Der Sommerstau am Gotthard rückt die Verkehrspolitik wieder ins Zentrum des Interesses. Nicht nur real läuft einiges auf den Strassen, auch in den Amtstuben des Bundes, im Parlament und bei Verbänden.
Mal drücken die Verkehrspolitiker aufs Gaspedal, mal auf die Bremse. Ein ständiges Stop-and-Go. Blick liefert einen Überblick über die heissen Eisen in der Strassenverkehrspolitik.
Tempo 60 auf der Autobahn
Es ist der neuste Coup von SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga (62): Die Verkehrsministerin lässt Tempo 60 auf Autobahnen prüfen, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet. Ihr Bundesamt für Strassen (Astra) klärt ab, ob dort, wo heute teils schon temporär Tempo 80 gilt, allenfalls Tempo 60 für einen besseren Verkehrsfluss sorgen würde.
Damit soll der Stau zu Stosszeiten reduziert werden. Und davon gibt es zur Genüge: Letztes Jahr staute sich der Verkehr auf den Nationalstrassen während rund 32'500 Stunden. Und Staus kosten viel Geld – zusammen mit Umwelt-, Klima-, Energie- und Unfallkosten weit über 2 Milliarden Franken.
Auf den heutigen Tempo-80-Abschnitten hingegen fliesst der Verkehr laut Astra besser und es ereignen sich auch weniger Unfälle. Das Amt verweist auf Erfahrungen auf einen entsprechenden Abschnitt im Kanton Luzern, wo der Stau um 60 Prozent und der stockende Verkehr um 25 Prozent reduziert werden konnte.
Lockerung für Raser
Während der Bund auf den Autobahnen den Fuss vom Gaspedal nehmen will, dürfen Raser auf Lockerungen hoffen. Das Parlament hat die Mindeststrafe von einem Jahr für Raser aus dem Strassenverkehrsgesetz gestrichen. Nach breiter Kritik tritt die nationalrätliche Verkehrskommission wieder etwas auf die Bremse und will bei der Mindeststrafe bleiben – allerdings soll es Ausnahmen geben für Personen, die keinen Eintrag im Strafregister haben wegen Verletzung der Verkehrsregeln, und andererseits, wenn man «aus achtenswerten Gründen» viel zu schnell gefahren ist.
Doch dieser Kompromiss hat einen Haken: «Eine Mehrheit der Raser müsste auch bei dieser Variante nicht mehr zwingend mit einer Mindeststrafe rechnen, da die meisten Raser gar nicht wegen eines Verkehrsdelikts vorbestraft sind», warnt der Zürcher Staatsanwalt Michael Huwiler (53) im Blick.
Tempo 30 in Städten
Während das nationale Parlament zögert, machen die Städte den Rasern das Leben noch schwerer. In zahlreichen Städten ist nämlich eine breitflächige Einführung von Tempo 30 geplant.
Der Zürcher Stadtrat möchte bis 2030 auf fast allen Strassen Tempo 30 umsetzen. Eine städtische SVP-Initiative will Tempo 30 auf Hauptverkehrsachsen verhindern und wurde vor kurzem eingereicht. Auch Basel will auf seinem Siedlungsgebiet weitgehend Tempo 30 einführen. Bis in zwei Jahren muss die Regierung ein Umsetzungskonzept vorlegen.
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Andere Städte sind schon weiter: In Genf gilt in der Innenstadt neu Tempo 30. Auf Hauptverkehrsachsen variiert die Geschwindigkeit je nach Uhrzeit. Und Freiburg hat entschieden, auf mindestens 75 Prozent des Stadtgebiets 30er-Zonen zu schaffen.
Autobahn-Ausbau stoppen
Zurück auf die Autobahn: Der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) stört sich am geplanten Ausbau der Schnellstrassen. Der Bund will in den nächsten Jahrzehnten nämlich rund 34 Milliarden Franken in den Aus- und Neubau von Autobahnen stecken.
Nun überlegt sich der VCS, den Ausbauplänen mit einer Volksinitiative den Riegel zu schieben, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt. Ein Moratorium soll den Kapazitätsausbau verhindern. Noch müssen die VCS-Delegierten über die Lancierung befinden. Klar ist aber: Widerstand von bürgerlicher Seite ist programmiert.