So sieht die Charme-Offensive von Glencore aus
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«Sie tun es für Investoren»:So sieht die Charme-Offensive von Glencore aus

Rohstoff-Riese macht auf Wohltätigkeits-Organisation
«Glencore ist wie eine grosse Familie»

Eine gross angelegte Imagekampagne soll alle Welt davon überzeugen, dass der Konzern aus Zug zu den Guten gehört. Was steckt dahinter – und wie viel darf man glauben?
Publiziert: 20.02.2022 um 10:59 Uhr
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Ausschnitt aus einem PR-Video: Managerin Lydie Malaika (M.) schwärmt von den Arbeitsbedingungen bei Glencore.
Foto: Zvg
Thomas Schlittler

Lydie Malaika ist in der Demokratischen Republik Kongo aufgewachsen, einem der ärmsten Länder der Welt. Schon als kleines Mädchen wusste sie, dass sie wie ihr Vater Ingenieurin werden will. Viele hätten ihr aber gesagt: «Bist du verrückt? Das ist nichts für Frauen. Du solltest nicht mal davon träumen, Ingenieurin zu werden!»

Doch Malaika gab nicht auf, studierte Metallurgie und verwirklichte ihren Traum. Bei der Kamoto Copper Company (KCC), Betreiberin einer der weltweit grössten Kupfer- und Kobaltminen, hat sie sich bis zur Managerin hochgearbeitet.

Ihre Geschichte geht zu Herzen – und nicht ganz zufällig gehört Malaikas Dank Glencore, dem Mutterkonzern von KCC. «Bei Glencore hat man das Gefühl, dass man Teil einer grossen Familie ist», schwärmt Malaika in einem Video, das der Rohstoffriese vor wenigen Tagen auf Facebook gepostet hat.

Es ist nicht der einzige PR-Spot, der den umstrittenen Konzern aus Zug im besten Licht erscheinen lässt. In den vergangenen Monaten veröffentlichte das Unternehmen fast wöchentlich Beiträge dieser Art. Glencore setzt sich gegen Ungleichheit ein. Glencore bekämpft die Ursachen von Kinderarbeit. Glencore schafft neue Berufsperspektiven für Frauen in Peru. Glencore unterstützt den Nachwuchs des EV Zug. Und vor allem: Glencore treibt die nachhaltige Mobilität voran und hilft, den Klimawandel zu stoppen.

Durchsichtige Ablenkungsmanöver

So viel zur Schau gestellte Wohltätigkeit würde bei jedem Unternehmen misstrauisch machen. Beim Zuger Rohstoffriesen tut es das erst recht. Schliesslich haben dessen Umweltverschmutzungen und Menschenrechtsverletzungen dafür gesorgt, dass die Konzernverantwortungs-Initiative auch «Lex Glencore» genannt wurde. Erstaunlich ist die Charmeoffensive aber auch aus einem anderen Grund: Jahrelang beschränkte Glencore seine öffentliche Kommunikation auf ein Minimum. Nun der totale Wandel. Was sind die Gründe dafür?

Oliver Classen, Sprecher der Nichtregierungsorganisation Public Eye, vermutet vor allem monetäre Interessen: «Nachhaltigkeit ist bei Investoren und Banken zum zentralen Thema geworden. Ein Unternehmen, das als Umweltsünderin und Menschenrechtsverletzerin gilt, wird auf dem Finanzmarkt mit schlechteren Konditionen bestraft.» Glencore betone deshalb unermüdlich sein Engagement bei der Gewinnung von Kobalt, einem wichtigen Rohstoff für die Herstellung von Elektroauto-Batterien. Mit Schweigen übergehe das Unternehmen jedoch den Umstand, dass ein Grossteil des Gewinns nach wie vor aus dem Kohlegeschäft stamme, so Classen. «In die Gesamtübernahme der Kohlemine Cerrejón in Kolumbien hat Glencore erst vor wenigen Monaten Millionen investiert. Nachhaltiges Geschäftsgebaren sieht anders aus.»

Keine andere Wahl

Glencore lässt diese Kritik nicht auf sich sitzen. Die Komplettübernahme der kolumbianischen Kohlemine verteidigt Sprecherin Caterina Beffa so: «Die Alternative wäre gewesen, dass ein oder mehrere neue Joint-Venture-Partner die Anteile von Anglo American und BHP kaufen. Das hätte die nachhaltige Betriebsphilosophie von Cerrejón beeinträchtigt und die Förderung über die laufenden Bergbaukonzessionen hinaus verlängert.»

