Jans muss über die Bücher
Murks um 10-Millionen-Schweiz im Bundesrat

Der Bundesrat hat am Mittwoch über ein Massnahmen-Paket diskutiert, mit dem er der Zuwanderungs-Initiative der SVP den Wind aus den Segeln nehmen will. Zu einem Abschluss ist er dabei nicht gekommen. Der zuständige Bundesrat Beat Jans muss über die Bücher.
Publiziert: 20.11.2024 um 18:17 Uhr
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Aktualisiert: 20.11.2024 um 20:49 Uhr
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Migrationsminister Beat Jans muss nochmals über die Bücher.
Foto: Philippe Rossier

Auf einen Blick

  • Bundesrat lehnt SVP-Initiative ab. Jans plant Massnahmen gegen Zuwanderung
  • Widerstand im Bundesrat und Parlament gegen Jans' Vorschläge
  • Schweiz erreichte neuen Zuwanderungsrekord und überschritt 9-Millionen-Einwohner-Marke
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Zehn Millionen Menschen in der Schweiz. Das will die SVP mit ihrer neusten Zuwanderungs-Initiative verhindern – und dafür notfalls auch die Personenfreizügigkeit mit der EU und damit die bilateralen Verträge kippen. Der Bundesrat lehnt die Initiative ohne Gegenvorschlag ab. Von Kontingenten oder Höchstzahlen bei der EU-Immigration will er nichts wissen.

So ganz wohl ist der Landesregierung aber nicht bei der Sache. Die Zuwanderungsfrage brennt der Bevölkerung unter den Nägeln. Dies umso mehr, als die Schweiz letztes Jahr einen neuen Zuwanderungsrekord verzeichnet und nun die 9-Millionen-Einwohner-Marke gerissen hat. Die SVP-Initiative erscheint daher vor dem Volk nicht chancenlos zu sein.

Massnahmen-Plan hat schweren Stand

Der Bundesrat will es daher nicht einfach darauf ankommen lassen. Anstelle eines Gegenvorschlags möchte die Landesregierung dem Volksbegehren mit Begleitmassnahmen den Wind aus den Segeln nehmen. Bereits im Juni hatte SP-Migrationsminister Beat Jans (60) den Auftrag gefasst, ein entsprechendes Massnahmenpaket zu erarbeiten. An der Bundesratssitzung vom Mittwoch stellte er seine Vorschläge zur Diskussion.

Jans will unter anderem das Potenzial der inländischen Arbeitskräfte besser nutzen. Ebenso könnte eine Zuwanderungsabgabe für Spezialisten aus Drittstaaten kommen. Im Gegenzug sollten die Töpfe für die Standort- und damit auch die Tourismusförderung gekürzt werden. Angedacht waren auch Verbesserungen im Miet- und Wohnungsbereich, beispielsweise zusätzliche Fördergelder für preisgünstigen Wohnraum.

Aufgenommen hat Jans zudem Vorschläge von gewerkschaftlicher Seite. Dazu sollen etwa höhere Familienzulagen oder ein besserer Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmende zählen, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet. Nicht mehr erwähnt wird hingegen die Idee für einen nationalen Berufsbildungsfonds, wie sie noch in der ursprünglichen internen Ämterkonsultation enthalten war, die Blick vorliegt.

Jans zeigt sich zugeknöpft

Mit seinem Paket stiess Jans bei seinen Bundesratsgspänli auf Widerstand. Die SVP-Bundesräte Guy Parmelin (65) und Albert Rösti (57) sind wenig erpicht darauf, ihrer parteieigenen Initiative Steine in den Weg zu legen. Und die Zugeständnisse an die Gewerkschaften stossen auch bei den FDP-Regierungsmitgliedern Karin Keller-Sutter (60) und Ignazio Cassis (63) auf wenig Begeisterung. Dem Vernehmen nach poche Keller-Sutter auf Budgetneutralität – sprich: Alles, was kostet, hat einen schweren Stand. Stattdessen drängt Keller-Sutter darauf, dass Jans Asylverschärfungen ins Paket packt.

Der Strauss dürfte noch ziemlich zerpflückt werden. Dass seine Vorschläge in der Regierung einen schweren Stand haben würden, dürfte auch Jans klar gewesen sein. Inhaltlich aber wollte der Sozialdemokrat am Mittwoch vor den Medien nicht näher darauf eingehen. Er bestätigte einzig, dass eine erste Lesung stattgefunden habe. «Es war interessant», sagte er einzig. Nun muss er nochmals über die Bücher.

Widerstand im Parlament

Doch selbst, wenn ein abgespecktes Paket durchkommt, ist im Parlament Widerstand programmiert. FDP-Chef Thierry Burkart (49) zeigt sich knallhart: «Die Vorschläge von Bundesrat Jans sind linke Gewerkschaftsrezepte aus der Mottenkiste, die zu mehr Bürokratie, mehr Staatsangestellten und mehr Staatsausgaben führen, aber sonst wirkungslos sind», sagt er zu Blick.

Die Bürger müssten mehr bezahlen, ohne davon profitieren zu können. Einzig bei der Zuwanderungsabgabe lässt er einen Türspalt offen: «Diese muss man aber auch für die EU-Zuwanderung prüfen, einzig nur für Drittstaaten macht sie keinen Sinn.»

Diplomatisch zurückhaltend zeigt sich Mitte-Präsident Gerhard Pfister (62). Noch will er sich nicht in die Karten blicken lassen, sondern erst abwarten, was dann vom Bundesrat tatsächlich beschlossen und kommuniziert wird.

Eine klare Absage kommt hingegen von SVP-Chef Marcel Dettling (43): «Gegen die übermässige Zuwanderung nützen diese Massnahmen rein gar nichts», moniert er. Nicht einmal eine Schutzklausel sei angedacht, wundert er sich. «Stattdessen will Jans einfach wieder mehr Geld verteilen, das kommt für uns nicht infrage.» Er habe vom SP-Bundesrat auch nichts anderes erwartet. «Wenn es Jans nicht einmal schafft, das Asylchaos in den Griff zu bekommen, wie will er da mit der Zuwanderung zurechtkommen?»

Der Bundesrat dürfe nicht mit leeren Händen vors Volk treten, warnt dagegen Travailsuisse-Präsident Adrian Wüthrich (44). Insbesondere nicht ohne arbeitsmarktliche Massnahmen wie einen besseren Kündigungsschutz und bessere Wiedereinstiegschancen für ältere Arbeitnehmende, Frauen und Ausgesteuerte. «Sonst droht an der Urne ein Scherbenhaufen.»

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