Glencore-Boss Ivan Glasenberg (63) kontert Vorwürfe der NGOs
«Das sind Lügen!»

Ivan Glasenberg geht eine Woche vor der Abstimmung über die Konzernverantwortungsinitiative in die Offensive. Er sieht seinen Konzern als Opfer von Schmutzkampagen.
Publiziert: 22.11.2020 um 09:54 Uhr
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Aktualisiert: 02.02.2021 um 11:16 Uhr
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Eine Woche vor der Abstimmung über die Konzernverantwortungsinitiative geht Glencore-Boss Ivan Glasenberg in die Offensive. Im Interview mit SonntagsBlick attackiert er NGOs und Medien: "Uns anzuprangern, ist das Businessmodell einiger NGOs." Die Anschuldigungen könnten sie oftmals aber nicht belegen, weil sie schlicht nicht stimmten.
Foto: STEFAN BOHRER
Interview: Christian Dorer und Thomas Schlittler

Kommenden Sonntag ist es ­so weit: Die Schweiz stimmt über die Konzernverantwortungs-Initiative ab. Inoffiziell trägt die ­Initiative den Namen «Lex Glen­core». Dem Rohstoff-Giganten mit Sitz in Baar ZG wurden in den vergan­genen Jahren immer wieder Umweltverschmutzungen und Menschenrechtsverletzungen in Dritt­welt­ländern zur Last gelegt. Lange hat der Konzern geschwiegen. Jetzt stellt sich CEO Ivan ­Glasenberg (63) den Fragen von SonntagsBlick.

Herr Glasenberg, die Liste mit Vorwürfen gegen Glencore ist lang. Erstes Beispiel: 2008 wird Glencore beschuldigt, in Kohlebergwerken in Kolumbien skrupellos gegen Gewerkschafter vorzugehen. Ein Paramilitär, der Gewerkschafter tötete, ­behauptete gar, von Glencore finanzielle Unterstützung erhalten zu haben.
Ivan Glasenberg: Diese Behauptung ist falsch. In Kolumbien kam es zwar immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Paramilitärs und Rebellen. Wir haben aber nie mit Paramilitärs zusammen­gearbeitet oder Paramilitärs bezahlt. Der erwähnte Mann stellte diese haltlosen Behauptungen auf, als er im Gefängnis war. Wieso er das tat, wissen wir nicht. Seine Aussagen konnten nie belegt werden. So viel wir wissen, wurde später ­jedoch festgestellt, dass eine der Anwaltskanzleien, die für die NGOs arbeiteten, die Familie dieses ­Mannes unterstützte.

Ein anderer Fall: 2014 starb in Kongo-Kinshasa ein junger Mann, der vom Sicherheitsdienst von Glencore aufgegriffen worden war. NGOs sagen, dass es danach keinen fairen Prozess gegeben habe, um das Ganze zu untersuchen.
Sie sprechen von Mutombo Kasuyi. Er hatte unsere Konzession un­befugt betreten und wurde von der kongolesischen Minenpolizei aufgegriffen. Leider verstarb er nach deren Einsatz. Was genau geschehen ist, wissen wir nicht. Klar ist aber: Die Minenpolizei ist eine staatliche Behörde und wird in ­keiner Weise von Glencore kon­trolliert.

Ein aktueller Fall aus Peru: Eine von Glencore kontrollierte Zinkmine in Cerro de Pasco soll Luft und Wasser mit Schwer­metallen vergiften.
In Cerro de Pasco gibt es tatsächlich Probleme. Das ist aber nicht neu und schon gar nicht unsere Schuld. Die Mine gibt es seit 100 Jahren und sie hat vielen verschiedenen Betreibern gehört. Glencore ist erst seit 2017 indirekt daran beteiligt, als wir eine Mehrheitsbeteiligung am peruanischen Bergbauunternehmen Volcan übernommen haben. Seither sorgen wir dafür, dass sich Volcan um die Sanierung der Altlasten kümmert.

