Auf einen Blick
- In der Schweiz soll der Neubau von Kernkraftwerken wieder möglich werden
- Nuklearforscherin Annalisa Manera spricht über den Bau von AKWs
- Was in der Schweiz geändert werden müsste
Sollte man die Kernenergie zu den erneuerbaren Energien zählen?
Annalisa Manera: Zunächst einmal sollten wir definieren, was erneuerbar ist. Eine erneuerbare Energiequelle ist etwas, das sich bei der Nutzung nicht erschöpft. Im Falle der Kernenergie gibt es immer das Argument, dass sie nicht erneuerbar ist, weil man für die Kernenergie Uran als Brennstoff verwendet. Da die bei einer Spaltungsreaktion erzeugte Energie mehr als eine Million Mal grösser ist als bei einer chemischen Reaktion (also was passiert, wenn man Kohle oder Gas verbrennt), benötigt man nur sehr wenig Uranbrennstoff pro erzeugter Kilowattstunde Energie. Aus diesem Grund ist der Beitrag von Uran zu den Stromkosten sehr gering, heute etwa bei 0,1 Cent pro Kilowattstunde. Und er wird stark abnehmen, wenn zunehmend Reaktoren der Gen IV (vierte Generation) eingesetzt werden. Dann würde es sich sogar lohnen, das Uran aus dem Meerwasser zu gewinnen, und Kernenergie wäre gänzlich erneuerbar. Denn die Urankonzentration im Meer bleibt immer konstant. Wenn man etwas entnimmt, wird das durch Auflösung von Uran vom Meeresboden ausgeglichen.
Dieser Artikel wurde erstmals in der «Handelszeitung» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.handelszeitung.ch.
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Derzeit wird Uran noch abgebaut. Die Gewinnung aus dem Meer ist sehr aufwendig.
Das stimmt, der Aufwand zur Gewinnung einer bestimmten Menge Uran erscheint zwar gross, er ist aber sehr gering, bezogen auf die Energiemenge, die erzeugt werden kann. Und da mit schnellen Gen-IV-Reaktoren der Energieertrag noch stark ansteigt, sinkt der Aufwand für die Uranbeschaffung so weit ab, dass es kein Problem ist, Vorkommen zu nutzen, die wenig Uran enthalten, wie eben beispielsweise das Meerwasser. Schnelle Reaktoren erzeugen Energie aus dem nicht spaltbaren Uranisotop U-238, das den Hauptbestandteil der Brennstäbe bildet. Deshalb stellen ausgediente Brennelemente eigentlich eine grosse Brennstoffreserve dar. Blickt man jedoch nicht nur auf den Bedarf an energetischem Rohstoff, dann ist keine Energiequelle in vollem Umfang erneuerbar. Auch bei der Herstellung von Solarzellen und Windkrafträdern oder Batterien verwenden wir Materialien, die letztlich aus dem Bergbau stammen. Das ist bei jeder Energiequelle der Fall. Die Bezeichnung «erneuerbare Energien» verschleiert diesen Umstand ein wenig.
Wobei viele Materialien recycelt werden können.
Das schon, aber ein Recycling ist nie zu 100 Prozent möglich und benötigt zusätzlich Energie und Ressourcen, das muss man wissen. Für mich stellt sich die viel wichtigere Frage, ob die Kernenergie eine saubere Energiequelle ist, auch im Hinblick auf das Gesamtbild.
Was ist eine saubere Energiequelle?
Eine saubere Energiequelle ist etwas, das zunächst einmal eine sehr gute CO2-Bilanz hat. Und die Kernenergie hat eine sehr gute CO2-Bilanz, sogar eine bessere als die Solarenergie, auf jeden Fall eine, die vergleichbar ist mit den erneuerbaren Energien. Und weil die Kernenergie die höchste Energiedichte aller Energiequellen hat, wird pro erzeugter Terawattstunde die geringste Menge an Material benötigt. Dies bedeutet auch, dass im Vergleich zu Wind, Sonne und Batterien zur notwendigen Stromspeicherung viel weniger Material abgebaut werden muss. Bergbau ist aber immer ein Eingriff in die Natur. Der ist bei der Kernenergie klein, und deshalb können Umweltbelastungen vermieden werden, wenn Kernenergie mit in den Energiemix genommen wird.
