«Es gibt keine Alternative»
Mario Gattiker berät den Bundesrat in EU-Fragen – für 230'000 Franken

Der ehemalige Staatssekretär Mario Gattiker erhält ein neues Beratungsmandat für die EU-Verhandlungen. Das Aussendepartement zahlt ihm dafür 230'000 Franken.
Publiziert: 11:06 Uhr
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Aktualisiert: 12:07 Uhr
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Die materiellen Verhandlungen der Schweiz – im Bild Bundesrätin Viola Amherd (l.) – mit der Europäischen Union – im Bild EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – wurden im vergangenen Jahr abgeschlossen.
Foto: ALESSANDRO DELLA VALLE / POOL

Auf einen Blick

  • Mario Gattiker erhält erneutes Beratungsmandat für EU-Verhandlungen
  • Gattiker gilt als «graue Eminenz» und Vertrauensperson für den Bundesrat
  • Für das Mandat bekommt er 230'000 Franken ohne öffentliche Ausschreibung
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Tobias BruggmannRedaktor Politik

Als «graue Eminenz» wurde Mario Gattiker (68) im EU-Poker bereits beschrieben. Nach seiner Pensionierung sollte der ehemalige Staatssekretär für Migration das Aussendepartement von Ignazio Cassis bei den Verhandlungen zum neuen EU-Deal beraten.

Jetzt sind die Verhandlungen materiell abgeschlossen – und Gattikers Auftrag wird erneuert, wie eine Vergabe der Beschaffungsplattform Simap zu entnehmen ist. Auch «20 Minuten» berichtet über die Auftragsvergabe.

Demnach übernimmt Gattiker ein Beratungsmandat in der Projektorganisation Schweiz-EU – und bekommt dafür 230'000 Franken. Was genau das Mandat beinhaltet und wie lange es dauert, ist unklar. Eine entsprechende Anfrage beim Aussendepartement läuft. Die materiellen Verhandlungen zum EU-Deal wurden im vergangenen Dezember abgeschlossen, jetzt geht es um die innenpolitischen Verhandlungen.

So sieht der EU-Deal aus

Im Dezember trafen sich die damalige Bundespräsidentin Viola Amherd (62) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66) in Bern, um den Abschluss der Verhandlungen zu feiern. Das sind die wichtigsten Punkte

  • Mit dem neuen Abkommen sollen die Spielregeln genauer festgelegt werden: Bei einzelnen Abkommen, wie zum Beispiel der Personenfreizügigkeit übernimmt die Schweiz EU-Recht. Volk oder Parlament können das ablehnen – dann drohen Strafen. Darüber entscheidet schlussendlich ein Schiedsgericht, dass den EU-Gerichtshof beizieht. Entscheiden wird das Schiedsgericht.
  • EU-Bürger können in die Schweiz ziehen und hier arbeiten. Der Bund hat hier aber Ausnahmen erreicht, zum Beispiel bei Landesverweisungen für Straftäter und dem Aufenthaltsrecht. Der Lohnschutz soll über ein dreistufiges Konzept gesichert werden. Künftige Anpassungen, die das Schutzniveau verschlechtern, muss die Schweiz nicht übernehmen.
  • Die bisherige Schutzklausel bei der Einwanderung wird konkretisiert. Die Schweiz kann sie einseitig aktivieren.
  • Künftig dürfen auch ausländische Bahnen wie Flixtrain auf Schweizer Schienen fahren.
  • Neue Verträge gibt es unter anderem beim Strom, der Gesundheit oder Lebensmittelsicherheit.
  • Die Schweiz darf wieder bei EU-Programmen wie dem Studenten-Austauschprogramm Erasmus mitmachen.
  • Die Schweiz überweist ab 2030 jährlich 350 Millionen Franken. Das Geld fliesst in Entwicklungsprojekte in EU-Ländern wie Bulgarien, Estland oder Kroatien.

Zum ausführlichen Artikel geht es hier.

Im Dezember beendeten Viola Amherd und Ursula von der Leyen die materiellen Verhandlungen.
AFP

Im Dezember trafen sich die damalige Bundespräsidentin Viola Amherd (62) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66) in Bern, um den Abschluss der Verhandlungen zu feiern. Das sind die wichtigsten Punkte

  • Mit dem neuen Abkommen sollen die Spielregeln genauer festgelegt werden: Bei einzelnen Abkommen, wie zum Beispiel der Personenfreizügigkeit übernimmt die Schweiz EU-Recht. Volk oder Parlament können das ablehnen – dann drohen Strafen. Darüber entscheidet schlussendlich ein Schiedsgericht, dass den EU-Gerichtshof beizieht. Entscheiden wird das Schiedsgericht.
  • EU-Bürger können in die Schweiz ziehen und hier arbeiten. Der Bund hat hier aber Ausnahmen erreicht, zum Beispiel bei Landesverweisungen für Straftäter und dem Aufenthaltsrecht. Der Lohnschutz soll über ein dreistufiges Konzept gesichert werden. Künftige Anpassungen, die das Schutzniveau verschlechtern, muss die Schweiz nicht übernehmen.
  • Die bisherige Schutzklausel bei der Einwanderung wird konkretisiert. Die Schweiz kann sie einseitig aktivieren.
  • Künftig dürfen auch ausländische Bahnen wie Flixtrain auf Schweizer Schienen fahren.
  • Neue Verträge gibt es unter anderem beim Strom, der Gesundheit oder Lebensmittelsicherheit.
  • Die Schweiz darf wieder bei EU-Programmen wie dem Studenten-Austauschprogramm Erasmus mitmachen.
  • Die Schweiz überweist ab 2030 jährlich 350 Millionen Franken. Das Geld fliesst in Entwicklungsprojekte in EU-Ländern wie Bulgarien, Estland oder Kroatien.

Zum ausführlichen Artikel geht es hier.

«Es gibt keine Alternative»

Ungewöhnlich ist, dass ein solcher Entscheid ohne Ausschreibung gefällt wird. Das Aussendepartement begründet dies damit, dass äusserst spezifische Fähigkeiten verlangt werden. «Nur der Beauftragte bringt diese mit und es gibt keine Alternative.»

So verfüge Gattiker über «langjährige und tiefe Kenntnisse der Europapolitik, breite Netzwerke sowie über Erfahrung in Verhandlungen mit der EU». Das sei für das vorliegende Mandat unabdingbar. «Zudem ist der Beauftragte aufgrund seiner einstigen Funktion als Staatssekretär bestens vertraut mit der innenpolitischen Kompromissfindung.» Gattiker sei auch eine «eine Vertrauensperson für die Mitglieder des Bundesrates sowie für die europapolitisch relevanten Akteure.»

Schweizer Politik geprägt

Tatsächlich prägte Gattiker die Schweizer Politik über mehrere Jahre, manche nennen ihn gar «Super Mario». Er war von 2015 bis 2021 Staatssekretär für Migration. Nach seiner Pensionierung sollte er Schweizer Recht und EU-Recht vergleichen und Möglichkeiten zur Anpassung des Rechts ausloten.

Doch auch als sein Auftrag beendet war, blieb er an Bord und wurde auch zum wichtigen Player im innenpolitischen Dialog, wie der «Tages-Anzeiger» schrieb. Demnach habe Gattiker an sämtlichen Sitzungen teilgenommen und sei «der Mann, dem alle vertrauten». Im vergangenen Jahr bekam Gattiker gemäss der Zeitung 70'000 Franken – der jetzige Auftrag dürfte also deutlich zeitintensiver sein oder länger dauern.

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