Foto: Guillaume Perret

Mobiliar-Chefin kritisiert Sparvorschläge des Bundes
Ist die Säule 3a tot, wenn das kommt, Frau Rodoni?

Mobiliar-Chefin Michèle Rodoni kritisiert die Sparvorschläge des Bundes. Der Staat müsse berechenbar bleiben – und die Vorsorge steuerlich attraktiv.
Publiziert: 26.11.2024 um 11:48 Uhr
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Aktualisiert: 26.11.2024 um 14:28 Uhr
Sie fährt keine Schnellboote mehr: Mobiliar-Chefin Michèle Rodoni.
Foto: Guillaume Perret
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Michael Heim
Handelszeitung

Sie ist eine von nur gerade zwei Frauen an der Spitze eines Schweizer Versicherers. Michèle Rodoni (55) leitet seit rund vier Jahren die Mobiliar. Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger, der über Startup-Beteiligungen die Breite suchte, soll sich die «Mobi» unter ihr voll auf das Schweizer Versicherungsgeschäft konzentrieren. Wie da auch ein irischer Digital-Versicherer und ein Zeitungsverlag reinpasst, erklärt sie hier im Gespräch mit der «Handelszeitung».

Rodoni kritisiert die jüngsten Sparvorschläge, welche die Steuerrabatte bei Kapitalbezügen aus der dritten Säule und der Pensionskasse reduzieren wollen. Sie gehe davon aus, dass «da noch viel darüber geredet wird», sagt sie. Der Staat müsse berechenbar bleiben. «Und ich würde es begrüssen, wenn das auch weiterhin für unser Drei-Säulen-System gilt.»

Frau Rodoni, haben Sie einen Bootsführerschein?
Michèle Rodoni: Was meinen Sie? Ein permis de bateau?

Ja genau. Wissen Sie, warum ich frage?
Nein, nicht wirklich.

Ihr Vorgänger Markus Hongler (67) teilte die Mobiliar mal in ein Mutterschiff und diverse Schnellboote ein. Wie viele dieser Schnellboote – Startups, Technologieprojekte – sind noch unterwegs?
Wir reden nicht mehr von diesen Schnellbooten und haben unsere Strategie diesbezüglich geändert. Aber wir haben weiterhin digitale Plattformen.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals im kostenpflichtigen Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Blick+-Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.

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In Ihrer Branche findet ein Umdenken statt. Nachdem viele in den letzten Jahren fast schon blind in Tech-Projekte investiert hatten, werden diese nun überall zusammengestrichen.
Ich kann nur für uns sprechen. Die Zeiten verändern sich, und so haben wir entschieden, uns auf unser Kerngeschäft zu fokussieren: Versicherung und Vorsorge in der Schweiz.

Was heisst das für bestehende Beteiligungen wie Buildigo, Bexio oder Liiva? Im Geschäftsbericht finde ich vier Seiten mit Tochtergesellschaften. Wie viele Schnellboote hat es darunter?
Es sind nicht mehr so viele wie auch schon, und auf diesen vier Seiten sind auch unsere normalen rechtlichen Einheiten im Versicherungsgeschäft aufgeführt. Wir haben zwei Kriterien für eine Beteiligung: Sie muss profitabel sein und ihren Beitrag leisten an unser Kerngeschäft.

Wie passen wir da rein? Sie sind ja indirekt auch meine Chefin. Die Mobiliar ist zu 25 Prozent an HZ-Herausgeberin Ringier beteiligt.
Sorry, aber das ist nicht wegen Ihnen und der «Handelszeitung». Uns interessieren die digitalen Handelsplattformen von Ringier mit ihren vielen Kundeninteraktionen. Das ist etwas, was sich stark von unserem Geschäft unterscheidet, und davon können wir lernen.

Da spielt Ihr grösstes Problem rein: dass Sie zu wenig Kontakt mit Ihren Kunden haben.
Genau. Als Versicherung hören wir meist nur dann von unseren Kunden, wenn Verträge erneuert werden oder Schäden auftreten. Das ist eher selten.