Auch ein Verkauf der eigenen Anteile hätte laut Glencore im Widerspruch zur «verantwortungsvollen Verkleinerung» des Kohleportfolios und einer effektiven Reduktion der Treibhausgasemissionen gestanden. «Die Emissionen wären dann lediglich an einen Dritten weitergegeben worden», so Beffa.

Uneinig sind sich Glencore und NGOs auch über den Status quo der Arbeitsbedingungen und die Einhaltung von Menschenrechten. So zweifelt Nina Burri, beim Hilfswerk Heks für das Dossier Unternehmen und Menschenrechte verantwortlich, an der Aussagekraft von Glencores Menschenrechtsberichten.

Massenhaft Tote in Minen und bei Lieferanten

2019 zum Beispiel sei es in der KCC-Mine im Kongo zu mehreren Unfällen mit schätzungsweise über 50 Toten gekommen. Im gleichen Jahr habe ein Glencore-Lieferant mit seinem Schwefelsäuretransporter einen Unfall mit mehr als 20 Toten und Schwerverletzten verursacht. «Im Menschenrechtsbericht wurden dennoch ‹null› ernsthafte Menschenrechtsvorfälle aufgeführt – für den gesamten globalen Konzern», so Burri.

Glencore bestreitet diese Ereignisse nicht, wehrt sich aber gegen den Vorwurf der Vertuschung. «Wir sind uns der Tragik dieser Vorfälle bewusst und haben in unserer öffentlichen Berichterstattung über beide Vorfälle berichtet», betont Sprecherin Beffa. Nach eingehender interner Prüfung habe man aber beschlossen, diese Vorfälle nicht als «schwerwiegenden Menschenrechtsvorfall» zu klassifizieren und zu melden. Begründung: «Der eine Vorfall involvierte einen dritten Sublieferanten, und der andere war auf ein illegales Eindringen von Kleinbergbauarbeitern in unseren KCC-Betrieb zurückzuführen.»

Fortschritte in der Kommunikation und bei der Korruptionsbekämpfung

NGO-Vertreter können mit dieser Unterscheidung wenig anfangen. Immerhin: Nina Burri vom Heks attestiert Glencore, dass es in den letzten zehn Jahren gewisse Verbesserungen gegeben habe. «Glencore und seine Tochterfirmen haben in einigen Ländern in die Infrastruktur und in soziale Projekte investiert. Zudem kommunizieren sie aktiver und reagieren zeitnah auf unsere Anfragen.»

Bewegung gibt es auch in der Korruptionsbekämpfung. «Der neue CEO Gary Nagle scheint korrupte Geschäftspraktiken tatsächlich bekämpfen zu wollen», sagt Oliver Classen von Public Eye. Allerdings lasse sich eine Firmenkultur, die über Jahrzehnte gepflegt wurde, nicht von heute auf morgen auslöschen. Dass Glencore noch viel Arbeit vor sich hat, um ein komplett sauberes Unternehmen zu werden, wurde diese Woche wieder klar: Bei der Präsentation der Jahreszahlen musste CEO Nagle bekannt geben, dass der Konzern 1,5 Milliarden Dollar auf die Seite legen müsse, um alte Korruptionsfälle zu erledigen.

Kurzfristiges Umdenken wegen Bussen

Classen geht davon aus, dass die drohenden Strafzahlungen in den USA die interne Korruptionsbekämpfung bei Glencore kurzfristig stärken werden. Bedenklich aber findet er in diesem Zusammenhang, dass es immer Druck aus dem Ausland braucht, bis Schweizer Grosskonzerne ihre Geschäftspraktiken überdenken. «Das hat sich früher bei der Geldwäscherei und der Steuerhinterziehung gezeigt und zeigt sich nun bezüglich Korruption in der Rohstoffbranche.»

In der Schweiz werde für solche Vergehen im schlimmsten Fall eine Busse von fünf Millionen Franken fällig. «Das bezahlen Konzerne wie Glencore aus der Portokasse», so Classen. Das ist keine Übertreibung: 2021 machte Glencore einen Gewinn von fünf Milliarden Dollar.

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