Auf einen Blick
- Studie prüft mögliche Abgaben für Velofahrer zur Finanzierung der Infrastruktur
- SP-Nationalrat Aebischer kritisiert die Studie als kontraproduktiv für Veloförderung
- Bis 2050 soll sich der Anteil des Veloverkehrs in der Schweiz verdoppeln
Die Schweiz tritt kräftig in die Pedale: Immer mehr Menschen steigen aufs Velo, bis 2050 soll sich der Anteil des Fahrradverkehrs verdoppeln. Das neue Veloweg-Gesetz verlangt ein flächendeckendes Netz. Doch wer zahlt die Rechnung?
Der Ausbau kostet – und zwar zünftig. Genaue Zahlen gibt es keine. Beim Bund spricht man aber von einem «hohen Investitionsbedarf».
Nach dem Nein zum Autobahn-Ausbau am Sonntag rückt auch eine Frage in den Fokus, die lange als Tabu galt: Werden Velofahrer stärker zur Kasse gebeten? Bisher zahlen sie keinen direkten Beitrag für den Ausbau der Velowege.
Die Velofahrer und ihr Portemonnaie
Klar ist: Die Frage nach der Finanzierung spitzt sich zu. Die Strassenbau-Töpfe der Kantone und Gemeinden geraten zunehmend unter Druck. Die Velowege werden hauptsächlich daraus finanziert, unterstützt durch Bundesgelder.
Klar ist ebenso: Trotz des Autobahn-Neins können die dafür vorgesehenen Gelder nicht einfach für anderes ausgegeben werden. Sie sind zweckgebunden.
In Bern will man so oder so gerüstet sein. Blick weiss: Das Bundesamt für Strassen (Astra) im Departement von Verkehrsminister Albert Rösti (57, SVP) finanziert eine brisante Studie. Sie soll neue Geldquellen aufzeigen. Gesucht werden Modelle «für eine verursachergerechtere Finanzierung von Veloinfrastrukturen». Im Klartext: Es geht um mögliche Abgaben für Velofahrer!
Die Studie wird von einem Beratungsbüro durchgeführt. Ziel ist es, geeignete Finanzierungsinstrumente aufzuspüren. Konkret wird geprüft, in welcher Form eine Velo-Abgabe überhaupt machbar wäre.
Ist eine jährliche Steuer denkbar? Wieder eine Vignette? Oder ein Zuschlag beim Velokauf? Das Astra will sich dazu nicht näher äussern. «Das Projekt wurde erst kürzlich gestartet», sagt ein Sprecher.
Das Amt scheint sich der Brisanz der Sache bewusst zu sein. Es betont: Die Studie sei ergebnisoffen und stelle «keine Absichtserklärung oder Wünsche» des Bundes dar. Die Strassenforschung sei unabhängig, das Thema zuerst von dritter Seite aufgebracht worden. Gestartet wurde die Studie bereits im Herbst.
SP-Aebischer ist entsetzt
Laut Gesetz soll das Velo stark gefördert werden. Es brauche attraktive Velowegnetze für Alltag und Freizeit, betont das Astra. Die Infrastruktur koste Geld und teilweise auch Land. Deshalb sei Grundlagenforschung wichtig, auch für die Kantone und Gemeinden.
Während Autofahrer heute über Mineralölsteuer, Vignette und Motorfahrzeugsteuer Milliarden für die Strassen zahlen, rollen Velos quasi gratis über die Wege. Nur über die allgemeinen Steuern berappen auch Velofahrer indirekt die Infrastruktur.
Für Matthias Aebischer (57), Berner SP-Nationalrat und Pro-Velo-Präsident, steht die Studie dennoch völlig quer in der Landschaft: «Spätestens jetzt, nach dem Nein zum Autobahn-Ausbau, sollte das Forschungsprojekt eingestampft werden.»
Aus ökologischen und gesundheitlichen Gründen sei es wünschenswert, dass mehr Leute aufs Velo umsteigen – dies entlaste zudem die Strassen. «Eine solche Studie führt dazu, dass Autofahrer gegen Velofahrer ausgespielt werden.»
Die Gelder der Strassenforschung könnten besser ausgegeben werden. Aebischers Idee: «Man könnte zum Beispiel in einer Studie aufzeigen, wie der Autobahn-Topf NAF für den klimaschonenden Verkehr eingesetzt werden könnte.»
SVP-Giezendanner will Velo-Abgabe
In den Kantonen wird eine Velo-Abgabe immer mehr zum Thema. In Luzern hat das Parlament eine solche kürzlich knapp abgelehnt. In Baselland scheiterte die Idee letzten Winter. Und in Zürich steht ein Entscheid noch aus.
Auf Bundesebene forderte SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner (42) – zusammen mit über 40 Mitstreitern – bereits vor zwei Jahren: Velofahrer sollen «die Infrastrukturkosten für den Veloverkehr» möglichst selber tragen. Der Bundesrat war gegen den Vorstoss. Der administrative Aufwand für eine Abgabe sei zu gross, hiess es.
Giezendanner zog den Vorstoss zurück – vorerst. Damals hätten schlicht die Grundlagen gefehlt, wie eine Velo-Abgabe ausgestaltet werden könnte. Deshalb wollte er lieber zuwarten. Heute erklärt der Aargauer: «Es ist an der Zeit, wieder darüber zu reden.» Er wolle die Idee neu lancieren, und die Studie könne dazu Ansätze liefern.
«Die Velofahrer haben mit dem Veloweg-Gesetz mehr Rechte bekommen», sagt der Transportunternehmer, der selbst gerne aufs Zweirad steigt. «Es ist konsequent, wenn sie auch finanzielle Pflichten übernehmen.»