Und was lernen Sie von einer Handelsplattform für Occasionen oder Wohnungen?
Nehmen wir das Beispiel Ticketcorner: Wir haben bei uns eine Plattform eingerichtet, über die unsere Kunden Tickets kaufen können. Das hat zwar nichts mit Versicherung zu tun, aber ist für uns ein relevantes Thema, weil wir mit den Kundinnen und Kunden über etwas anderes reden können als Versicherung – und so überhaupt erst mit ihnen ins Gespräch kommen.

Wie steht es um die Kooperation mit Raiffeisen? Da gab es mal die Idee, Filialen gemeinsam zu betreiben – quasi Allfinanz aus zwei Händen. Aber gehört hat man dann nicht mehr viel davon.
Moment: Da gab es nie den grossen Plan, Generalagenturen mit lokalen Raiffeisenbanken gemeinsam zu betreiben. Wir steuern das nicht zentral. Es liegt in der unternehmerischen Freiheit unserer Generalagenten, sich mit den lokalen Raiffeisenbanken zusammenzutun. Unsere achtzig Generalagenten sind ja Unternehmer mit einem eigenen Geschäft.

Und die haben nicht so Lust auf die Hochzeit mit Raiffeisen? Fliesst bei dieser Kooperation mehr Geschäft von Ihnen an Raiffeisen oder umgekehrt?
Das kann ich so nicht beantworten. Das kommt auch ganz auf die lokalen Gegebenheiten an.

Mobiliar-Chefin Michèle Rodoni
Foto: Guillaume Perret

Konkurrentin Baloise hat gerade ihre Digitalversicherung Friday versenkt, die Helvetia wiederum ist mit Smile sehr erfolgreich. Gab es bei Ihnen auch mal Pläne für eine reine Digitalversicherung?
Wir haben uns ganz konkret dagegen entschieden.

Also lag ein Digitalversicherer auch mal auf dem Tisch?
Es ist immer Teil einer guten Strategiearbeit, sich alles anzuschauen. Aber wir sind überzeugt, dass das mehr Nachteile als Vorteile für uns gehabt hätte. Wir glauben an unseren Ansatz mit den dezentral organisierten Generalagenturen und arbeiten daran, diese zu stärken und gleichzeitig online präsent zu sein. Aber ein rein digitales Geschäftsmodell sehen wir für uns nicht.

Wollen Sie den eigenen Generalagenten keine Konkurrenz machen?
Unser Ansatz ist, dass jeder Kunde und jede Kundin – egal ob er oder sie online oder physisch abgeschlossen hat – einer Generalagentur angeschlossen ist. Sie sollen den Zugang frei wählen können und alle Optionen haben.

Wie viel Geschäft wird rein digital abgeschlossen?
Wir befinden uns da im Marktdurchschnitt. Das sind etwa 4 bis 5 Prozent.

Warum ist das immer noch so wenig? Bei den Banken ist das Alltagsgeschäft mit Kleinkunden mittlerweile stark digitalisiert, da kann und muss ich fast alles selbst erledigen. Dabei ist ein Börsengeschäft oder die 3a-Vorsorge auch nicht so viel banaler als eine Hausratversicherung.
Das hat sehr viel mit Vertrauen zu tun, und da setzen die Leute auf den persönlichen Kontakt. Man zahlt viel Geld für die Prämie und will sich dann darauf verlassen können, dass man eine Deckung hat, wenn mal etwas passiert.

Liegt es vielleicht auch einfach daran, dass zu wenige Versicherer radikalere Ansätze ausprobiert haben?
Nein, das haben viele versucht. Aber bislang hatte einfach niemand grossen Erfolg damit.

Und bleibt das so?
Im Ausland hat die Verschiebung zum rein digitalen Abschluss durchaus stattgefunden. Ich habe auch keine Kristallkugel und kann nicht sagen, was in der Schweiz passieren wird. Ich weiss nur, dass wir überall dort präsent sein müssen, wo unsere Kunden sind.

