SVP-Dettling teilt gegen die Polit-Konkurrenz aus
«Jans verlässt sich auf Deutschland, statt seinen Job zu machen»

Was ist los mit der SVP? Die grösste Partei des Landes stolpert bei den Abstimmungen von Niederlage zu Niederlage. SVP-Chef Marcel Dettling erklärt im Blick-Interview, woran es hapert. Und wie er nun Gegensteuer geben will.
Publiziert: 29.11.2024 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 29.11.2024 um 09:19 Uhr
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Schock für die Bürgerlichen: Das Schweizer Volk lehnt den Ausbau des Autobahnnetzes ab.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

  • SVP-Chef Dettling selbstkritisch nach Autobahn-Nein, will Lehren ziehen
  • Dettling kritisiert Mitte-Präsident Pfister für Linksorientierung und Machtpolitik
  • SVP plant Treffen mit Bundesrat Jans wegen 25'000 jährlichen Asylsuchenden
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Bei den Bürgerlichen herrscht nach dem Autobahn-Nein Konsternation. Auch SVP-Chef Marcel Dettling (43) hat den Nein-Schock noch nicht verdaut. Beim Treffen mit Blick zeigt er sich selbstkritisch. Und er erklärt, welche Lehren er aus dem Debakel ziehen will.

Blick: Herr Dettling, bei den Wahlen 2023 hat die SVP abgeräumt, doch bei den Abstimmungen stolpert sie von Niederlage zu Niederlage.
Marcel Dettling: Im Parlament haben wird dank unseres Wahlerfolgs einiges erreicht – etwa im Asylbereich. Ebenso in der Landwirtschaft, wo wir grüne Bürokratie-Projekte stoppen konnten.

Aber an der Urne nicht. Bei 13. AHV-Rente, Pensionskassen-Reform oder Autobahn-Ausbau reden Sie am Volk vorbei.
Nicht nur wir haben ein Problem. Der ganze bürgerliche Block dringt in diesen Fragen nicht durch, weil das Herzblut fehlt. Die vom Gewerbeverband geführte Autobahn-Kampagne war zu lau. Selbstkritisch muss ich sagen: Im Gegensatz zur Linken haben wir unsere Basis bei diesen Abstimmungen nicht voll mobilisieren können. Das gibt mir zu denken.

Woran hapert es?
Hier sollte man vielleicht mal die Rolle von Mitte-Präsident Gerhard Pfister betrachten. Er ist etwa in diesen Abstimmungskämpfen immer sehr zurückhaltend. Er heckt oft lieber Pläne mit den Linken aus als mit den Bürgerlichen. Das finde ich bedenklich. Er richtet seine Partei immer weiter nach Mitte-Links aus. Das zeigen ja auch die gescheiterten Fusionsgespräche mit der GLP. Pfister orientiert sich immer mehr nach links.

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Warum sollte er das tun?
Es geht um Machtpolitik. Die Mitte möchte gerne den zweiten Bundesratssitz zurückholen. Und den kann sie sich nur von der FDP schnappen. Da nützt es wenig, wenn die Partei mit der FDP gemeinsame Sache macht. Sonst stärkt sie diese ja indirekt. Aber man sieht es auch an der Mitte-Fraktion im Parlament: Da sind noch drei, vier gutbürgerliche Mitglieder, der Rest zieht tendenziell nach links.

FDP-Präsident Thierry Burkart wiederum wirft Ihrer SVP vor, in vielen Fragen nach links abzudriften.
Wir driften sicher nicht nach links ab! Wir sind stramm bürgerlich am rechten konservativen Rand zuhause. Das zeigt sich etwa in der Neutralitäts-Frage. Die FDP hingegen will die Individualbesteuerung, was eine Riesen-Bürokratie nach sich ziehen würde. Das zeigt doch, wer hier nach links abdriftet. Die FDP steckte auch dahinter, dass kriminelle Ausländer nicht ausgeschafft werden oder die Masseneinwanderungs-Initiative nicht umgesetzt wurde. Ich hoffe einfach, dass es beim EU-Rahmenabkommen nicht zu ähnlichen Konstellationen kommt.

Aber auch die SVP-Basis stimmt immer öfter nicht nach dem Gusto der Parteispitze. Haben Sie Ihre Leute nicht im Griff?
Wir vertreten die Leute und nicht umgekehrt. Wir müssen selber wieder stärker in die Hosen und kämpfen! Mit unseren Themen Zuwanderung und Asyl haben wir die Wahlen gewonnen. Das Ja zur 13. AHV hingegen war ein Hilferuf der Bevölkerung: Für alles hat man Geld, nur für den eigenen Bürger nicht. Ebenso bei Autobahn-Ausbau und Mietvorlagen. Die Leute haben genug davon, dass wir wegen Zuwanderung die ganze Schweiz zubauen müssen.

Persönlich: Marcel Dettling

Marcel Dettling (43) ist seit neun Jahren Nationalrat und hat im vergangenen Frühling das Präsidium der SVP übernommen. Der Landwirt aus Oberiberg SZ ist verheiratet und hat drei Kinder.

