Enges Rennen um Nationalstrassen-Ausbau
Die Frauen und vier weitere Gründe, warum Autobahn-Rösti zittern muss

Bei der Abstimmung um den Autobahn-Ausbau wird es knapp. Die Gegner und vor allem die Gegnerinnen haben das Ja-Lager überholt. SVP-Verkehrsminister Albert Rösti droht eine Niederlage. Blick erklärt, weshalb.
Publiziert: 13.11.2024 um 17:37 Uhr
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Aktualisiert: 09:42 Uhr
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Schiebt das Stimmvolk dem Autobahn-Ausbau einen Riegel?
Foto: Thomas Meier

Auf einen Blick

  • SRG-Trendumfrage zeigt 51 Prozent Nein und 47 Prozent Ja
  • Hohe Ablehnung bei Frauen
  • Für das drohende Nein gibt es Gründe
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Die Schweiz gilt als Land der Autobahn-Freunde. 2017 gab das Stimmvolk dem Nationalstrassen-Finanzierungsfonds deutlich grünes Licht, befürwortete 2016 einen zweiten Gotthard-Strassentunnel, wollte im Jahr 2000 von einer Verkehrshalbierung nichts wissen und lehnte 1990 die vier sogenannten Kleeblatt-Initiativen deutlich ab, welche schon damals dem Autobahnausbau Einhalt gebieten wollten.

Dem droht nun ein jähes Ende. Das Stimmvolk schwenkt die rote Flagge und ruft zum Übungsabbruch. Der Ausbauschritt 2023 kommt ins Stocken – darauf deutet die zweite SRG-Trendumfrage zu den Abstimmungen vom 24. November. Die Gegner haben die Nase mit 51 Prozent Nein-Anteil vorn, das Ja-Lager ist auf 47 Prozent zurückgefallen.

Es kommt zu einem engen Rennen. Der erfolgsverwöhnte SVP-Verkehrsminister Albert Rösti (57) muss just auf der Zielgeraden um seinen lange sicher geglaubten Sieg zittern. Dies, obwohl Ja-Argumente – wie etwa die Überlastung der Nationalstrassen – durchaus verfangen. Blick erklärt in fünf Punkten, warum der Rösti-Motor trotzdem stottert.

Die Frauen

Die Gegner des Autobahnausbaus führen vor allem Umwelt-Argumente ins Feld. Es geht ums Klima: Die Klimaziele können nur erreicht werden, wenn auch der Verkehr seinen Beitrag leistet. Ebenso geht es um verbaute Flächen durch neue Strassen, denen Natur und Landwirtschaftsland zum Opfer fallen.

Das zieht bei den Frauen stärker, wie die SRG-Umfrage belegt. 60 Prozent der Frauen wollen Nein stimmen, nur ein Drittel ist für den Ausbau. Bei den Männern ist es mit 56 Prozent Ja-Anteil umgekehrt.

Frauen stehen ökologischen und sozialen Anliegen tendenziell positiver gegenüber, wie frühere Abstimmungen zeigen. Bei manchen lieferten sie die entscheidenden Stimmen – wie einst beim Ja zum AKW-Moratorium oder beim Nein zum Jagdgesetz.

Der Benzinpreis

«Wollen Sie mehr für Benzin bezahlen?», fragte die SVP bei der Abstimmung über das CO2-Gesetz 2021. Die Antwort des Stimmvolks lautete Nein. Auch beim Autobahn-Ausbau dürfte diese Frage eine Rolle spielen. Der Nationalstrassenfonds verfügt zwar noch über gut 3,5 Milliarden Franken Vermögen. Weil die Fondsreserve aber zügig sinkt, braucht es neue Einnahmequellen. In den nächsten Jahren ist eine Benzinpreiserhöhung um 4 Rappen pro Liter absehbar.

Die Erhöhung steht zwar nicht in direktem Zusammenhang mit der jetzigen Vorlage. Doch je mehr Projekte bewilligt werden, umso mehr Geld braucht es langfristig. Bereits sind weitere Einnahmequellen angedacht, wie etwa eine stärkere Besteuerung von Elektrofahrzeugen.

Die Sparpolitik

Finanzministerin Karin Keller-Sutter (60) lässt den Sparhammer sausen! Unermüdlich warnt sie vor Milliarden-Defiziten. Um dies zu verhindern, soll der Bundeshaushalt ab 2027 um 3 Milliarden und ab 2030 um 4 Milliarden Franken jährlich entlastet werden. Eine Expertengruppe präsentierte dafür 60 Massnahmen mit bis zu 5 Milliarden Sparpotenzial.

Das Spar-Mantra von Bundesrätin Karin Keller-Sutter wirkt sich nun womöglich auf die Autobahn-Abstimmung aus. Gut 5 Milliarden soll der Ausbau kosten, Tendenz steigend. Warum in derart klammen Zeiten nicht einfach einsparen? Das ändert zwar im Bundeshaushalt nichts, da der Ausbau über einen Spezialfonds finanziert wird. Dem Sparfuchs ist das egal.

Die Betroffenheit

Sechs Projekte in den Kantonen Bern, Basel-Stadt, St. Gallen, Schaffhausen, Genf und Waadt stehen zur Debatte. Was kümmert das schon den Tessiner, die Luzernerin, den Bündner oder die Walliserin? Der direkte Nutzen ist für die Bevölkerung weitab der geplanten Projekte bescheiden, eine echte Betroffenheit fehlt. So dürfte sich manch einer die Kosten-Nutzen-Frage stellen und im Fazit ein Nein in die Urne legen.

Als Gegenbeispiel dient die zweite Gotthardröhre. Wer stand da nicht schon im Oster- oder Ferienstau und hofft auf Erleichterung? Im Lichte der schweizweiten Solidarität scheinen die jetzigen Projekte schlicht nicht dringlich genug.

Die Mobilisierung

51 Prozent Ja, 47 Prozent Nein – so die Momentaufnahme. Eine Pattsituation, in welcher das Resultat noch immer auf beide Seiten kippen kann. Jetzt kommt es darauf an, wer seine Leute an die Urne bringt.

Da liegt der Vorteil derzeit bei der Gegnerschaft, wo gemäss den Autoren der SRG-Umfrage eine hohe Teilnahmebereitschaft besteht: ein «eher überdurchschnittlich mobilisiertes linkes und städtisches Milieu, welches der Vorlage kritisch gegenübersteht». Möglicherweise sorgen die beiden Mietrechtsvorlagen, welche im urbanen Gebiet stärker auf Widerstand stossen, für den entscheidenden Schub. Gibt die bürgerliche Basis nun nicht Vollgas, landet Rösti mit seinem Autobahnausbau in der Sackgasse.

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