Von Peru nach Bolivien: Dort werden gemäss NGO-Aussagen in der Mine Porco unter «unmenschlichen Bedingungen» Zink, Blei und Silber abgebaut. Die Umwelt werde zerstört, es komme immer wieder zu töd­lichen Unfällen – und es gebe Kinderarbeit.
Die NGOs vermischen unsere Mine absichtlich mit jenen der lokalen Bergbau-Kooperativen, die der staatlichen Minengesellschaft gehören. Diese Bergbau-Koopera­tiven stehen aber nicht unter unsere Kontrolle. Unsere Porco-Mine verschmutzt keine Gewässer. Und ich kann Ihnen mit hundertprozentiger Sicherheit sagen: Wir beschäftigen keine Kinder. Das sind Lügen! In unseren Minen in Bolivien gilt das gleiche Programm zur Arbeitssicherheit wie in unseren Minen in Australien, Kanada, Südafrika oder den USA.

Aus der Ferne ist es unmöglich, die einzelnen Fälle zu beurteilen. Ihr Wort steht gegen jenes der NGOs. Eine Frage drängt sich aber auf: Wieso steht immer wieder Glencore am Pranger?
Uns anzuprangern, ist das Businessmodell einiger NGOs. Die Anschuldigungen können sie oftmals aber nicht belegen, weil sie schlicht nicht stimmen. Das beste Beispiel dafür ist der Vorwurf der Kinder­arbeit in Glencore-Minen. Diese gibt es schlicht nicht. Es macht auch überhaupt keinen Sinn: Wieso sollten wir Kinder beschäftigen? Um ein paar Dollar einzusparen? Das wäre einfach nur dumm. Wir sind ein 40-Milliarden-Dollar-Konzern. Unser grösster Kostenblock sind die Maschinen. Die Laster, die wir einsetzen, kosten mehrere Millionen Dollar pro Fahrzeug. Die Lohnkosten sind im Vergleich dazu vernachlässigbar – in der Industriesparte machen sie etwa zehn Prozent unseres Aufwands aus.

Es geht nicht nur um Kinderarbeit. Im August dieses Jahres wurde Glencore in Sambia vom höchsten Gericht verurteilt, weil es in einem Kupferschmelzwerk tödliche Schwefeldioxid-Abgase ausgestossen hatte. Was sagen Sie dazu?
Dieser Fall hat eine lange Vor­geschichte: Die Mine gibt es seit 1937. Viele Jahre stand sie unter Kontrolle der Regierung. Als der Regierung das Geld ausging, wollte sie die Mine loswerden. Wir kauften sie vor rund 20 Jahren in ­einer Auktion. Die dazugehörige Schmelze war stark veraltet. Das Schwefel­dioxid von der Schmelze belastete die Umgebung – seit Jahrzehnten. Wir haben die Regierung deshalb darüber informiert, dass wir die Mine so nicht betreiben können. Doch weil 10 000 Jobs ­davon abhängen, verbot uns die ­Regierung die Schliessung. Also konnten wir die Mine nur langsam reparieren, während der Betrieb weiterlief. In dieser Zeit und auch später kam es leider immer wieder zu erhöhten Schwefeldioxid-Emissionen. Mittlerweile hat sich die Situation aber verbessert, und wir haben die Emissionen massiv reduziert. Wir haben über vier Milliarden Dollar in den Betrieb investiert.

Nochmals: Wieso kommen solche Dinge bei Glencore immer und immer wieder zum Vorschein?
Wir beschäftigen weltweit 160 000 Menschen, haben 150 Standorte und sind in Entwicklungsländern tätig. Und wir sind ein Bergbau­unternehmen. Das macht uns zu ­einer attraktiven Zielscheibe für NGOs. Wir stehen unter ständiger Beobachtung. Das ist auch in Ordnung so, damit habe ich kein Problem. NGOs können jederzeit zu uns kommen und uns sagen, wenn etwas nicht stimmt. Dann werden wir die Fehler so schnell wie möglich korrigieren. Mit den meisten lo­kalen NGOs machen wir gute Erfahrungen: Diese sind vor Ort, sie kennen die Situation und kommen mit Vorschlägen zu uns. Diese setzen wir wo immer möglich um. Wir haben genug Mittel, um gute Arbeitsbedingungen zu ermöglichen.

Wo ist dann Ihr Problem mit NGOs?
Ich habe ein Problem mit denjenigen NGOs, die die Situation vor Ort nicht verstehen, sondern uns aus ihren Schweizer Büros heraus kritisieren. Ich habe viele mehrmals zum Gespräch mit mir eingeladen und angeboten, gemeinsam unsere Minen zu besuchen – aber die meisten von ihnen wollen gar keinen ­Dialog. Stattdessen suchen sie nach Missständen. Und wenn sie nichts finden oder die Fakten nicht mögen, übertreiben sie oder erfinden einfach etwas. Zum Beispiel ­Kinderarbeit.

