Wir treffen Staatssekretärin Pascale Baeriswyl (51) in ihrem Büro im Bundeshaus-West in Bern. Sie befindet sich in den Vorbereitungen für die Uno-Generalversammlung in New York. Baeriswyl ist ab kommendem Frühling als Leiterin der Schweizer Mission bei den Vereinten Nationen tätig. Die Staatssekretärin erklärt, was in den USA auf sie zukommt, und gewährt BLICK einen Einblick in ihre derzeitige Arbeit.
BLICK: Frau Baeriswyl, derzeit läuft die Uno-Generalversammlung, ab Montag sind Staatschefs und Präsidenten dort. Wen werden Sie treffen?
PascaleBaeriswyl: Die meisten Staatschefs und Aussenminister sind da. An einige Begegnungen begleite ich den Bundespräsidenten. Selbst präsidiere ich ein Treffen zum Internationalen Strafgerichtshof, an dem rund zwanzig Minister teilnehmen. Ausserdem vertrete ich die Schweiz an einigen Treffen mit Uno-Generalsekretär Guterres, so zur Kinderrechtskonvention und zur nuklearen Sicherheit. Auch an ein Abendessen von US-Aussenminister Pompeo werde ich gehen. Bilateral treffe ich Kolleginnen und Kollegen der europäischen Staaten sowie aus dem Iran und von den Golfstaaten. Wir versuchen, aufgrund unserer Rolle Beiträge zu leisten, um eine weitere Eskalation zu verhindern.
Der Bundesrat möchte ja einen Sitz im Uno-Sicherheitsrat. Es häufen sich aber kritische Stimmen aus dem Parlament.
Es ist das Recht des Parlaments, kritische Fragen zu stellen. Aber eine Häufung nehme ich nicht wahr. Der Bundesrat hat die Kandidatur seit 2011 sorgfältig vorbereitet. Das Parlament konnte sich immer wieder dazu äussern. Es ist ein Verfassungsziel, dass wir uns für Frieden und Sicherheit einsetzen – und der Sicherheitsrat ist ja das Organ dafür. Er trifft viele Entscheidungen, die Menschen in Not auf der ganzen Welt helfen, zum Beispiel für humanitäre Hilfe.
Der Sicherheitsrat funktioniert auch ohne uns. Warum soll sich die Schweiz nun dort einbringen?
Weil wir sozusagen an der Reihe sind. Von Staaten wie der Schweiz wird erwartet, dass sie sich etwa alle 20 Jahre in einem solchen Gremium engagieren. Es würde nicht verstanden werden, wenn die Schweiz diese Verantwortung nicht übernähme. Insbesondere mit Blick auf unser internationales Genf wäre es nicht gut. Hinzu kommt: Alles, was der Sicherheitsrat beschliesst, bindet auch uns. Wir haben also ein Interesse daran, das mitzugestalten, was nachher für uns gilt.
Wie stehen unsere Chancen auf einen Sicherheitsrats-Sitz?
Ich denke, es sieht gut aus. Unsere Wahl ist bis jetzt zumindest nicht bestritten. Das auch, weil die Schweiz ein geachtetes Uno-Mitglied ist. Als neutrales Land, das keine eigenen Machtinteressen verfolgt, gelingt es uns, Brücken zwischen verschiedenen Blöcken zu schlagen.
Ist der Uno-Sicherheitsrat der Grund, weshalb Sie nach New York wechseln?
Meine Motivation ist die gesamte Fülle der Aufgaben, die die Schweiz in der Uno abdecken kann. So sind wir beispielsweise die nächsten beiden Jahre Mitglied des Wirtschafts- und Sozialrats und übernehmen im Sommer 2020 die Vizepräsidentschaft. Da werde ich viel zum Thema Nachhaltigkeit arbeiten.
Gerüchten zufolge sind Sie nicht freiwillig in die USA gegangen, sondern dorthin abgeschoben worden.
Also wenn ich nach New York abgeschoben werden sollte, fände ich das eine schöne Strafe. Aber Spass beiseite: Wenn ich im Mai nach New York gehe, kann ich auf sieben interessante Jahre in der Schweiz zurückblicken. Ich wurde ja relativ jung Staatssekretärin. Deshalb war immer klar, dass es ein Leben danach geben wird. Und der Posten in New York hat mich gereizt.
Aber Hand aufs Herz: Haben Sie genug vom Job in Bern, nachdem man Ihnen das EU-Dossier entzogen hat?
Als ich Staatssekretärin wurde, hatte ich das EU-Dossier gar nicht. Es war bei Staatssekretär Jacques de Watteville. Erst als er in Rente ging, übernahm ich es. Und bedenken Sie: Nach Jakob Kellenberger hat kein Staatssekretär und Chef der politischen Direktion mehr selbst die Verhandlungen mit der EU geführt. Das geht heute kaum mehr. Mittlerweile sind die Aufgaben der Staatssekretärin schlicht zu umfangreich.
In der Zusammenarbeit mit der EU hapert es zurzeit. Sehen Sie überhaupt noch Chancen fürs Rahmenabkommen?
Weil das nicht mehr mein Dossier ist, sage ich nur so viel: Wir brauchen eine Lösung – und zwar lieber früher als später. Unser Land liegt nun mal im Herzen Europas.
