Verteilkampf im Bundesrat
Wie hinter den Kulissen um das Sparpaket gefeilscht wurde

Das Sparpaket des Bundes hat heftige Reaktionen ausgelöst. Hinter den Kulissen wurde gefeilscht, wie interne Dokumente zeigen. Brisant: Selbst das Departement von FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter wollte die Steuervorteile der zweiten und dritten Säule abschaffen.
Publiziert: 14.11.2024 um 12:06 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2024 um 13:41 Uhr
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Der Bund muss Löcher im Bundeshaushalt stopfen. Kürzlich hat der Bundesrat ein Sparpaket präsentiert.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Das Sparpaket gab hinter den Kulissen viel zu reden
  • Elisabeth Baume-Schneider blockte Verzicht auf Überbrückungs-Leistung ab
  • Die heftigen Kämpfe stehen erst noch an
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Céline ZahnoRedaktorin Politik

Finanzministerin Karin Keller-Sutter (60) lässt den Sparhammer niedersausen. Es geht um über vier Milliarden Franken. Eine Expertengruppe hatte 60 Massnahmen vorgeschlagen, um das Loch im Bundeshaushalt zu stopfen. Und die meisten davon hat der Bundesrat übernommen.

Damit bringt Keller-Sutter ihre Bundesrats-Gspänli in die Bredouille. Gespart wird nämlich in fast allen Bereichen – das wird Opfersymmetrie genannt. Hinter den Kulissen haben die Bundesräte entsprechend um die Pläne gefeilscht. Das zeigen verwaltungsinterne Dokumente, die Blick gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz vorliegen. Blick dokumentiert vier Beispiele.

Kapitalbezüge der zweiten und dritten Säule

Ein Thema liess die öffentlichen Emotionen besonders hochkochen. Der Bundesrat schlägt vor, die Steuern auf Kapitalbezüge aus der zweiten und der dritten Säule zu erhöhen. Heute wird dieses Kapital weniger stark besteuert als zum Beispiel der Bezug der Altersrente. Die Expertenkommission wies darauf hin, dass dem Staat so jährlich 200 Millionen Franken entgehen.

Die FDP lief Sturm und reichte sogar eine Petition dagegen ein – und damit auch gegen die eigene Bundesrätin. Diese lässt ihre Partei allerdings im Regen stehen. Ihr Departement beantragte sogar explizit, diese Anpassungen weiterzuverfolgen: Die Vergünstigungen seien «nur schwer begründbar» und «sozialpolitisch potenziell schädlich», wurde angemerkt. Weder FDP-Kollege Ignazio Cassis (63) noch ein anderes Bundesratsmitglied stellte sich gegen die höhere Besteuerung.

Überbrückungsleistungen

Die Finanzverwaltung im Departement von Keller-Sutter wollte die Überbrückungsrente für ältere Arbeitslose streichen. Diese Leistung wurde vor vier Jahren im Eiltempo durchs Parlament gepaukt, um der Begrenzungsinitiative der SVP den Wind aus den Segeln zu nehmen. Wirtschaftliche Ängste sollten die Leute nicht dazu treiben, an der Urne die Personenfreizügigkeit zu kündigen.

Dass diese Leistungen nun wieder fallen sollten, hielt Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider (60) aber für keine gute Idee. Und zwar aus Angst, dass dies den Gegnern der nächsten SVP-Initiative um die Ohren fliegen könnte. «Der Verzicht auf dieses Instrument sollte angesichts des relativ tiefen Einsparungspotenzials bei gleichzeitig hoher symbolischer Wirkung – auch in Hinblick auf die anstehende Abstimmung zur 10-Millionen-Schweiz – nochmals überprüft werden», merkt das Innendepartement an. Das hat überzeugt: Der Bundesrat strich die Massnahme aus dem Sparpaket.

Grundstücksteuer und Tabaksteuer

Die Linken bezeichneten den Sparplan als «Frontalangriff auf die soziale Schweiz»: Statt nur zu sparen, solle man auch bei den Einnahmen ansetzen.

Im Bundesrat hatte dieses Anliegen allerdings keine Chance. Die SP-Bundesräte Baume-Schneider und Beat Jans (60) wollten die Einführung einer Grundstückgewinnsteuer auf Bundesebene weiterverfolgen. Wer beim Verkauf einer Liegenschaft Gewinn erzielt, sollte darauf eine Steuer zahlen. Die Finanzministerin schmetterte diese Vorschläge ab: Schliesslich würde man hier in Konkurrenz mit den Kantonen treten, die schon heute eine solche Steuer erheben.

Ohne Aussicht auf Erfolg brachte Baume-Schneider einen eigenen Vorschlag zu Mehreinnahmen ins Feld: Die Tabaksteuer solle deutlich erhöht werden. Auch dieser Vorschlag lief ins Leere.

Wohnbauförderung

Auf Vorschlag der Expertenkommission sollten auch die Gelder für die Förderung von bezahlbarem Wohnraum gestrichen werden. Bis 2027 hätte der Bund damit 26 Millionen Franken gespart. Wirtschaftsminister Guy Parmelin (65) und Justizminister Jans wiesen darauf hin, dass man damit einen kürzlich getroffenen Volksentscheid missachten würde.

Nachdem die Wohnraum-Initiative 2020 vom Schweizer Stimmvolk abgelehnt wurde, trat ein indirekter Gegenvorschlag in Kraft. Der Bundesrat muss deswegen den Bau von gemeinnützigen Wohnungen unterstützen. Dieser Kredit wäre mit der Massnahme gekappt worden.

Die heftigen Kämpfe stehen noch aus

Auch dort, wo sich Parteien und Verbände teils heftig gewehrt haben, liessen die Bundesräte viele Sparvorschläge durchgehen. Die SP-Bundesräte haben sich etwa nicht für die Kitas starkgemacht, ebenso wenig hat Landwirtschaftsminister Parmelin die Bauern in Schutz genommen. Stattdessen beliessen es die Departemente in der Konsultation vielerorts bei vorläufigen Anmerkungen.

Nicht ohne Grund: Die grossen Verteilkämpfe stehen noch an. Härter wird die Auseinandersetzung erst, wenn es um die Vernehmlassungsvorlage und danach um die definitiven Sparvorschläge geht. Und wirklich ans Eingemachte geht es, wenn das Sparpaket schliesslich ins Parlament kommt. Dieses zeigte bisher weniger Lust zum Sparen als die Landesregierung.

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