Dr. Annalisa Manera ist seit Juli 2021 Professorin für Nukleare Systeme und leitet das Labor für Mehrphasenströmungen an der ETH Zürich. Sie wurde mit dem Bal-Raj Sehgal Memorial Award der American Nuclear Society (2022) und dem CASL Director’s Award des US-Energieministeriums (2016) ausgezeichnet. Sie ist ausserdem Fellow der American Nuclear Society und Mitglied der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften. Von 2011 bis 2021 war sie Professorin im Fachbereich Nukleartechnik an der Universität Michigan.
Dr. Annalisa Manera ist seit Juli 2021 Professorin für Nukleare Systeme und leitet das Labor für Mehrphasenströmungen an der ETH Zürich. Sie wurde mit dem Bal-Raj Sehgal Memorial Award der American Nuclear Society (2022) und dem CASL Director’s Award des US-Energieministeriums (2016) ausgezeichnet. Sie ist ausserdem Fellow der American Nuclear Society und Mitglied der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften. Von 2011 bis 2021 war sie Professorin im Fachbereich Nukleartechnik an der Universität Michigan.
In vielen Ländern werden neue Kernkraftwerke gebaut. Erleben wir gerade eine Renaissance der Kernenergie?
Die Zahlen ändern sich jeden Monat, aber es sind weltweit ungefähr sechzig Kernkraftwerke im Bau. Doch die Zahl ist nicht die ganze Geschichte – der Kontext dessen, was gerade passiert, ist wichtig.
Nämlich?
Wir haben in den letzten zwei Jahrzehnten in einer Zeit gelebt, in der die Lebensdauer der bestehenden Kraftwerke stetig verlängert wurde, weil der Neubau stockte. Wenn die Kraftwerke vierzig Jahre lang betrieben worden wären, wie es ursprünglich geplant war, hätten wir die heutige Diskussion schon vor 15 Jahren geführt. Aber jetzt sind wir an dem Punkt, an dem wir über eine Verlängerung der Laufzeit auf achtzig Jahre diskutieren. Und damit kommen wir an die Grenzen der Lebensdauer von Kraftwerken, denn es ist klar, dass wir nicht immer weiter verlängern können.
Welche Rolle spielt die Kernenergie in Deutschland in der Diskussion?
Eine grosse Rolle, denn in Deutschland zeigen sich die negativen Folgen bereits deutlich. Die Strompreise in Deutschland gehören zu den höchsten in Europa, da ein hoher Anteil erneuerbarer Energien im Energiemix die Gesamtsystemkosten erhöht (aufgrund von Backup, Speicherung et cetera). Und zur Absicherung benötigen sie wetterunabhängige Energiequellen, weshalb Kohle und Gas vor allem im Winter immer noch einen grossen Anteil am Strommix haben. Es wäre doch für die Umwelt viel besser gewesen, erst einmal aus Gas und Kohle auszusteigen und nur, wenn das gelänge, auf Kernenergie zu verzichten. Eine ähnliche Situation ist in Kalifornien zu beobachten. Wir haben also praktische Beispiele von Ländern oder Staaten, die den Weg des Ausstiegs aus der Kernenergie eingeschlagen und damit beachtliche Probleme haben.
Wie ist die Situation in Kalifornien?
In Kalifornien haben sie trotz ihrer Entscheidung zum Atomausstieg ihr letztes Kernkraftwerk gerettet, das eigentlich im Dezember 2022 abgeschaltet werden sollte. Trotz der massiven Investitionen in Solar, Wind und Batterien müssen 30 Prozent des Stroms aus den Nachbarstaaten importiert werden. Und diese 30 Prozent bestehen zu einem Drittel aus Kohle, zu einem Drittel aus Kernkraft und zu einem Drittel aus Gas. In den Wintermonaten ist Gas die grösste Stromquelle. Darüber hinaus haben sie im Vergleich zum US-Durchschnitt sehr hohe Strompreise.
Aber wenn man sieht, wie lange es dauert, neue Kernkraftwerke zu bauen, beispielsweise in Finnland und Frankreich, und wie teuer es ist, etwa in England, kann man da noch behaupten, dass sich solche Investitionen am Ende rechnen?
Diese Reaktoren, die jetzt auch in England gebaut werden, kommen aus Frankreich. Dort haben sie vor Flamanville mehr als zwanzig Jahre lang kein Kernkraftwerk mehr gebaut. Es ist also klar, dass sie das Know-how wieder aufbauen müssen. Und vor allem müssen sie die Lieferkette wiederherstellen. In England werden gerade zwei solcher Anlagen gebaut. Und jetzt hat die Regierung angekündigt, dass sie zwei weitere errichten will.