Die künstliche Intelligenz verändert gerade weite Teile der digitalen Welt. Was läuft da bei Ihnen – abgesehen von den üblichen Chatbots für Kundschaft und Angestellte?
Da läuft sehr viel. Wir suchen vor allem Lösungen, die unsere Effizienz steigern oder die Convenience erhöhen. Ein Beispiel: Wenn Sie uns eine Mail schreiben wegen eines Schadenfalls, wird dieses AI-basiert analysiert und versicherungstechnisch klassifiziert. So wissen unsere Mitarbeitenden von Anfang an, was sie damit machen müssen.

Könnte die AI einen Schadenfall auch komplett abwickeln, bis hin zur Zahlung?
Das ist schon heute teilweise möglich. Im Moment sind das noch kleine Fälle, aber das entwickelt sich rasend schnell.

Und beim Neuabschluss? Könnte die AI auch meine Risiken beurteilen und eine Prämie vorschlagen?
Da nutzen wir noch keine künstliche Intelligenz wie Chat GPT, sondern arbeiten mit unseren eigenen versicherungstechnischen Modellen.

Hat das auch gesetzliche Gründe? Sie müssen ja belegen können, dass eine Prämie gerechtfertigt ist. Das darf keine Blackbox sein.
Unbedingt! Aber daneben gibt es auch ethische Themen, die mir sehr wichtig sind. Für uns stellt sich ja immer auch die Frage, wie viel Solidarität wir in unseren Tarifen haben wollen, denn diese gehört zum Versicherungsgeschäft. Das ist keine Frage der AI, sondern ein bewusster Entscheid unserer Aktuare und Produktmanager.

Mobiliar-Chefin Michèle Rodoni
Foto: Handout/Guillaume Perret

Wo ist die Grenze der Versicherung? Was kann und soll man überhaupt versichern? Lange hiess es, Cyberrisiken seien nicht versicherbar, weil man die Risiken nicht kalkulieren könne.
Wir bieten Cyberversicherungen an, und das Geschäft wächst stark. Wir helfen unseren Kunden, wenn Schäden anfallen, und wir unterstützen sie dabei, Schadenfälle über Prävention zu vermeiden. Aber man muss auch unterscheiden: Wir können Einzelfälle versichern, bei denen ein Unternehmen gezielt angegriffen wird. Aber wir können keine flächendeckenden Cyberattacken abdecken, die das ganze Land betreffen. Denn dann funktioniert die Solidarität zwischen den Versicherten nicht mehr.

Die Pandemie war auch so ein flächendeckendes Ereignis, bei dem wir lernen mussten, dass Sie als Versicherer das nicht abdecken können. Plötzlich sprachen alle von einer Pandemieversicherung zusammen mit dem Bund. Doch davon hat man seither nichts mehr gehört.
Das Geschäft liegt beim Versicherungsverband SVV, der noch immer zusammen mit dem Bund eine Lösung sucht. Die Strommangellage war ja ein ähnliches Thema. Das sind Dinge, die die Privatindustrie nicht alleine versichern kann. Deshalb wollen wir das gerne zusammen mit dem Staat angehen.

Aber bezüglich Pandemieversicherung gilt: Pandemie vorbei, Thema erledigt?
Nein, nein! Der Versicherungsverband hat vorgeschlagen, nicht einfach eine Lösung für Pandemierisiken zu bauen, sondern eine für alle Toprisiken. Die Idee ist, die Schweiz generell resilienter zu machen gegenüber Grossrisiken. Bis jetzt ist das allerdings noch nicht gelungen.

Warum ist das so? Gefahr vorbei, Dringlichkeit vorbei?
Nein, aber für so etwas braucht man eine flächendeckende Finanzierung und damit ein Obligatorium. Das ist immer schwer.

Ist das Problem bei Grossrisiken nicht, dass man davon ausgeht, dass der Staat im Krisenfall sowieso irgendwie bezahlt?
Nein, das denke ich nicht.

Aber die Pandemie hat ja bewiesen, dass es so ist.
Ja, und ich sage: Das ist schade, denn es gibt bessere Wege. Bei einer Versicherungslösung kann man sich auch im Ausland rückversichern und so das Risiko breiter streuen. Und das wäre aus meiner Sicht besser für die Schweiz.

