Maja Riniker (44) war mit ihrem Mann und der jüngsten Tochter in den Skiferien, als die mediale Welle sie überrollte: «Nebelspalter», «NZZ am Sonntag», «Aargauer Zeitung», das Fernsehen – auf einmal berichteten alle über den Antrag, den die FDP-Nationalrätin vergangene Woche in die Sicherheitskommission eingebracht hatte.
Rinikers Vorschlag: Die Schweiz soll einen Teil ihrer eingemotteten Leopard-Panzer ins Ausland abgeben. Dadurch könnten Staaten wie Polen ihre Bestände auffüllen, nachdem sie die Ukraine mit ihren eigenen Panzern versorgt hätten.
Mit ihrem Antrag stiess die Aargauerin, die bis dahin eher unauffällig politisierte, in ein Wespennest. Die Offiziersgesellschaft der Panzertruppen rief aus: Die Schweiz dürfe die Panzer auf keinen Fall weggeben! Schon heute fehle es an Panzern für den Ernstfall. Pazifistische Kreise wiederum unterstellten Riniker Kriegstreiberei. Von beiden Seiten hagelte es Mails, teilweise bösartig und unterhalb der Gürtellinie.
Für Riniker keine angenehme Erfahrung. Umso mehr, als es wohl eines ihrer Kommissionsgspänli war, welches das Thema an die Öffentlichkeit trug – ihr Antrag unterstand dem Kommissionsgeheimnis.
Das Thema ist emotional geladen
Wie geht sie damit um, plötzlich im Scheinwerferlicht zu stehen? Riniker lacht die Frage weg. «Ich ging weiterhin jeden Tag Ski fahren», sagt sie bei einem Treffen am Freitag. Und ergänzt: «Ich habe auch viel Zuspruch erfahren.» Dennoch lassen sie die heftigen, teils sexistischen Mails nicht unberührt. «Es zeigt, dass das Thema sehr emotional ist.» Dabei wäre es nicht das erste Mal, dass die Schweiz ausgemustertes Kriegsmaterial an befreundete Staaten abgeben würde, betont die FDP-Politikerin.
Für die Armee interessierte sich Riniker schon früh. Ihren Vater, Kommandant eines Panzerbataillons, sah sie oft in Uniform nach Hause kommen. Als junge Frau überlegte sie sich, die Rekrutenschule zu absolvieren. Und während manche Politiker den Einsitz in der Sicherheitspolitischen Kommission als Strafaufgabe sehen, meldete sich die Aargauerin nach ihrer Wahl im Jahr 2019 freiwillig dafür.
«Ich setze mich dafür ein, dass wir in einem sicheren Land leben können», begründet Riniker ihr Engagement. Dass ihr Vorschlag, Panzer ins Ausland zu liefern, auch innerhalb der Partei auf Skepsis stösst, ficht sie nicht an. «Bei kritischen Fragen braucht es immer jemanden, der sich vorwagt», sagte sie der «NZZ».
«Sie will ihre Aufgabe gut machen»
Doch wer ist die Person hinter der Politikerin? Hört man sich im Parlament um, so gleichen sich die Beschreibungen fast aufs Wort: eine «seriöse Schafferin» sei sie; «angenehm», «verlässlich», «kompromissbereit». Riniker, so viel wird klar, nimmt die Politik ernst – und will ihre Sache gut machen. Böse Worte, und das ist vielleicht das Aussergewöhnlichste, sind über Riniker praktisch keine zu hören. Im Gegenteil. «Eine wie sie tut jeder Partei gut», meint eine Parlamentarierin: Personen, denen es mehr um die Sache als um die eigene Profilierung gehe.
Nicht, dass Riniker nicht ehrgeizig wäre. So hat sie sich, nach erst drei Jahren im Parlament, bereits um das Amt der zweiten Nationalratspräsidentin beworben – und war damit erfolgreich. Sollte sie dieses Jahr wiedergewählt werden, wird sie 2025 als Nationalratspräsidentin die Sitzungen leiten.
Einen ersten Vorgeschmack auf ihre neue Aufgabe hat Riniker in der vergangenen Wintersession erhalten. Bereits in der ersten Woche ermunterte sie der aktuelle Nationalratspräsident Martin Candinas (42), eine Ratsdebatte zu leiten. «Da meinte sie, dass es dafür noch ein bisschen früh sei», erinnert sich Candinas. In der zweiten Woche übernahm Riniker testweise das Podium. Und in der dritten Woche schliesslich leitete sie ihre erste Debatte: jene zur AHV-Initiative.
Die Anekdote zeigt vielleicht am besten, wie Riniker funktioniert. «Sie will gut sein und ihre Aufgabe gut machen», sagt Candinas. Und sie will, natürlich, auch politisch erfolgreich sein.
Die Sicherheitskommission hat ihren Antrag zum Teilverkauf der stillgelegten Panzer mit 15 zu 10 Stimmen abgelehnt. Doch das hält Riniker nicht auf. In der Frühlingssession will sie einen neuen Anlauf wagen. Sie wird dabei, diese Prognose sei gewagt, nichts dem Zufall überlassen.