Die Vorwürfe stammen nicht nur von NGOs. Auch renommierte Medienunternehmen wie ARD, BBC und SRF haben schon ­Vergehen von Glencore dokumentiert. Alles Fake News?
Die Medien beziehen ihre Informationen meist auch von NGOs. Sie springen auf den Zug auf. Beweisen können sie die Vorwürfe meist ebenfalls nicht. Natürlich passieren Fehler und eine genaue Beobachtung ist wichtig. Aber oft werden die Sachverhalte bewusst so dar­gestellt, dass sie Aufsehen erregen.

Jahrelang hat Glencore auf Vorwürfe kaum reagiert. Eine Woche vor der Abstimmung über die Konzernverantwortungs-Initiative (Kovi) werden Sie plötzlich aktiv. Sie haben in diversen Medien ­Inserate geschaltet, in denen Sie sich gegen die Vorwürfe zu Ihrer Mine in Bolivien wehren. Wieso?
Wir haben uns in der Öffentlichkeit engagiert, aber nicht genug. Mit dem Vorwurf der Kinderarbeit ­haben die NGOs eine rote Linie überschritten. Das können wir nicht auf uns sitzen lassen.

Sie sagen, dass Sie Ihrer Sorgfaltspflicht überall auf der Welt nachkommen. Warum kämpfen Sie dann gegen Kovi?
In diesem Moment geht es mir nicht um Kovi.

Sie starten eine Woche vor der Abstimmung eine Image­kampagne …
Das hat nur indirekt mit Kovi zu tun. Wir wollen damit klarstellen, dass die Informationen auf den Flugblättern der Initianten nicht den Tatsachen entsprechen. Es geht mir um unsere 900 Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter in der Schweiz – und darum, den Ruf unseres Unternehmens zu schützen. An unserer Arbeitsweise würde sich mit Kovi nicht viel ändern. Bei uns gelten schon heute überall auf der Welt die gleichen strengen Standards. Ein Problem wäre höchstens, dass die Beweislast bei uns liegt und wir deshalb die ganze Zeit vor Gericht gezogen würden. Das ist zeitaufwendig und wir müssten viele zusätzliche Anwälte beschäftigen.

Wieso sollten Sie die ganze Zeit vor Gericht gezerrt werden? Ein Prozess ist für alle Beteiligten teuer – und auch für NGOs stünde viel auf dem Spiel, wenn sie verlieren.
Es wird Gerichtsfälle geben. Glencore wird das aber nur bedingt ­beeinträchtigen. Wir können uns vor Gericht verteidigen und die Kosten tragen. Herausforderungen hätten eher die vielen kleinen und mittelgrossen Unternehmen in der Schweiz.

Was kümmern Sie die kleinen Schweizer Unternehmen?
Als Schweizer Bürger bin ich der Meinung, dass die Initiative nicht gut ist für unser Land und auch nicht für die Entwicklungsländer. Schweizer Unternehmen werden weniger in Entwicklungsländer ­investieren, weil sie Angst haben, etwas Falsches zu tun.

Wenn Glencore im Recht ist, dann ist die Initiative eine Chance für Sie: Was gibt es ­Besseres als den offiziellen Segen eines Schweizer Gerichts?
Ich bin gerne bereit, mit NGOs ­zusammenzuarbeiten. Wir sind ­offen, alles zu diskutieren und ­Probleme anzuerkennen, wo es welche gibt. Dazu brauche ich kein Gericht.

Sie sagen, die Personalkosten seien für Glencore vernachlässigbar. Wieso bezahlen Sie Minen-arbeiter dann nicht besser?
Wir entschädigen unsere Leute bereits heute sehr gut und zahlen Löhne, die über dem landes­üblichen Durchschnitt sind.

Wie viel verdient ein Minen­arbeiter in Bolivien pro Tag?
Die genaue Zahl kenne ich nicht auswendig. Was ich aber weiss: Unsere Mitarbeitenden in Bolivien verdienen durchschnittlich doppelt so viel wie andere, die in Bolivien im Bergbau tätig sind.

