National- und Ständerat wollten den Raser-Artikel massiv aufweichen. Der Plan sorgte für einen Aufschrei bei Raser-Opfern und Empörung in der Bevölkerung. Die Stiftung Roadcross drohte mit dem Referendum.
Mit Erfolg. Die nationalrätliche Verkehrskommission ist über die Bücher gegangen. Sie legt einen Kompromissvorschlag auf den Tisch: Die Mindeststrafe von einem Jahr Gefängnis für Raser soll bleiben. Neu werden aber Ausnahmen möglich. Einerseits soll es Ausnahmen für Personen geben, die keinen Eintrag im Strafregister wegen Verletzung der Verkehrsregeln haben, und andererseits, wenn man «aus achtenswerten Beweggründen» viel zu schnell gefahren ist. Zum Beispiel, wenn ein Mann seine Frau, die in den Wehen liegt, mit Karacho ins Spital fährt.
Roadcross kann damit leben
Ein Vorschlag, mit dem auch Roadcross-Präsident Willi Wismer (58) leben kann. «Uns wäre zwar lieber, wenn es bei der heutigen Regelung bleiben würde», sagt er zu Blick. Es sei bedauerlich, dass das Parlament eine Regelung ändere, die sich in den letzten Jahren bewährt habe. «Kommt der Kompromiss aber so durch, werden wir auf das Referendum verzichten.»
Da es sich bei den Ausnahmen um «Kann»-Formulierungen handelt, hofft er, dass die Richter den Raser-Artikel weiterhin mit einer gewissen Strenge handhaben werden und ihren Ermessensspielraum nicht überstrapazieren. «Wir werden genau hinschauen, wie sich die Rechtsprechung in der Raser-Frage entwickelt», macht Wismer klar. «Geht es in die falsche Richtung, werden wir via Parlament oder notfalls mit einer neuen Volksinitiative eingreifen.»
Kritik von Staatsanwälten
Widerstand markiert hingegen die Schweizerische Staatsanwälte-Konferenz. Sie stört sich daran, dass mit der neuen Formulierung allein schon ein «blankes Vorstrafenregister» zu einer Strafminderung führen könnte.
Damit werde ein sehr grosszügiges Unterschreiten des Strafrahmens, sprich der Mindeststrafe von einem Jahr ermöglicht, monieren die Staatsanwälte in einem Schreiben an die Mitglieder der Verkehrskommission. «Der Täter braucht ‹bloss› in Bezug auf Strassenverkehrsgesetz-Delikte eine reine Weste zu haben.» Die Staatsanwälte-Konferenz spricht gar von einem «gesetzgeberischen Unding».
Kompromiss hat gute Chancen
Trotz dieser Einwände hat der Kompromissvorschlag im Parlament gute Chancen. Am Dienstag entscheidet der Nationalrat über den Deal – und Gegenanträge liegen keine vor.
«Wir haben im Strassenverkehrsgesetz verschiedene Korrekturen vorgenommen und nun auch bei der Raser-Strafnorm eine Lösung gefunden, welche die Erfahrungen der letzten Jahre berücksichtigt», sagt SVP-Nationalrat Walter Wobmann (64, SO), der den Kompromiss eingebracht hat. «Die Richter erhalten damit etwas mehr Ermessensspielraum, das ist angebracht.» Er geht denn auch davon aus, dass die grosse Mehrheit im Parlament die Lösung mitträgt.
Ebenso SP-Verkehrspolitiker Matthias Aebischer (54, BE). «Es braucht den Kompromiss, um ein Referendum zu verhindern», sagt er. Sonst drohe das ganze Gesetz zu scheitern. «Das will niemand, denn im neuen Gesetz gibt es viele Verbesserungen», so Aebischer.
