Auf einen Blick
- Neue Initiative fordert absolutes Tierversuchsverbot in der Verfassung
- Wissenschaftler warnen: Verbote gefährden wichtige Forschungsfelder und Innovation
- 2023 wurden fast 600'000 Tiere in Tierversuchen eingesetzt
Hinter dem Begehren steht die IG Tierversuchsverbots-Initiative. 127'622 Unterschriften reichte sie am Montag in Bern ein. Nun werden sich Bundesrat und Parlament dazu äussern. Die Initiantinnen und Initianten verantworteten schon die im Februar 2022 an der Urne verworfene Tierversuchsverbots-Initiative.
Sie fordern nun erneut ein absolutes Verbot von Tierversuchen, bezeichnen den neuen Text aber als «viel moderater». Die neue Initiative will ein Tierversuchsverbot in die Verfassung schreiben und ebenso das Züchten von Versuchstieren sowie den Handel mit Tieren für Tierversuche untersagen.
Auf Importverbot diesmal verzichtet
Verzichtet hat das Komitee hingegen auf zwei weitere Forderungen aus der 2022 abgelehnten Initiative: das Verbot von Versuchen an Menschen sowie das Importverbot für mit Tierversuchen getestete Waren.
Studien belegten, dass der Tierversuch nicht nur ethisch, sondern auch wissenschaftlich eine ungenügende Forschungsmethode sei, schreibt die IG Tierversuchsverbots-Initiative in ihrer Mitteilung. 95 Prozent der in Tierversuchen als geeignet erklärten Medikamente funktionierten beim Menschen nicht.
In vielen Fällen würden bei Menschen hervorgerufene Nebenwirkungen von Arzneimitteln in den Tierversuchen nicht erkannt, schreiben die Initiantinnen und Initianten weiter. Kosmetika wiederum seien nicht weniger sicher, seit sie nicht mehr an Tieren getestet werden dürften.
Spätestens 7 Jahre nach einem Ja muss Schluss sein
Empfohlen werde deshalb, anstelle von Tierversuchen mit «empfindungslosen Messinstrumenten» oder aber mit Zell-, Gewebe- oder Organkulturen Tests durchzuführen. Damit entfalle das Problem, dass falsche Organismen Resultate lieferten, die auf Menschen meist nicht übertragbar seien.
Der Initiativtext gibt auch vor, wie das Verbot umgesetzt werden muss. Wird die Initiative an der Urne angenommen, sind Versuche des obersten der vier Schweregrade untersagt und Versuche für die Grundlagenforschung und die Bildung ab sofort verboten. Alle anderen Versuche sind spätestens sieben Jahre nach dem Ja untersagt.
Wissenschaft warnt vor Verboten
Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft warnten vor den Verboten. Diese würden wichtige Forschungsfelder gefährden, schrieb beispielsweise Swissuniversities. Fortschritt, Innovation und Bildung in der Human- und Tiermedizin sowie in Biowissenschaften und Biotechnologien würden erschwert oder verunmöglicht. Für Tierversuche gälten in der Schweiz strenge Auflagen. Versuche würden nur bewilligt, wenn es keine tierversuchsfreie Alternative gebe.
Die Forschung an ganzen Organismen sei für die Entwicklung neuer Heilverfahren nach wie vor notwendig, schreibt der Schweizerische Nationalfonds (SNF). Er gibt zu bedenken, dass Tierversuche nach einem Verbot in der Schweiz im Ausland durchgeführt werden könnten. Das ginge auf Kosten des Wohls der Tiere.
Stimmvolk lehnte bisher alle Versuche ab
Die Schweizer Stimmberechtigten hatten in den vergangenen rund 40 Jahren wiederholt über Verbote, respektive die Einschränkung von Tierversuchen zu entscheiden. Vor der Initiative von 2022 wurden schon 1993, 1992 und 1985 entsprechende Volksbegehren abgelehnt.
Bei Tierversuchen sind 2023 in der Schweiz fast 600'000 Tiere eingesetzt worden. Das entsprach gegenüber dem Vorjahr einer Zunahme von 1,6 Prozent. Etwa zwei Fünftel der Tiere wurden in nicht belastenden Tierversuchen eingesetzt, wie das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) im Herbst bekanntgab.
91 Prozent der Tierversuche in der schwer belastenden Kategorie würden durchgeführt, um Krankheiten bei Menschen zu erforschen, schrieb das BLV. Mehr als die Hälfte der Tiere wird dabei für die Erforschung von Krebs und neurologischen Krankheiten eingesetzt. Am häufigsten waren es Mäuse, Vögel, Fische und Ratten.