Gefährliche «Party-Falle»
Diese Politikerinnen sagen K.-o.-Tropfen-Tätern den Kampf an

Sie sind geruch- und geschmacklos, doch ihre Wirkung ist fatal: K.-o.-Tropfen machen Menschen wehrlos. Opferhilfen melden mehr Fälle. Politikerinnen warnen vor den «gravierenden Folgen des Missbrauchs» – und fordern Taten.
Publiziert: 00:01 Uhr
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Aktualisiert: vor 21 Minuten
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Erst vergangenes Wochenende soll es in einem Zürcher Club mutmasslich zu einem Vorfall mit K.-o.-Tropfen gekommen sein. (Symbolbild)
Foto: Shutterstock

Darum gehts

  • K.-o.-Tropfen-Vorfälle alarmieren Politikerinnen
  • Kantone sollen Situation genauer untersuchen
  • Basel-Stadt erkennt Problem an, plant Massnahmen für den ESC 2025
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Deborah BischofRedaktorin Politik

An einer Silvesterparty in einem Basler Szenelokal kam es zu Vorfällen mit K.-o.-Tropfen. Kurz darauf wurden in Süddeutschland nach Fasnachtsbällen mehrere Personen mit Übelkeit, Schwindel und fehlendem Erinnerungsvermögen ins Spital eingeliefert. Dazu kommen Berichte, wie jener von «Jung, wild & sexy»-Darstellerin Isabelle H. (19), die mitten im Club umkippte. Ein ähnlicher Vorfall soll sich mutmasslich vergangenes Wochenende in einem Zürcher Klub abgespielt haben. Der Verdacht: K.-o.-Tropfen im Getränk.

Politikerinnen sind alarmiert. Sie verweisen auf haarsträubende internationale Fälle wie den des verurteilten Dominique Pelicot (72), der seine Ehefrau Gisèle (72) jahrelang mit Medikamenten betäubte und von mehr als 50 Männern vergewaltigen liess. Oder den Fall eines französischen Chirurgen (74), der zugab, fast 300 minderjährige Patienten während medizinischer Eingriffe betäubt und sexuell missbraucht zu haben.

Jetzt müsse der Staat bei diesem Thema genauer hinschauen und handeln, fordern die Politikerinnen. «Diese Fälle verdeutlichen die gravierenden Folgen des Missbrauchs von psychoaktiven Substanzen zur chemischen Unterwerfung», sagt die Zürcher SP-Kantonsrätin Mandy Abou Shoak (36). Zusammen mit anderen SP-Parlamentarierinnen entstanden Vorstösse, die nun in drei Kantonen vorliegen. Abou Shoak reichte einen in Zürich ein, Jessica Brandenburger (32) in Basel-Stadt und Lelia Hunziker (52) im Kanton Aargau.

Situation im Dunkeln

«Wir wollen mehr über die Situation in den Kantonen erfahren, damit daraus Massnahmen für potenzielle Opfer abgeleitet werden können», sagt Abou Shoak. Denn über die Situation ist derzeit fast nichts bekannt, da offizielle Statistiken fehlen.

So schützt du dich
  • Lass dein Glas oder deine Flasche nie unbeobachtet
  • Achte auch auf die Gläser von Freundinnen und Freunden
  • Nimm die Getränke immer selbst von der Theke
  • Wenn ihr zusammen gekommen seid, geht auch wieder zusammen nach Hause
  • Verlasse einen Ort, wenn du dich nicht sicher fühlst
  • Wenn dir in der Bar oder im Club plötzlich übel, schwindelig oder dämmerig wird, wende dich an das Personal oder deine Freunde, wähle den Notruf (144) oder die Polizei (117)
  • Wenn du das Gefühl hast, du wurdest Opfer von K.-o.-Tropfen ist es sinnvoll, Urin in einem sauberen Glas kühl aufzubewahren und schnell untersuchen zu lassen, da die Tropfen nur bis maximal 12 Stunden nach Einnahme nachweisbar sind
  • Lass dein Glas oder deine Flasche nie unbeobachtet
  • Achte auch auf die Gläser von Freundinnen und Freunden
  • Nimm die Getränke immer selbst von der Theke
  • Wenn ihr zusammen gekommen seid, geht auch wieder zusammen nach Hause
  • Verlasse einen Ort, wenn du dich nicht sicher fühlst
  • Wenn dir in der Bar oder im Club plötzlich übel, schwindelig oder dämmerig wird, wende dich an das Personal oder deine Freunde, wähle den Notruf (144) oder die Polizei (117)
  • Wenn du das Gefühl hast, du wurdest Opfer von K.-o.-Tropfen ist es sinnvoll, Urin in einem sauberen Glas kühl aufzubewahren und schnell untersuchen zu lassen, da die Tropfen nur bis maximal 12 Stunden nach Einnahme nachweisbar sind