Wir haben jetzt darüber gesprochen, was man versichern kann. Gibt es auch Dinge, die man aus ethischen Gründen nicht versichern sollte?
Ransomware bei Cyberattacken ist so ein Thema. Wir zahlen keine Erpressungs- oder Schutzgelder, denn das wäre grundsätzlich unethisch. Technisch wäre es kein Problem, so etwas in eine Deckung einzubauen.

Sie bezahlen mir auch ein neues Handy, wenn dieses zu Bruch geht. Mal ehrlich: Treten da nicht immer dann viele Schadenfälle auf, wenn gerade ein neues iPhone rausgekommen ist?
Als Aktuarin antworte ich Ihnen: Die Versicherung funktioniert. Wenn wir den Eindruck hätten, dass das zu sehr ausgenützt würde, würden wir die Deckung nicht anbieten oder gegen den Missbrauch vorgehen.

Zunehmend schwierig scheint auch das Geschäft mit den Pensionskassen. Da ist im Sommer eine weitere Reform gescheitert, die die Branche gefordert hat. Lässt sich das noch retten?
Da wurde im Vorfeld viel über den Umwandlungssatz gesprochen, den man hätte senken wollen, aber das ist für mich gar nicht das grosse Problem. Mich beschäftigt stärker, dass es nicht gelang, Teilzeitangestellte und Menschen mit tiefen Löhnen besser in das Pensionskassensystem einzubinden.

Was ist die Folge dieses Neins? Man hat oft gehört, dass der Druck zunimmt, freiwillig mehr überobligatorisch zu versichern.
Man darf nicht vergessen, dass nur 15 Prozent der Versicherten von dieser Problematik betroffen sind, weil alle anderen schon überobligatorisch versichert sind.

Und was passiert mit diesen 15 Prozent?
Die bleiben, wo sie sind. Die 15 Prozent mit den Minimalleistungen werden auch in Zukunft solidarisch von den anderen mitfinanziert. Denn an den technischen Realitäten lässt sich nichts ändern, nur weil die Politik findet, dass da kein Problem bestehe. Wir leben nun mal länger, auch wenn das grundsätzlich etwas Gutes ist. Und auch dass die Zinsen deutlich tiefer sind als beim Start des BVGs angenommen, ist ein Fakt.

Die Mobiliar bietet keine Versicherungen mit vollen Garantien an. Und andere Versicherer ziehen sich aus diesem Vollversicherungsgeschäft zurück, weil die Renditen zu wenig hoch sind. Sie als Genossenschaft mit viel Eigenkapital könnten da doch sagen: Wir springen in die Bresche und bieten das neu an.
Nein. Auch wir als Genossenschaft müssen ökonomisch profitabel sein. Uns gibt es seit bald 200 Jahren. Wir wollen auch die nächsten 200 Jahre überleben.

Noch nicht einmal Sie sind wahnsinnig genug, neu in die Vollversicherung einzusteigen?
Nein, sicher nicht.

Sie haben gerade den Finanzchef der Lebensversicherung Pax abgeworben. Auch diese ist eine Genossenschaft. Würden die zwei Firmen nicht ganz gut zusammenpassen?
Nein, das ist kein Thema. Pax ist aber in der beruflichen Vorsorge schon heute ein Partner von uns.

Der Bund will die Steuern auf Kapitalauszahlungen aus Pensionskassen und der 3. Säule erhöhen, was gerade viele verunsichert.
Ich verstehe nicht, warum der Bund die Steuern auf Kapitalbezügen erhöhen will. Wir brauchen in der Schweiz mehr Vorsorge, nicht weniger. Und dafür braucht es eine Form von Anreiz, und die Steuervorteile bieten diesen Anreiz. 

Wäre die Säule 3a tot, wenn das käme?
Ich weiss es nicht. Aber ich gehe davon aus, dass da noch viel darüber geredet wird, bevor so etwas allenfalls kommt. Unser Staat ist nur so lange stark, wie er berechenbar bleibt. Und ich würde es begrüssen, wenn das für unser Drei-Säulen-System auch weiterhin gilt.