Warum sind die Lieferketten so ein Problem?
Für Kernkraftwerke kann man nicht irgendwelche Komponenten kaufen. Man muss Komponenten verwenden, die den sogenannten Nuklearstempel haben. Es handelt sich um Bauteile, die eine viel höhere Fertigungsqualität aufweisen und bei denen ein viel höheres Mass an Qualitätssicherung erforderlich ist, um sicherzustellen, dass diese Bauteile, wie Pumpen, Ventile et cetera zuverlässig sind. Viele Hersteller solcher Komponenten sind in den letzten Jahrzehnten ausgestiegen, weil zu wenige Kernkraftwerke gebaut wurden. Denn warum sollten sie diese teureren Fertigungsanlagen aufrechterhalten, wenn sie keine Kunden haben? Das muss sich jetzt alles wieder einpendeln.
Das erklärt die Verzögerungen?
Absolut – das sind zumindest die Hauptgründe. Die ersten Kraftwerke, die in Europa wieder gebaut wurden, in Flamanville und im finnischen Olkiluto, haben deshalb diese grossen Bauzeitüberschreitungen. Die zweite Anlage in England wird rund 25 Prozent schneller gebaut als die erste. Und die dritte und vierte Anlage werden dann noch schneller gebaut. Bei der ersten Anlage in England verlangte die Atomaufsichtsbehörde 7000 Änderungen, aber jetzt gibt es ein lizenziertes Design, das in Grossbritannien zugelassen ist.
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Wie läuft es in anderen Ländern?
In China werden die Reaktoren jetzt nacheinander gebaut, praktisch wie am Fliessband. Die Bauzeiten sind gering. In Japan wurden Reaktoren der Generation III/III+ in weniger als viereinhalb Jahren gebaut. Südkorea hat erfolgreich in die Emirate exportiert und dort vier grosse Anlagen, die insgesamt 42 Terawattstunden pro Jahr produzieren, in nur neun Jahren errichtet. Im Vergleich zu 100’000 Quadratmeter grossen Alpinsolaranlagen bräuchte man 1800 solcher Alpinanlagen, um 42 Terawattstunden pro Jahr zu produzieren. Die Erfolgsgeschichte in den Emiraten hat Tschechien im vergangenen Juli dazu veranlasst, zwei der grossen koreanischen Reaktoren zu bestellen. Als Frankreich noch regelmässig Kernkraftwerke baute, dauerte es zudem im Schnitt auch nur fünf bis sechs Jahre.
Axpo-Chef Christoph Brandt, der ja eine öffentliche Diskussion zur Kernenergie angeregt hat, sagt, dass sich heute kein privater Investor finden lasse, der in Kernenergie investiert. Die hohen Investitionen und die ungewissen Genehmigungsverfahren seien zu riskant.
Ja, das stimmt, und dazu lohnt es sich für private Investoren und Investorinnen viel mehr, in Solar- und Windenergie zu investieren. Die Subventionen von Kantonen und Bund belaufen sich auf rund 60 Prozent, beispielsweise bei Gondosolar im Wallis. Dazu kommt der Staat noch für den notwendigen Ausbau des Stromnetzes auf, dafür zahlen die Energiebetreiber keinen Rappen. Und wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, ist der Betreiber auch nicht für die Versorgungssicherheit verantwortlich. Betrachtet man die gesamten Systemkosten, führt ein Szenario mit Kernenergie im Energiemix zu geringeren Kosten und zu niedrigeren Strompreisen. Aber für Kernkraftwerke bekommt man in der Schweiz keine Subventionen, und Einsprachemöglichkeiten auf allen drei derzeit vorgeschriebenen Genehmigungsschritten verhindern die Planungssicherheit.
Also hat die Kernenergie keine Chance?
