenmann sieht Vorteil in Verzögerung
- USA laut Bodenmann gefährlicher für Schweiz als EU-Richter
- In den nächsten Jahren werde die Schweiz mit anderen Problemen zu kämpfen haben
Die Verhandlungen sind abgeschlossen. Doch bis die Schweiz und die EU ihre neuen Verträge unter Dach und Fach haben, dürften noch Jahre vergehen. Zuerst stehen schwierige Gespräche über innenpolitische Massnahmen an – hier drohen die Gewerkschaften mit Blockade.
Noch ist der Vertragstext geheim. Er wird erst im Sommer zur Vernehmlassung veröffentlicht, bevor er dann 2026 ins Parlament kommt. Das Volk soll 2028 darüber abstimmen – nach den Wahlen 2027. Bis dahin könnte das Abkommen längst zerredet sein, warnen selbst Befürworter. Der Schweiz droht ein jahrelanger Abstimmungskampf.
Doch nun hat sich einer zu Wort gemeldet, der darin einen Vorteil sieht: SP-Urgestein Peter Bodenmann (72). Der Ex-Präsident der Sozialdemokraten wurde bekannt als Gegenspieler von SVP-Übervater Christoph Blocher (84).
Bodenmann lobt den Entscheid, erst 2028 über den neuen EU-Vertrag abzustimmen, als taktisch klug. «Ein aus meiner Sicht genialer Schachzug der proeuropäischen Kräfte», schreibt er in seiner Kolumne im «Walliser Boten». «Vier Jahre lang können unsere rechtsnationalen und fremdenfeindlichen Märchenerzähler ihre Gespenstergeschichten nicht am Kochen halten.»
Trump sei für die Schweiz gefährlicher
Bis 2028 werde die Schweizer Bevölkerung die Notwendigkeit eines Abkommens erkannt haben, lautet Bodenmanns brisante Prognose. «Denn vier Jahre sind in diesen bewegten Zeiten politisch eine Ewigkeit.» Dannzumal würden die meisten dann froh sein, dass die Schweiz ein Abkommen mit der EU habe.
Bodenmann zählt auf, was bis 2028 droht. Angefangen bei den Handelsbarrieren in den USA: Nach vier Jahren Trump und vier Jahren mit hohen Zöllen werde die Schweizer Industrie «ihre Wunden lecken».
SVP-Politiker Oskar Freysinger (64), ebenfalls langjähriger Antipode Bodenmanns, warnt im «Walliser Boten» dagegen vor fremden Richtern. Künftig könnten unliebsame Schweizer Volksentscheide durch Richter sanktioniert oder gar aufgehoben werden. Bodenmann hingegen prophezeit: «In vier Jahren werden wir Schweizerinnen und Schweizer begriffen haben, dass unsere ungerechten fremden Richter nicht in Brüssel sitzen, sondern in Washington.»
Andere Länder machen mehr Sorgen
Weiter ist Bodenmann überzeugt, dass in vier Jahren Solar- und Windenergie die Atomkraft in Europa verdrängen werden, weil die erneuerbaren Energien immer günstiger werden. Die Schweiz brauche ein Stromabkommen, damit ihre Stauseen an Wert gewinnen. Der frühere Walliser Staatsrat und Nationalrat ist auch überzeugt, dass die Schweiz dank flankierenden Massnahmen alle Probleme mit der EU lösen kann. «Gemeinsam mit den Gewerkschaften, und nicht gegen sie.»
In der umstrittenen Zuwanderungsfrage schlägt er vor, den Kantonen mehr Gewicht zu geben. Wenn ein Kanton etwa «den Arbeitsmarkt mittels Kontingenten oder Kurtaxen regeln will, soll er dies tun», so Bodenmann. «Und der Bund soll die Kosten allfälliger Sanktionen, die verhältnismässig sein müssen, übernehmen.»
Bodenmann verweist auf die Staatschefs von Ungarn, Viktor Orban (61), und der Slowakei, Robert Fico (60), deren Länder sich als EU-Mitglieder mit Brüssel angelegt und Zugeständnisse erpresst hätten. Sie machten der EU mehr Sorgen, schreibt Bodenmann. «Verglichen mit den beiden bösen Buben Orban und Fico sind die Schweizer Volksrechte Brüssel so lang wie breit.» Deshalb sei man bereit, der Schweiz eine Nachspielzeit von vier Jahren zu gewähren.