Die Mobiliar ist nicht nur einer der grössten Versicherer in der Schweiz, sie wächst auch stark. Im ersten Halbjahr 2024 legten ihre Prämien um fast 6 Prozent zu. Die Gewinnentwicklung sieht allerdings weniger rosig aus.
Als Genossenschaft wollen wir nicht primär den Gewinn maximieren, sondern optimieren. Wir wollen langfristig ein gesundes Ergebnis erzielen und nachhaltig wachsen. Bei uns schwankt in erster Linie das Finanzergebnis, denn wir sind stark in Aktien investiert.

Da sind Sie etwas aggressiver als Ihre Konkurrenten, weil Sie es sich – dank viel Eigenkapital – leisten können.
Genau. Das heisst aber auch, dass unser Ergebnis stärker schwankt und sich nicht so konstant entwickelt wie die Prämieneinnahmen.

Anders als Ihre Konkurrenten ist die Mobiliar nur in der Schweiz tätig. Stand das je zur Diskussion? Sie hätten genug Kraft für eine Expansion.
Wir haben uns diese Frage im letzten Strategie-Review auch gestellt und kamen klar zum Schluss: Unser Fokus ist und bleibt die Schweiz.

So ganz ziehen Sie das nicht durch. Mit Companjon haben Sie eine Tochter in Irland mit Ablegern in Deutschland und Litauen. Wie passt das rein?
Auch das ist Versicherung.

Es wäre auch Versicherung, wenn Sie morgen ins US-Automobilversicherungsgeschäft einsteigen würden.
Nein, das machen wir nicht! Companjon betreibt ein end-to-end-digitalisiertes Geschäft für Unternehmenskunden, die Versicherungen in ihre Dienstleistungen für Kunden einbauen wollen, sogenannte Embedded-Versicherungslösungen.

Etwas Ähnliches hat die Swiss Re mit IptiQ gerade abgestossen. Haben Sie das Problem, dass Sie als Marktführer im Heimmarkt irgendwann schlicht nicht mehr wachsen können?
Wir wachsen immer noch in praktisch all unseren Geschäftsfeldern. Und da gibt es auch Raum für neue Angebote wie die Wetterversicherung gegen Ernteausfälle für die Landwirtschaft, die wir neu im Programm haben. Gerade mit dem Klimawandel wird das ein immer grösseres Thema. Und dann wachsen wir auch mit der bereits erwähnten Cyberversicherung.

Auch die Krankenversicherung ist ein wachsender Markt. Ein Thema für Sie?
Nein. Wir haben erfolgreiche Vertriebskooperationen und werden nicht selber in dieses Geschäft einsteigen.

Die Mobiliar hat das vermutlich grösste Aufsichtsgremium der Schweiz mit 25 Mitgliedern und zwei zusätzlichen Ehrenpräsidenten. Ist das noch zeitgemäss? Das ist ja eher ein Netzwerk- als ein Kontrollgremium.
Das ist der Verwaltungsrat unserer Genossenschaft, der von unseren 150 Delegierten gewählt wird. In der operativen Holding, die das Versicherungsgeschäft verantwortet, sind wir mit neun Mitgliedern deutlich schlanker aufgestellt.

Wenn wir es schon von der Corporate Governance haben. Verdienen Sie eigentlich mehr oder weniger als Ihr Vorgänger Markus Hongler?
Das möchte ich nicht kommentieren.

Sie sind die erste Person an der Spitze der Mobiliar, deren Lohn überhaupt offengelegt wird; zuletzt rund 1,5 Millionen Franken. War das Ihr Entscheid, oder hat man Sie nur unter der Bedingung befördert, dass hier Transparenz geschaffen wird?
In meinen ersten beiden Jahren als CEO wurde die Summe noch nicht publiziert. Der Verwaltungsrat hat aus Transparenzgründen entschieden, diesen Schritt nun zu gehen.

Damals sass Rodoni noch als Vorsorge-Chefin neben CEO Markus Hongler: Medienkonferenz der Mobiliar von 2015.
Foto: Keystone

Sie waren – mit einer kleinen Ausnahme – während der ganzen Karriere in der Assekuranz tätig. Hatten Sie nie Lust auf etwas anderes?
Ich war mal kurz bei der Bank Lombard Odier. Das war ein Versuch, mal etwas anderes zu sehen.