Derzeit ist Deutschland das einzige Land, das einen nuklearen Ausstieg zu Ende geführt hat. Die anderen drei Länder, die auf Kernkraft verzichten wollen, sind die Schweiz, Belgien und Spanien, wobei Belgien und die Schweiz die Lebensdauer ihrer bestehenden Reaktoren verlängern. In den USA investieren Microsoft, Google und Amazon alle in die Kernenergie, um den steigenden Strombedarf der KI-Rechenzentren zu decken. Viele europäische Länder setzen derzeit auf Kernenergie und wollen weitere Anlagen bauen, darunter Frankreich, Schweden, die Niederlande und Grossbritannien. Polen steigt in die Kernenergie ein als Ersatz für seine Kohlekraftwerke. Sogar Italien plant eine Rückkehr zur Kernenergie. Kernenergie trägt 23 Prozent zum EU-Strommix und während den Wintermonaten mehr als 40 Prozent zum Schweizer Stroms bei. Rückenwind erhält die Kernenergie in der Schweiz durch mehrere aktuelle Studien, von der OECD und auch von einer Studie des Energy Science Center der ETH Zürich, die von Economiesuisse in Auftrag gegeben wurde. Beide zeigen, dass Kernenergie im Energiemix zu geringeren Stromkosten für die Endverbraucherin und zu einer geringeren Abhängigkeit von Stromimporten aus dem Ausland führt. Beispielsweise könnte man für die Kernkraft die bestehenden Netze nutzen, wenn man neue Werke an den alten Standorten baut.
Was wäre denn ein realistisches Szenario für die Schweiz in Sachen Kernenergie?
Die Axpo hat es mit zwei Szenarien des Energierechners (Power Switcher) sehr gut dargestellt. Im ersten Szenario setzt man auf die erneuerbaren Energien, aber dann benötigen wir zusätzlich acht Terawattstunden durch das Verbrennen von Gas, zudem müssen wir im Winter im Ausland mehr Strom zukaufen, was ebenfalls gewisse Risiken birgt. Denn wird dieser Strom wirklich am Markt verfügbar sein und wie viel wird er kosten? Im zweiten Szenario «Landschaft» wird angenommen, dass die heute laufenden Kernkraftwerke durch neue ersetzt werden. Daher gibt es in diesem eine Kombination der Erneuerbaren mit zwanzig Terawattstunden Kernkraft.
Wie viele neue Kernkraftwerke bräuchte denn die Schweiz?
Wenn wir die Kernkraft in der Schweiz ersetzen wollen, sprechen wir von einem Ausfall von 23 Terwattstunden jährlich. Dazu reichen zwei grosse Kraftwerke. Diese beiden würden alle Kernkraftwerke in der Schweiz ersetzen. Oder man kann es mit einer Kombination aus einem grossen und mehreren kleinen Kraftwerken machen.
Ist denn die Technologie für die kleinen Anlagen bereits ausgereift?
Wir nennen sie kleine modulare Reaktoren (SMRs). Diejenigen Typen, die auf wassergekühlten Reaktoren basieren, sind kleine, modulare Versionen der grossen wassergekühlten Reaktoren und auf dem Markt erhältlich. Sie sind mit passiven Sicherheitssystemen ausgerüstet, die ohne Notstrom funktionieren. In Russland sind bereits mehrere Anlagen in Betrieb. China treibt den Bau erster Prototypen voran. Kanada hat bereits vier SMR aus den USA bestellt. Und dann gibt es noch andere Technologien: zum Beispiel den natriumgekühlten Reaktor von Terrapower, dem Unternehmen von Bill Gates. In Wyoming wurde diesen Sommer ein Baugenehmigungsantrag gestellt. Ein anderes Beispiel ist der Salzschmelzreaktor von Kairos Power, der bereits eine Baugenehmigung für Tennessee erhalten hat. Google hat gerade einen Kaufvertrag für Strom von mehreren Kairos-SMRs unterzeichnet. Amazon investiert stattdessen in den gasgekühlten SMR von X-Energy. China betreibt seit 2021 bereits zwei eigene gasgekühlte SMRs.
Was ist mit der Beschaffung des Urans? Es kommt zum grossen Teil aus Russland. Ein Problem?
Es geht hier nicht um die Uranversorgung selbst. Viele Minen arbeiten derzeit nicht an ihrer Leistungsgrenze, und Russland steht als Uranproduzent nur an siebter Stelle. Im Westen gibt es jedoch zu wenig Kapazität für die Urananreicherung. Der Westen hat in der Vergangenheit seine Urananreicherung zurückgefahren, weil angereichertes Uran aus Russland kostengünstig war und ausserdem bis 2013 nennenswerte Mengen aus der Abrüstung kamen – im Rahmen des Programms Megatonnen zu Megawatt. Mit dem Ukraine-Krieg hat sich die Situation grundlegend geändert. Deshalb haben die USA, Frankreich, die Niederlande, Grossbritannien und China Massnahmen ergriffen, um die eigenen Anreicherungskapazitäten auszubauen.