Die 51-jährige politische Staatssekretärin Pascale Baeriswyl verlässt ihren Posten per Ende Jahr. Ab kommendem Frühling wird die verheiratete Mutter von zwei Kindern Leiterin der Schweizer Mission bei der Uno in New York. Das SP-Mitglied Baeriswyl war als Staatssekretärin auf Yves Rossier gefolgt, der zum Botschafter in der Russischen Föderation ernannt worden war. Sie spricht sechs Sprachen.
Die 51-jährige politische Staatssekretärin Pascale Baeriswyl verlässt ihren Posten per Ende Jahr. Ab kommendem Frühling wird die verheiratete Mutter von zwei Kindern Leiterin der Schweizer Mission bei der Uno in New York. Das SP-Mitglied Baeriswyl war als Staatssekretärin auf Yves Rossier gefolgt, der zum Botschafter in der Russischen Föderation ernannt worden war. Sie spricht sechs Sprachen.
Bis Ende Jahr sind Sie noch Staatssekretärin in Bern. Ihnen untersteht auch das Krisenmanagementzentrum. Befassen Sie sich mit Dschihad-Reisenden?
Mehrere Stellen des Bundes befassen sich mit dieser Thematik. So auch wir, insbesondere über den Konsularschutz. Der Bundesrat hat im März festgelegt, dass im Umgang mit terroristisch motivierten Reisenden das oberste Ziel die Sicherheit der Schweiz und ihrer Bevölkerung ist. Die Schweiz führt grundsätzlich terroristisch motivierte Reisende nicht aktiv zurück. Sie verhindert gleichzeitig eine unkontrollierte Einreise.
Und Kinder?
Da ist das Kindswohl der zentrale Punkt. Es ist denkbar, dass die Schweiz Minderjährige zurückholt. Aber es sind vorgängig schwierige Rechts- und Sicherheitsfragen zu klären. Das sind Fragen, die wir auch mit Nachbarländern wie Frankreich und Deutschland, die sehr viel höhere Zahlen haben, diskutieren.
Um wie viele Kinder mit Schweizer Pass, die derzeit in Syrien sind, geht es?
Es sind eine Handvoll Kinder, die in kurdischen Lagern leben. In einem Land, in dem wir derzeit keine Botschaft haben – und in dem es nach wie vor bewaffnete Konflikte gibt.
Jetzt verlangen Elternvertreter in der Romandie, dass ihre Kinder aus Syrien zurückgeholt werden. Wie ist hier der Stand?
Zu konkreten Fällen kann ich mich nicht äussern.
Wissen Sie, wie es den Schweizer Kindern geht?
Nach unseren Informationen geht es den Kindern den Umständen entsprechend gut. Die Situation kann sich in der ganzen Region aber rasch ändern, und im Lager können die Kinder auch nicht zur Schule gehen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Das EDA machte mehrere Negativschlagzeilen: Der Skandal um die Glencore-Mine in Sambia, die Tabak-Sponsoring-Affäre – und weil man der Fifa zur kontingentfreien Rekrutierung von Personal verhelfen wollte.
Die Fifa kam auf das EDA zu, um abzuklären, ob sie einen bestimmten Status geltend machen kann. Wir konnten ihr dabei aber nicht helfen. Apropos Fifa: Der BLICK hat mir unterstellt, mich mit der Fifa-Generalsekretärin getroffen zu haben, damit der Weltfussballverband für uns Stimmen für den Sicherheitsrat besorge.
Wir haben berichtet, dass der Sicherheitsrat beim Treffen kein Thema war. Es scheint aber, als fehle dem EDA eine gewisse Sensibilität.
Der Sicherheitsrat war bei dem Treffen tatsächlich kein Thema. Und zur Sensibilität: Die Schweizer Aussenpolitik geniesst international eine hohe Wertschätzung. Wir werden häufig um Unterstützung gebeten. Wie sehr unsere Arbeit geschätzt wird, zeigt auch die Tatsache, dass wir unsere Schutzmachtmandate verdoppeln konnten.
Aber im Inland hat der Ruf des EDA gelitten.
Vergessen Sie nicht: Wir haben fünf Verfassungsziele. Und diese sind alle gleichwertig. Dabei kann es in seltenen Fällen zu Interessenkonflikten kommen. Dann muss die politische Ebene entscheiden, ob man in einem speziellen Fall eher Menschenrechte oder Wirtschaftsaspekte höher werten will. So, wie der Bundesrat entscheidet, setzen wir das um.
Aber Sie verstehen schon, dass man bei Tabakkonzernen, Rohstoffhändlern und Fussballverbänden kritisch hinschaut?
Es ist die Aufgabe der Medien, unsere Arbeit kritisch zu hinterfragen, natürlich. Und das hilft auch, uns zu verbessern. Auf der anderen Seite erwarte ich von den Medien, dass sie sich bei der Wahrheitssuche ins Zeug legen. In anderen Ländern kommen Journalistinnen und Journalisten ums Leben. Deshalb setzt sich die Schweiz in der Uno für Pressefreiheit und den Schutz der Medienschaffenden ein. In der Schweiz, wo diese es bei der Ausübung ihrer Arbeit etwas einfacher haben, vertraue ich deshalb darauf, dass sie die Wahrheitssuche sehr ernst nehmen.