Und hat Ihnen das nicht gefallen? Nach gut einem Jahr waren Sie wieder weg.
Das war im Jahr 2007, da war es auch etwas turbulent. Ich fühle mich wohl in der Versicherungsindustrie, das ist meine Welt. In den 35 Jahren gab es ja auch massive Veränderungen.

Was hat sich verändert, seit Sie 1991 bei der La Suisse gestartet sind?
Ich war Aktuarin. Damals arbeiteten wir noch mit einem grossen Buch mit allen Tarifsätzen, die wir dann so für unsere Kunden anwendeten. Und alle Versicherer hatten das gleiche Buch mit den gleichen Tarifsätzen.

Das tönt nach einer langweiligen Arbeit.
So kann man es sagen (lacht).

Sogar das Rechnen war damals an den Verband ausgelagert?
Ja, und ich sass beim Verband in der Statistikkommission, die die Tarife berechnet hat. Unsere Reserven berechneten wir noch mit der Rechenmaschine.

Was hat sich stärker verändert in den 35 Jahren: die Technologie oder die Mentalität? Damals war die Branche ja noch ein einziges, grosses Kartell.
Das kann ich so nicht sagen. Beides hat sich stark verändert.

Sie sind nun seit bald vier Jahren an der Spitze der Mobiliar. Darf man da schon ein Fazit ziehen?
Das Wichtigste ist vielleicht, dass in diesen Jahren das Wachstum der Mobiliar weiterging. Das tönt so banal, ist es aber nicht. Es ist leichter, in einer schwierigen Situation CEO zu werden als eine gut laufende Maschine zu übernehmen und sie noch besser zu machen.

Da kann man es fast nur falsch machen.
Ja. Stellen Sie sich vor: Zwanzig Jahre Erfolg und dann kommen Sie und das Geschäft bricht ein. Aber wir haben einen klaren Plan für die nächsten Jahre, eine Strategie mit Fokus auf das Kerngeschäft. Und wir haben eine Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen und umgesetzt.

Mobiliar-Chefin Michèle Rodoni
Foto: PD/Mobiliar

Nachhaltigkeit ist ein grosses Wort, aber oft auch eine Hülse.
Uns geht es vor allem um Prävention und Resilienz, denn das ist etwas, von dem wir als Versicherer auch direkt betroffen sind. Seit rund zwanzig Jahren investiert die Mobiliar in Prävention.

Da steckt ja auch Eigennutz mit drin. Wenn Sie eine Hochwasser-Schutzmauer verstärken, haben Sie danach weniger Schäden. Wie sehr lässt sich da Sponsoring und Wirtschaftlichkeit trennen?
Das ist kein Sponsoring. Diese Massnahmen kommen der Allgemeinheit zugute und werden nicht über die Versicherungsgesellschaft, sondern aus den Reserven der Genossenschaft finanziert.

Das entscheidet nicht das kleine Gremium, sondern das mit den 25 Personen.
Genau! Sie haben es verstanden.

Sie sind die einzige Frau an der Spitze eines klassischen Schweizer Versicherers. Mögen Sie noch über das Geschlechterthema reden oder sollte man das eigentlich nicht mehr müssen?
Ja, neben mir gibt es derzeit nur noch Philomena Colatrella bei der Krankenkasse CSS. Das genügt nicht. Ich hoffe, dass bald noch deutlich mehr Frauen den Weg an die Spitze finden.

Das ist auch ein Branchenthema. In der Assekuranz hat es noch weniger Managerinnen als in anderen Teilen der Wirtschaft.
Wir arbeiten daran. Wir haben gezielte Massnahmen umgesetzt und können den Frauenanteil langsam steigern. Aber es geht ja nicht nur um den Frauenanteil, sondern um Diversität in einem weiteren Sinn. Ich bin Fan von kollektiver Intelligenz, und die ist am grössten, wenn man unterschiedliche Denkweisen zusammenbringt. Da kommt man auf ganz andere Lösungen. Daher machen möglichst gemischte Teams auch ökonomisch Sinn.

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