Marcel Dettling (43) ist seit neun Jahren Nationalrat und hat im vergangenen Frühling das Präsidium der SVP übernommen. Der Landwirt aus Oberiberg SZ ist verheiratet und hat drei Kinder.

Hat sich auch der Akzent in der sozialen Frage verschoben? Die SVP-Basis hört mittlerweile lieber auf den linken Volkstribun Pierre-Yves Maillard (56) als auf SVP-Vordenker Christoph Blocher (84).
Da täuschen Sie sich gewaltig. Maillard schaut nur für sich und will einfach mehr Geld umverteilen. Unsere Leute hingegen haben genug davon, dass sie immer mehr für jene zahlen müssen, die nichts arbeiten. Und selber haben sie immer weniger im Portemonnaie. Viele Menschen fühlen sich als Verlierer der massiven Zuwanderung.

Die SVP als Partei der Zuwanderungsverlierer?
So ist es. Gerade die einfachen Leute mit tiefem Haushaltsbudget unterstützen die SVP, weil sie die negativen Folgen der Zuwanderung am stärksten spüren. FDP und Mitte interessieren sich nicht dafür. Unsere Initiative gegen die 10-Millionen-Schweiz hat gute Chancen, wenn die Burkarts und Pfisters im Parlament den Hilferuf nicht hören. Der Bundesrat will nicht mal einen Gegenvorschlag.

Bundesrat Beat Jans (60) plant ein Massnahmenpaket, um das Problem zu lindern.
Ein Gewerkschaftspaket. Statt das Problem ernst zu nehmen, fungiert Jans als Maillards Briefträger. Alles mit fremdem Geld zuschütten – das funktioniert nicht! Der Bundesrat weigert sich, direkt bei der Zuwanderung anzusetzen.

In den letzten Monaten sind zumindest die Asylzahlen gesunken.
Und warum? Sicher nicht, weil Jans seine Arbeit gemacht hat. Er profitiert davon, dass die umliegenden Länder ihre Grenzen besser schützen. Jans verlässt sich auf Deutschland, statt selber seinen Job zu machen.

Nächste Woche trifft ihn eine grössere SVP-Delegation. Was werden Sie ihm sagen?
Wir werden ihm aufzeigen, mit welchen Problemen die Kantone und Gemeinden konfrontiert sind. Jans hat das Gefühl, dass 25'000 Asylsuchende jährlich kein Problem sind. Ausbaden müssen diese Fehleinschätzung die Menschen draussen.

Und kaum sind Sie aus seinem Büro, verschickt die SVP wieder eine gehässige Mitteilung.
Das machen wir vorher, damit er weiss, was es zu diskutieren gibt. (lacht)

Zurück zum Autobahn-Entscheid: Haben Sie den Schock schon verdaut?
Überhaupt nicht! Ich bin schon wieder im Stau gestanden und habe mich extrem aufgeregt.

Maillard plädiert temporär für mehr Tempo 80 und die Umnutzung von Pannenstreifen.
Dann können wir ja gleich Tempo 30 verordnen. Nein, hören Sie auf mit solchen Ideen! Das löst das Problem nicht. Die Autobahnen sind dafür da, dass man schnell von A nach B kommt. Die Pannenstreifen zu nutzen, ist doch keine Strategie. Was passiert, wenn es zu einer Panne kommt? Dann steht der Wagen mitten auf der Strasse, hat keine Möglichkeit mehr, aus dem Weg zu rollen. Das gäbe ein Riesenchaos und wäre auch aus Sicherheitsgründen bedenklich.

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Wie wollen Sie das Volk doch noch für einen Autobahn-Ausbau gewinnen?
Verkehrsminister Albert Rösti sollte ÖV- und Strassen-Projekte künftig gleichzeitig vorlegen und miteinander verknüpfen. Das würde einen Gesamtblick ermöglichen. Klar ist: Es braucht beides. Wir können nicht den ganzen Verkehr auf die Bahn verlagern. Die Züge sind ja heute schon voll. Im Nachhinein war es vielleicht auch nicht schlau, dass in dem Paket kein Zürcher Projekt enthalten war. Zürich ist der Wirtschaftsmotor der Schweiz. Auch die halbe Innerschweiz steht um die Region Zürich herum im Stau. Die Unterstützung für die Vorlage wäre wohl grösser gewesen.

Möglicherweise will das Volk keinen weiteren Ausbau, sondern eine Verkehrswende und mehr Klimaschutz.
Hier lohnt sich ein Blick in den Kanton Wallis, der am Sonntag über beide Fragen abgestimmt hat: Die Bevölkerung sagte Nein zum Autobahn-Ausbau, aber auch Nein zum kantonalen Klimaschutzgesetz. Das zeigt doch deutlich, dass es eben nicht um die Klimafrage ging. Ich bleibe dabei: Wir müssen erst die Zuwanderungsfrage klären, sonst bringen wir solche Projekte nicht mehr durch. Wir Bürgerlichen hätten es im Parlament in der Hand, hier vorwärtszumachen.

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