Kürzlich warnte die Opferhilfe beider Basel auf ihrer Website, dass immer mehr Fälle bekannt würden, in denen K.-o.-Tropfen «gezielt eingesetzt werden, um jemanden willenlos zu machen und in diesem Zustand zu vergewaltigen». Auch die Opferhilfe Zürich vermutet eine Zunahme der Fälle, wie Stiftungspräsident Christoph Erdös gegenüber Blick sagt.

Jährlich gehe man im Kanton Zürich von mehreren Dutzend Fällen aus, so die Opferhilfe weiter. In St. Gallen sind es eine Handvoll bis ein Dutzend, wie es bei der Kantonspolizei heisst. Auch in Bern und Aargau sind Fälle bekannt, wobei man eher von Einzelfällen ausgehe.

Nur wenige Stunden nachweisbar

Die Opfer seien nach den Vorfällen häufig traumatisiert, sagt Erdös von der Opferhilfe Zürich. «Sie spüren und wissen, dass etwas gegen ihren Willen an ihrem Körper und dessen Integrität passiert ist, erfahren aber oft nie, was genau.» Dazu komme: Die Substanz könne meist nicht rechtsgenügend nachgewiesen werden, und die Strafverfahren würden deshalb oft eingestellt, obwohl die Täter bekannt wären.

Warum das so ist, weiss Professor Wolfgang Weinmann. Er ist forensischer Toxikologe am Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern. «Das Problem ist, dass es für K.-o.-Tropfen keine Schnelltests gibt, wie zum Beispiel ein Covid- oder Schwangerschaftstest», sagt er. Es müsse deshalb immer ein toxikologisches Labor beigezogen werden.

K.-o.-Tropfen sind im Grunde «flüssiges Ecstasy», das oft auf Gamma-Hydroxybuttersäure basiert, kurz GHB. «Diese ist nach der Aufnahme nur etwa sechs Stunden im Blut nachweisbar und zehn bis zwölf Stunden im Urin», so Weinmann. Viele Opfer würden aber erst nach über 24 Stunden zur Polizei oder ins Spital gehen, wenn die Substanz kaum mehr nachweisbar sei.

Weinmann rät trotzdem, auch nach längerer Zeit noch Urin- und Blutanalysen durchzuführen. «Es ist nicht ausgeschlossen, dass man auch später noch Rückstände oder Abbauprodukte findet.» Flüssiges Ecstasy sei zudem nicht die einzige Substanz, die als K.-o.-Mittel eingesetzt werden könne. Viele andere sedierende Substanzen seien deutlich länger nachweisbar.

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Basel-Stadt anerkennt das Problem

Nun sind die Kantone gefragt. Eine Antwort liegt bereits von Basel-Stadt vor. «Die chemische Unterwerfung ist ein ernstzunehmendes Phänomen», räumt der Kanton zwar ein. Bisherige Massnahmen würden jedoch eine solide Grundlage bilden. So setzt der Kanton unter anderem auf Opferberatungen, Forensic Nurses zur Spurensicherung sowie Präventionskampagnen. Am Eurovision Song Contest 2025 werde zudem erstmals ein umfassendes Gewaltschutzkonzept mit Awareness Teams, Safer Spaces und einer Hotline getestet.

Dennoch werde laufend geprüft, welche weiteren Massnahmen notwendig seien, etwa bei der Stärkung der Beweisführung, der Schulung von Fachkräften und den Präventionsstrategien, so der Kanton Basel-Stadt. Noch ausstehend sind die Antworten aus Zürich und Aargau.

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