Bleibt das Problem, was mit den ausgedienten Brennstäben passiert.
Auf diesem Gebiet gibt es grosse Fortschritte. In Finnland geht gerade das Tiefenlager für ausgediente Brennelemente in den Probebetrieb. In Schweden macht das Tiefenlagerprojekt ebenfalls gute Fortschritte. In der Schweiz ist meiner Meinung nach die Suche nach dem Standort für ein Tiefenlager angesichts des erforderlichen demokratischen Konsenses auch auf gutem Weg. Und es gibt keine Eile, denn die ausgedienten Brennelemente müssen noch eine Weile im Zwischenlager abkühlen, bevor man sie in der Tiefe einlagern kann. Nicht zu vergessen ist, dass aufgrund der sehr hohen Energiedichte von Kernbrennstoffen das Volumen der ausgedienten Brennelemente sehr gering ist, insbesondere im Vergleich zu hochgiftigen chemischen Abfällen, die aus anderen Industriezweigen anfallen. Für die Schweiz wird das Gesamtvolumen der ausgedienten Brennelemente nach sechzig Jahren Betrieb aller Schweizer Reaktoren nur 1500 Kubikmeter betragen, was weniger als dem Volumen von zwei Einfamilienhäusern entspricht.
Auf welche Themen konzentrieren Sie sich jetzt in Ihrer Arbeit?
Meine Spezialisierung ist eigentlich die Kühlung und Sicherheit. Denn letztendlich hängt die Sicherheit eines Kernkraftwerks vor allem damit zusammen, wie wir die vom Brennstoff erzeugte Wärme abführen können. Das ist also eigentlich mein Spezialgebiet, wobei ich zu verschiedenen Kraftwerkstypen arbeite. Da spielen die schon genannten passiven Sicherheitssysteme eine grosse Rolle. Sie benötigen keine Elektrizität, um zu funktionieren. Sie funktionieren also nur nach intrinsischen physikalischen Prinzipien, durch Dichteunterschiede oder Temperaturunterschiede. Mit dieser Technik können Katastrophen wie diejenige in Fukushima von vorneherein ausgeschlossen werden, weil man keine Notstromdiesel mehr braucht, die ausfallen können, wenn sie falsch aufgestellt und nicht ausreichend geschützt sind. Wir arbeiten auch an fortgeschrittenen Reaktorkonzepten, der sogenannten vierten Generation, bei der kein Wasser als Kühlmittel verwendet wird. Wir befassen uns beispielsweise mit Flüssigmetallen. Und dann arbeiten wir auch an Mikroreaktoren, die in den USA das neue grosse Thema sind. Insbesondere für die Raumfahrt, die für den Flug zum Mars auf solche Reaktoren setzt.
Welche Leistung erzeugen die Mikroreaktoren?
Mikroreaktoren sind sehr kleine Reaktoren, die ohne Brennstoffwechsel zehn Jahre lang bis zu zehn Megawatt liefern, und sie passen in einen normalen Schiffscontainer. Mit 10 Megawatt liefert so ein Reaktor drei- bis viermal mehr Strom pro Jahr als eine grosse alpine Solaranlage. Mikroreaktoren sind besonders für entlegene Orte interessant, wo ein Stromanschluss fehlt und die Energie heute meist mit Dieselgeneratoren bereitgestellt wird. Man könnte sie zum Beispiel zur Energieversorgung von Bergbauminen verwenden und müsste zehn Jahre lang nichts mehr machen.
Würden Sie der Politik empfehlen, über neue Kernkraftwerke nachzudenken?
Als Erstes sollte das Neubauverbot zurückgenommen werden, denn in der Schweiz ist die Zustimmung des Stimmvolkes im Genehmigungsprozess ohnehin erforderlich. Bevor wir über neue Projekte nachdenken, sollten wir dann erst einmal das dreistufige Genehmigungsverfahren überdenken. Wenn es in der Bevölkerung Zustimmung zu einer Baugenehmigung gäbe und für den Bau Milliarden investiert würden, könnten immer noch Einsprachen gegen die Betriebsgenehmigung erfolgen. Das ist ein grosses Risiko für jede Betreiberfirma. Das ist so, als ob Sie nach dem Bau eines Hauses kurz vor dem Einzug von den Nachbarn daran gehindert werden könnten, obwohl man Ihnen den Bau genehmigt hat. Problematisch, oder?