1002 Mal sexueller Missbrauch. Hohe Dunkelziffer. Vernichtete Akten. Täter, die geschützt werden. Eine neue Studie zeigt das erschreckende Ausmass des Missbrauchs in der katholischen Kirche in der Schweiz. Das Vertrauen der Politik, dass die Kirche nun schonungslos aufräumt, ist überschaubar.
Darum will Tobias Vögeli (28), Präsident der Jungen GLP und Kantonsrat in Bern, nicht abwarten, sondern der Kirche ans Portemonnaie. «Die abscheulichen Gräueltaten und das systematische Vertuschen müssen konsequent aufgearbeitet und künftig verhindert werden.»
Man muss wissen: Der Kanton Bern zahlt jährlich rund 12 Millionen Franken an die katholische Kirche. «Wo Steuergelder fliessen, muss der Staat kontrollieren, was damit passiert», findet Vögeli und wird per Vorstoss fordern, dass die Zahlungen auf Eis gelegt werden. Erst wenn die Kirche ein Konzept vorlegt, wie die Übergriffe «umfassend und transparent» aufgearbeitet und künftig verhindert werden, soll wieder Geld fliessen. Die bisherigen Untersuchungen überzeugen ihn nicht. «Wenn ein Kollege gegen einen anderen Kollegen ermittelt, ist das nicht unabhängig.» Deshalb fordert er auch, dass das Kantonsparlament entscheiden müsse, ob das Konzept ausreichend sei.
Müssen Pfärrer um Löhne zittern?
Von Vögelis Vorstoss wären auch die Löhne von Hunderten Pfarrern und Angestellten der katholischen Kirche betroffen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen. Eine Kollektivstrafe sei das dennoch nicht, findet Vögeli: «Ich setze niemanden unter Generalverdacht. Es geht um das systematische Vertuschen im Hintergrund.» Dass die Angestellten der Kirche um ihre Löhne zittern müssen, glaubt er nicht. «Die Löhne der Angestellten kann die Kirche weiterhin bezahlen. Schliesslich bekommt sie weiterhin die Kirchensteuer.»
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Vögeli will insbesondere bei den Leistungsvereinbarungen ansetzen. Die Kirchen bekommen Geld, wenn sie ein Angebot für Kinder und Jugendliche, Senioren oder Armutsbetroffene betreiben. «Solange kein Konzept vorliegt, welches Missbrauch verhindert, sollen keine neuen Vereinbarungen abgeschlossen werden», fordert er. Angst, dass dadurch wertvolle Angebote der Kirche zum Beispiel bei der Flüchtlingsbetreuung verloren gehen, hat er nicht. «Diese könnten NGOs, die christ-katholische oder die reformierte Kirche übernehmen.»
«Pervertieren das Gute an der Kirche»
Auch in der nationalen Politik ist die Erschütterung gross. Besonders bei der Mitte-Partei, die noch vor kurzem als CVP das christlich im Namen trug. Die Zahl der Fälle mache «betroffen», sagt Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi (61) gegenüber Blick TV. «Die Missbrauchsfälle pervertieren das Gute an der Kirche», ergänzt Parteikollegin Marianne Binder-Keller (65).
Doch die Politik sei machtlos. Für Regazzi ist der Skandal eine interne Angelegenheit der Kirche. Binder-Keller fordert eine strafrechtliche Verfolgung – der aber in den meisten Fällen Verjährungsfristen entgegenstehen.