Wegen Ukraine-Krieg
Ein Blanko-Scheck für Amherd

Der Nationalrat wird am Montag das Armeebudget von fünf auf sieben Milliarden Franken deutlich erhöhen. Das ist absehbar. Dabei fehlen noch immer klare Pläne, wofür das Geld eigentlich verwendet werden soll.
Publiziert: 04.05.2022 um 13:13 Uhr
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Der Ukraine-Krieg hat die Schweizer Politik erschüttert. Die bürgerliche Mehrheit im Parlament fordert deutlich mehr Geld für die Armee.
Foto: AFP
Daniel Ballmer

Auf ihre Mitte-Partei kann sich Verteidigungsministerin Viola Amherd (59) verlassen – und das ist schon mehr als die halbe Miete. Am Montag wird der Nationalrat in seiner Sondersession das Armeebudget deutlich aufstocken, wie das von bürgerlicher Seite gefordert ist. Das ist absehbar, denn die Mehrheiten sind gemacht.

Bis 2030 soll die Armee ihre Ausgaben schrittweise um zwei auf sieben Milliarden Franken erhöhen können. Die Mitte dürfte geeint dafür sein. «Auch die SVP ist einstimmig dafür, ganz klar», sagt Nationalrat Thomas Hurter (58). Bei der FDP dürfte es ebenfalls kaum Abweichler geben. Gemeinsam reicht das für eine komfortable Mehrheit.

Gegen einen «Blanko-Scheck» wehren sich GLP, SP und Grüne. «Aber da sind wir natürlich chancenlos», weiss auch SP-Sicherheitspolitikerin Priska Seiler Graf (53). Wegen des Ukraine-Kriegs sehen sich die Bürgerlichen zum Handeln gedrängt. «Wir sind gegen solche Schnellschüsse. Die Armee hat noch gar kein Konzept, was sie mit dem zusätzlichen Geld anstellen will», entgegnet Seiler Graf.

Noch fehlen verbindliche Planungen

Tatsächlich fehlen dem Parlament bis heute verbindliche Planungen, wofür die Zusatzmilliarden verwendet werden sollen. Der Bundesrat blieb denn auch ein bisschen vorsichtiger als das Parlament. Zwar unterstützt er ebenfalls eine Erhöhung des Armeebudgets. Allerdings will er sich nicht auf konkrete Beträge festlegen. Mehrausgaben seien laufend neu zu beurteilen.

Sogar Armeechef Thomas Süssli (55) soll in der Sicherheitspolitischen Kommission nicht alle überzeugt haben. Auch er habe keine verlässlichen Skizzen aufzeigen können, was das Militär mit dem Geld beschaffen will. «Von allem ein bisschen...», soll Süssli unverbindlich geblieben sein, heisst es aus der Kommission.

Nur wenig konkreter wurde Amherd kürzlich gegenüber SRF. «Viele Systeme» kämen bald an ihr Lebensende. Mit mehr Mitteln seien «gewisse Vorhaben» vorzuziehen. Prioritär bleiben die bereits bewilligten neuen Kampfjets und die Boden-Luft-Verteidigung. Dann seien die Bodentruppen zu erneuern. Und gerade auch im Cyber-Bereich will Amherd investieren. Dennoch bleibt offen, wofür ab 2030 jährlich zwei weitere Milliarden ausgegeben werden sollen.

Bürgerliche haben selber viele Vorschläge

Die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat lässt sich davon nicht beirren. Durch die Kampfjet-Beschaffung seien einige Projekte zurückgestellt worden, die nun rascher umgesetzt werden könnten. Auch bei der Informatik seien mehr Mittel benötigt worden als gedacht.

Nun könnten Lücken bei der persönlichen Ausrüstung rasch gefüllt werden, etwa Schutzwesten. «Auch den Werterhalt von Schützenpanzern kann man vorziehen», zählt SVP-Nationalrat Hurter auf. Gleichzeitig hätten die F/A-18-Kampfjets aus finanziellen Gründen weniger Flugstunden absolviert.

Veralteten Instrumente könnten schneller ersetzt werden, sagt auch FDP-Nationalrätin Maja Riniker (43). Kurzfristig könnten die Informatik aufgerüstet und der Cyber-Bereich weiter ausgebaut werden. Daneben herrsche in der Armee ein Fachkräftemangel etwa bei Köchen oder Fahrern. Riniker: «Hier könnte in die Ausbildung investiert werden.»

«Natürlich ist klar, dass man Panzer oder Artillerie nicht von heute auf morgen beschaffen kann», schränkt Riniker ein. Das könne aber vorangetrieben werden. Auch stelle sich die Frage, ob fünf Einheiten des Luftabwehrsystems Patriot wirklich reichen.

Genau deshalb solle die Erhöhung auch nicht überstürzt, sondern gestaffelt werden, ergänzt Mitte-Sicherheitspolitiker Martin Candinas (41): «Die zwei Milliarden müssen schliesslich andernorts eingespart werden. Das geht auch nicht von heute auf morgen.»

Wunschkonzert ist gestartet

Weil bald Geld in Hülle und Fülle vorhanden sein dürfte, meldet die Sicherheitspolitische Kommission (SiK) des Ständerats schon mal Wünsche an. Zusätzlich zur Armeebotschaft 2022 des Bundesrats will sie Rüstungsgüter im Wert von 285 Millionen Franken beschaffen, erklärte Kommissionspräsident Werner Salzmann (59, SVP) am Mittwoch vor den Medien.

Dabei geht es um Material im Cyber-Bereich für 110 Millionen Franken und eine zweite Tranche 12-cm-Mörser 16 für 175 Millionen. Allerdings: Dabei scheint es sich nicht um dringend benötigtes Material zu handeln. Vielmehr sind es einfach Projekte, die sich innert kurzer Zeit überhaupt beschaffen lassen. Er habe dazu eigens eine Projektliste angefordert, plauderte Salzmann aus dem Nähkästchen.

SP: Erst braucht es vertiefte Sicherheits-Debatte

Für SP-Nationalrätin Seiler Graf dagegen machen all diese Zusatzausgaben wenig Sinn, solange die künftige Sicherheitsstrategie der Schweiz nicht ausdiskutiert ist. So hatte etwa FDP-Präsident Thierry Burkart (46) kürzlich eine Annäherung an die Nato aufs Tapet gebracht. Solche Kooperationen hätten grossen Einfluss auf künftige Beschaffungen, betont Seiler Graf. «Aber statt einer vertieften Analyse sollen teure Schnellschüsse gemacht werden.»

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