Perfides Netzwerk aufgedeckt – bewusstlose Frauen als Trophäe
«Es ist keine Vergewaltigung, wenn sie nichts davon weiss»

Auf Telegram tauschen Hunderte Nutzer verstörende Inhalte aus. Auch zum Thema Vergewaltigung. Das Recherchekollektiv Strg_f infiltrierte das Missbrauchsnetzwerk und deckte erschreckende Details auf.
Publiziert: 18.12.2024 um 18:12 Uhr
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Aktualisiert: 21.12.2024 um 15:51 Uhr
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In Dutzenden Chatgruppen teilen Telegram-Nutzer Fotos und Videos von betäubten Frauen und verherrlichen Vergewaltigung und Missbrauch.
Foto: Strg_f

Auf einen Blick

  • Hunderte Nutzer tauschen Missbrauchsinhalte in Chats aus
  • K.o.-Tropfen als Haarserum getarnt, enthalten gefährliche Substanzen wie Tiernarkosemittel
  • Besitz von Aufnahmen sexueller Übergriffe an Bewusstlosen nicht explizit verboten
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Christina BenzRedaktorin News

Ein Vergewaltigungsnetzwerk auf Telegram sorgt für Entsetzen. In Dutzenden Chatgruppen tauschen sich Mitglieder darüber aus, wie sie Frauen missbrauchen oder vergewaltigen. Sie teilen verstörende Fotos und Videos oder geben einander Tipps.

Im Sommer 2023 begann das Recherchekollektiv Strg_f, das Netzwerk zu infiltrieren – über einen unscheinbaren Telegram-Link. Schnell wurde klar, dass es sich um ein weit verzweigtes Netzwerk handelt, in dem Hunderte Nutzer aktiv sind.

Ex-Mann bot Ehefrau zum Sex an

In den Gruppen herrscht eine Atmosphäre der Verherrlichung sexualisierter Gewalt. Nutzer berichten stolz, wie sie Frauen aus ihrem direkten Umfeld – sei es die Partnerin, Mutter oder Schwester – betäuben und missbrauchen.

Einige Übergriffe scheinen sogar in Echtzeit stattzufinden. Auf ein Foto, das eine bewusstlose Frau zeigt, der weisse Flüssigkeit aus dem Mund fliesst, reagieren Nutzer mit Herz- und Flammen-Emojis. Einer schreibt: «Grossartige Arbeit!!!» Unter einem weiteren Foto schreibt der Absender zynisch: «Es ist keine Vergewaltigung, wenn sie nicht weiss, dass es passiert ist.»

Der Fall erinnert an den Vergewaltigungsprozess von Avignon in Frankreich: Rund 50 Männer lernten sich in einem Online-Chatroom kennen und vergewaltigten die bewusstlose Gisèle P.* (72) über Jahre – organisiert von ihrem Ex-Ehemann Dominique P.* (71).

K.-o.-Tropfen getarnt als Haarpflege

«Sie ist jetzt sturzbesoffen und auf ein paar Schlafmedis. Ich sollte hoffentlich bald ein bisschen Spass haben», schreibt ein weiterer Mann. Doch nicht nur Schlafmedikamente werden für die Betäubung der Frauen benutzt. Die Nutzer teilen Links zu ihren Lieblingsbetäubungsmitteln und schildern ihre Erfahrungen mit den Produkten. Strg_f bestellte ein als Haarserum getarntes K.-o.-Mittel und liess es von Volker Auwärter, einem Toxikologe vom Universitätsklinikum Freiburg (D), untersuchen.

Gleich mehrere hochgefährliche Substanzen wurden nachgewiesen:

  • Medetomidin, ein Tiernarkosemittel
  • Flualprazolam, ein Designer-Benzodiazepin
  • Scopolamin, ein Medikament gegen Erbrechen

«Das ist ein neues Level», erklärte Auwärter, «man muss wahrscheinlich auch die Analytik noch mal neu nachrüsten.» Besonders besorgniserregend für den Toxikologen: Als Haarserum getarnt, könnte das Mittel sogar bei einer Hausdurchsuchung unentdeckt bleiben.

Telegram hat eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Missbrauch

Die Recherche zeigt auch, dass selbst gelöschte Gruppen nicht das Ende des Netzwerkes bedeuten. Neue Einladungslinks und immer wieder neu gegründete Gruppen halten das System am Leben.

Das deutsche Bundeskriminalamt versichert Strg_f, dass Hinweise auf kriminelle Gruppierungen aktiv verfolgt werden – sowohl im Internet als auch in der analogen Welt. Es bestehe zudem die Möglichkeit, die entsprechenden Gruppen der Plattform zu melden. Telegram teilte auf Anfrage des Kollektivs mit: «Telegram verfolgt eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Missbrauch seiner Plattform. Alle Nutzer, die dabei erwischt werden, werden sofort gesperrt.»

«Die gesetzlichen Regelungen reichen einfach nicht»

In Deutschland sind sexuelle Übergriffe an bewusstlosen Personen strafbar. Allerdings ist der Besitz von Aufnahmen solcher Verbrechen bisher nicht explizit verboten, was Kritik hervorruft. Als «ziemlich entsetzlich» bewertet Anja Schmidt vom deutschen Juristinnenbund die Situation gegenüber Strg_f. «Es ist ein Hinweis darauf, dass die Regelungen, die wir jetzt haben, einfach nicht reichen.»

So ist die rechtliche Lage in der Schweiz

Auch in der Schweiz ist der sexuelle Missbrauch an bewusstlosen Personen geregelt. Artikel 191 des Strafgesetzbuches sieht hierfür eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren vor. Doch auch hierzulande gibt es eine rechtliche Lücke beim Besitz solcher Aufnahmen – zumindest teilweise.

Seit dem 1. Juli ist laut Artikel 197 der Besitz von Bildern-, Ton- oder Videoaufnahmen von Unter-16-Jahren verboten und kann mit einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Es gibt jedoch Ausnahmen, beispielsweise bei einem geringen Altersunterschied und dem Einverständnis der minderjährigen Person. Die unbefugte Verbreitung ist bei Jugendlichen und Erwachsenen illegal.

Auch in der Schweiz ist der sexuelle Missbrauch an bewusstlosen Personen geregelt. Artikel 191 des Strafgesetzbuches sieht hierfür eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren vor. Doch auch hierzulande gibt es eine rechtliche Lücke beim Besitz solcher Aufnahmen – zumindest teilweise.

Seit dem 1. Juli ist laut Artikel 197 der Besitz von Bildern-, Ton- oder Videoaufnahmen von Unter-16-Jahren verboten und kann mit einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Es gibt jedoch Ausnahmen, beispielsweise bei einem geringen Altersunterschied und dem Einverständnis der minderjährigen Person. Die unbefugte Verbreitung ist bei Jugendlichen und Erwachsenen illegal.

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