So sollen etwa Blaulichtfahrer weniger streng angepackt werden, wenn sie wegen eines Notfalls schneller fahren als erlaubt. Zudem werden umweltfreundliche Technologien gefördert oder eine Rechtsgrundlage für das automatisierte Fahren geschaffen. Und zur Freude der rechten Ratsseite werden auch Rundstreckenrennen wieder möglich.
«Abschreckende Wirkung bleibt»
Eigentlich ist die Mindeststrafe beim Raser-Artikel Geschichte: Letzten Dezember verabschiedete das Parlament ein Gesetz über die Harmonisierung der Strafrahmen. Im Zuge dessen wurden gleich 35 andere Gesetze angepasst – vom Waffengesetz bis hin zum Rohrleitungsgesetz. Auch beim Strassenverkehrsgesetz gab es Änderungen, unter anderem wurde die einjährige Mindestfreiheitsstrafe für Raser gestrichen. Die Referendumsfrist lief im April ungenutzt ab.
Allerdings ist die Vorlage noch nicht in Kraft. Beim Bund rechnet man mit einer Inkraftsetzung im Verlauf des Jahres 2023. Der neue Kompromissvorschlag zum Raser-Artikel kommt damit einer Wiederverschärfung des Gesetzes gleich. Wird das neue Strassenverkehrsgesetz verabschiedet, gilt auch dieser womöglich ab 2023.
Denkbar wäre es, dass die Strafrechtsharmonisierung vor dem Strassenverkehrsgesetz in Kraft tritt. Dann wäre die Mindeststrafe zumindest temporär weg. Eine andere Option ist, dass der Neuregelung des Raser-Artikels eine Koordinationsbestimmung hinzugefügt wird, welche deren Vorrang festschreibt. Keine Kollisionsgefahr besteht, wenn der neue Kompromiss noch vor der Strafrechtsharmonisierung gültig wird.
Im Moment laufen beim Bund Abklärungen, wie in dieser Frage am besten vorgegangen wird. (rus)
Eigentlich ist die Mindeststrafe beim Raser-Artikel Geschichte: Letzten Dezember verabschiedete das Parlament ein Gesetz über die Harmonisierung der Strafrahmen. Im Zuge dessen wurden gleich 35 andere Gesetze angepasst – vom Waffengesetz bis hin zum Rohrleitungsgesetz. Auch beim Strassenverkehrsgesetz gab es Änderungen, unter anderem wurde die einjährige Mindestfreiheitsstrafe für Raser gestrichen. Die Referendumsfrist lief im April ungenutzt ab.
Allerdings ist die Vorlage noch nicht in Kraft. Beim Bund rechnet man mit einer Inkraftsetzung im Verlauf des Jahres 2023. Der neue Kompromissvorschlag zum Raser-Artikel kommt damit einer Wiederverschärfung des Gesetzes gleich. Wird das neue Strassenverkehrsgesetz verabschiedet, gilt auch dieser womöglich ab 2023.
Denkbar wäre es, dass die Strafrechtsharmonisierung vor dem Strassenverkehrsgesetz in Kraft tritt. Dann wäre die Mindeststrafe zumindest temporär weg. Eine andere Option ist, dass der Neuregelung des Raser-Artikels eine Koordinationsbestimmung hinzugefügt wird, welche deren Vorrang festschreibt. Keine Kollisionsgefahr besteht, wenn der neue Kompromiss noch vor der Strafrechtsharmonisierung gültig wird.
Im Moment laufen beim Bund Abklärungen, wie in dieser Frage am besten vorgegangen wird. (rus)
Selbst die Grünen, die eine Aufweichung des Raser-Artikels bekämpft hatten, tragen den Kompromiss nun mit. «Entscheidend ist für uns, dass weiterhin eine abschreckende Wirkung bestehen bleibt – das ist mit der neuen Variante der Fall», sagt Nationalrätin Marionna Schlatter (41, ZH).
Freie Fahrt für den angepassten Raser-Artikel also. Bereits am Donnerstag ist der Ständerat an der Reihe – und seine Zustimmung wohl reine Formsache.