Doppelt so viele Ansteckungen wie im Rest der Schweiz
Diese fünf Kantone sind die Corona-Hotspots

Das gab es letztmals vor einem Jahr: Die Zahl der Corona-Ansteckungen an einem Tag knackt die 6000er-Hürde. Das Coronavirus wütet aber nicht in allen Kantonen gleich. Epidemiologe Marcel Tanner erklärt, wieso.
Publiziert: 19.11.2021 um 00:25 Uhr
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Aktualisiert: 19.11.2021 um 08:21 Uhr
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Bundesrat Alain Berset spricht bereits von einer fünften Welle.
Foto: keystone-sda.ch
Ruedi Studer

Österreich zieht die Handbremse: In unserem Nachbarland soll ab Montag ein landesweiter Lockdown für alle gelten. Denn das Coronavirus breitet sich rasch aus – über 14'000 neue Fälle vermeldeten die Österreicher am Donnerstag.

Die Schweiz hat gleichentags erstmals seit gut einem Jahr die 6000er-Hürde wieder geknackt! Damit hinkt das Land zwar hinterher, doch der helvetische Trend zeigt ebenfalls deutlich nach oben.

Aktuell liegt die 14-Tage-Inzidenz schweizweit bei rund 562 Fällen. Das heisst: Pro 100'000 Einwohnerinnen und Einwohner haben sich 562 Menschen in den letzten zwei Wochen mit dem Virus angesteckt. «Die fünfte Welle ist da», urteilte SP-Gesundheitsminister Alain Berset (49) an einer Medienkonferenz in Bern.

In fünf Kantonen doppelt so hoch

Besonders stark wütet das Virus in der Zentral- und Ostschweiz. In fünf Kantonen liegt die 14-Tage-Inzidenz doppelt so hoch und höher als in der Restschweiz: Nidwalden (1445) führt die traurige Rangliste an, gefolgt von Schwyz (1273), Appenzell Ausserrhoden (1257), Appenzell Innerrhoden (1160) und Obwalden (1123). Und mit St. Gallen hat ein weiterer Kanton die 1000er-Hürde übersprungen. Auch bei den Spitaleinweisungen liegen sie tendenziell auf den vorderen Plätzen.

Am unteren Ende der Skala hingegen markieren das Tessin (204), Waadt (268), Neuenburg (286) und Jura (298) die Musterschüler – alle liegen unter einem Inzidenz-Wert von 300. Auch die übrigen Westschweizer Kantone stechen mit tieferen Zahlen heraus als der Schweizer Schnitt.

Dass ausgerechnet die lateinische Schweiz vergleichsweise gut dasteht, hat verschiedene Gründe. Ein Faktor ist der Impffortschritt: In den Kantonen mit der höchsten Ansteckungsinzidenz liegt die Impfquote teils deutlich unter dem helvetischen Schnitt von aktuell 65 Prozent. Doch die Impfrate ist nicht der einzig entscheidende Punkt – so hat beispielsweise Infektionsspitzenreiter Nidwalden mit knapp 64 Prozent doppelt Geimpften eine höhere Quote als etwa Neuenburg mit 63 Prozent oder Jura mit 60 Prozent.

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Starke Welle beeinflusst Verhalten

«Die Impfquote spielt zwar auch eine Rolle, die Entwicklung ist aber multikausal», sagt Epidemiologe Marcel Tanner. Dass das Tessin und die Romandie derzeit besser dastehen, führt er auch auf die Erfahrungen während der Corona-Wellen im vergangenen Jahr zurück, die die lateinische Schweiz früher und stärker erfasst hatten. Angesichts einer höheren Dunkelziffer von unentdeckten Ansteckungen dürfte zudem die Grundimmunisierung bereits höher sein.

Bundesrat Alain Berset spricht waehrend einer Medienkonferenz ueber das weitere Vorgehen bei der Bekaempfung des Coronavirus, am Donnerstag, 18. November 2021, in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
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«Ein wichtiger Punkt ist aber das Verhalten und die Einhaltung der Grundregeln wie Abstandhalten, Händewaschen oder Maskentragen.» Dazu gehöre auch regelmässiges Lüften, «auch wenn es kühler wird!», sagt Tanner. Die Tessiner hätten bei ihren Nachbarn in Italien gesehen, wie schlimm die Pandemie wüten könne. Die Romands dergleichen vor ihrer Haustüre in Frankreich.

«Das hat sicher auch die Einstellung zu den Schutzmassnahmen bei vielen geprägt, sodass sie sich nun besser an die Regeln halten», ist Tanner überzeugt. «Die machen das nicht nur mit dem Kopf, sondern mit dem Herzen.»

Tanner für 3G statt 2G

Der Basler Epidemiologe hält den vom Bundesrat eingeschlagenen Weg mit den bestehenden Grundregeln, dem 3G-Konzept, der Impfkampagne und den nun gestarteten Booster-Impfungen mit Priorität für die Risikogruppen für richtig. Die Impfung schütze zwar sehr gut vor Erkrankungen, aber weniger vor einer Infektion und einer Übertragung mit der ansteckenderen Delta-Variante, so Tanner.

«Wir müssen aber nicht schon wie in Österreich über 2G oder gar einen Lockdown diskutieren, sondern den eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen», betont er. Und mit «konsequent» meint er insbesondere auch das Verhalten der Bevölkerung. «Impfen alleine reicht nicht, wenn sich die Leute nicht an die Grundregeln halten», macht er klar.

Gemäss einer aktuellen Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und den Universitäten Zürich und Bern hält sich die Schweizer Bevölkerung nämlich immer seltener an die vom Bund empfohlenen Massnahmen gegen das Coronavirus.

«Werden die Leute legerer, verpufft die Wirkung zunehmend», so Tanner. Um die Übertragung wieder runterzubringen, müsse sich deshalb jeder Einzelne bemühen und sich an die jetzigen Massnahmen halten. «Dann schaffen wir es auch ohne neue Einschränkungen!»

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