Sind die Minenarbeiter auch im Vergleich zu Ihnen gut bezahlt?
Ich verdiene im Vergleich zu an­deren CEOs wenig und beziehe ­keinen Bonus.

Dafür erhalten Sie umso mehr Dividenden. Sie sind Milliardär.
Ich bin Miteigentümer. Auch Sie können Aktien von Glencore kaufen und erhalten dafür eine Dividende.

Wie hoch ist Ihr Gehalt?
Ich verdiene etwa 1,5 Millionen Franken. Damit bin ich vermutlich einer der am schlechtesten bezahlten CEOs einer börsenkotierten ­Firma der Schweiz.

Das tut uns leid für Sie ...
Ich muss Ihnen nicht leidtun (lacht).

Sie sagen, dass Glencore im Ausland positiver wahrgenommen wird als in der Schweiz. Wie erklären Sie sich das?
In Australien, Südafrika, der Demokratischen Republik Kongo, Peru oder Chile sehen die Leute, was Glencore alles macht: Wir ­bauen Krankenhäuser, Schulen und ­öffentliche Infrastruktur. Wir in­vestieren Milliarden in die Minen, bieten vielen Menschen eine Arbeit, zahlen gute Löhne und ­viele Steuern ...

… und Sie schütten Milliarden an Dividenden aus.
Ja, im Laufe der Zeit. Aber zuerst muss eine Mine erschlossen sein und viel Geld investiert werden. Erst nach etwa zehn Jahren kann man beginnen, die Früchte der Investition zu ernten und den Aktionären Dividenden auszuzahlen. Unter den Aktionären sind auch Pensionskassen, weil auch Rentner ihr Geld brauchen.

Neun Prozent der Aktien ge­hören Katar, neun Prozent Ihnen. Das sind die zwei grössten Aktionäre ...
Und viele sind Pensionskassen. Katar ist auch der grösste Aktionär der Credit Suisse. Was ist falsch daran? Katar investiert für die Menschen im Land.

Sie sind seit 36 Jahren für Glencore tätig, haben aber angekündigt, Ihr Amt als CEO in abseh­barer Zukunft abgeben zu wollen. Wenn Sie zurückschauen: Was würden Sie anders machen?
Im Grossen und Ganzen haben wir einen grossartigen Job gemacht: Wir haben Glencore von einem kleinen, reinen Handelsbetrieb zu einem der grössten Bergbauunternehmen der Welt entwickelt. Natürlich gibt es Investitionen, die ich nicht mehr tätigen würde, weil sie nicht gut ausgefallen sind. Etwas ärgert mich aber besonders: dass die Schweiz nicht stolz ist auf Glencore als Bergbauunternehmen. In Australien sind die Menschen stolz auf BHP, in Grossbritannien auf Rio Tinto, in Brasilien auf Vale. Die Menschen wissen, dass diese Unternehmen Rohstoffe fördern, die wir im täglichen Leben verwenden – im Handy, im Elektroauto, in der Neonröhre. In der Schweiz ist dieses Bewusstsein leider kaum vorhanden. Wohl auch, weil Glencore zu wenig darüber gesprochen hat. Das wollen wir ändern.

Persönlich

Ivan Glasenberg (63) ist seit 1984 für Glencore tätig und lebt seit 30 Jahren in der Schweiz. Seit 2011 besitzt er auch die Schweizer Staats­bürgerschaft. Der gebür­tige Südafrikaner bevorzugt es aber nach wie vor, sich auf Englisch zu unterhalten. Auf der «Forbes»-Liste 2018 wird Glasenbergs Vermögen auf rund sieben Milliarden US-Dollar geschätzt. Der Glencore-CEO wohnt in Rüschlikon im Kanton Zürich, ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder.

Ivan Glasenberg (63) ist seit 1984 für Glencore tätig und lebt seit 30 Jahren in der Schweiz. Seit 2011 besitzt er auch die Schweizer Staats­bürgerschaft. Der gebür­tige Südafrikaner bevorzugt es aber nach wie vor, sich auf Englisch zu unterhalten. Auf der «Forbes»-Liste 2018 wird Glasenbergs Vermögen auf rund sieben Milliarden US-Dollar geschätzt. Der Glencore-CEO wohnt in Rüschlikon im Kanton Zürich, ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder.

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