Dokument warnt vor «Kollaps»
Armee verheimlicht brisanten Bericht zur Luftraumüberwachung

Die Schweizer Armee kämpft mit massiven Problemen bei Rüstungs- und IT-Vorhaben. Ein brisanter KPMG-Bericht warnt vor dem Kollaps der militärischen Luftraumüberwachung. Die Armee wollte das Dokument unter den Teppich kehren.
Publiziert: 30.01.2025 um 19:19 Uhr
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Aktualisiert: 30.01.2025 um 22:12 Uhr
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Armeechef Thomas Süssli kämpft an verschiedenen Fronten mit Problemen.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

  • Armee kämpft mit Problemen bei Rüstungs- und IT-Vorhaben
  • Brisanter KPMG-Bericht warnt vor Kollaps der militärischen Luftraumüberwachung
  • Risiko für Ausfall des veralteten Luftraumüberwachungssystems in 5 Jahren «sehr hoch»
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Die Armee befindet sich im Mehrfrontenkampf – mit sich selbst. Gleich bei mehreren grossen Rüstungs- und IT-Vorhaben kämpft sie mit massiven Risiken und Problemen. Das rief selbst die Finanzaufsicht des Parlaments auf den Plan, die Ende Jahr in einem geharnischten Brief an Mitte-Verteidigungsministerin Viola Amherd (62) Alarm schlug.

Auf der Problemliste steht auch die Beschaffung des neuen Systems Skyview zur Überwachung des Luftraums, das schon in Betrieb sein sollte. Denn das derzeitige System Florako ist veraltet. Es hat das Ende seiner Betriebsdauer erreicht und könnte jederzeit ausfallen. Doch das von der Armee auf «C2Air» getaufte Projekt für ein neues System befindet sich in Schwierigkeiten. Wegen Integrationsproblemen verzögert sich die Inbetriebnahme des neuen Systems um Jahre.

Brisanter KPMG-Bericht

Die Probleme sind offenbar noch gröber als bisher gedacht, wie Radio SRF nun aufdeckt. Demnach versuchte die Armee, einen brisanten internen Bericht unter dem Deckel zu halten. Das Dokument warne vor einem Kollaps der militärischen Luftraumüberwachung, berichtet Radio SRF. Und es deute auf ein Klima der Angst in der Führung der Armee hin.

Der Sender verweist auf Berichte des Beratungsunternehmens KPMG, welches Armeechef Thomas Süssli (58) mit einem externen «Qualitäts- und Risikomanagement» begleitete. Gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz hatte Radio SRF einen KPMG-Bericht zum Stand des Projekts im vierten Quartal erhalten. Mit vielen geschwärzten Stellen.

Bloss, es gab noch weitere Dokumente, welche die Armee nicht herausrückte. Dem Sender gelang es aber, an einen weiteren Bericht zu kommen, welcher den Projektzustand im dritten Quartal beschreibt. Und darin reden die KPMG-Experten Klartext: «Wir erachten die Anforderung, Skyview mit den gegebenen Mitteln und im anvisierten Zeitrahmen bis 2029 auf der neuen Digitalisierungsplattform zu integrieren, als gänzlich unrealistisch.»

«Schiere Unmöglichkeit des Vorhabens»

Den verantwortlichen IT-Experten sei «die schiere Unmöglichkeit des gegenwärtigen Vorhabens klar». Bloss hätten die Entscheidungsträger nicht auf diese Stimmen gehört und das Management Fakten ignoriert, so der Vorwurf.

Mit Folgen: So schätzt KMPG das Risiko, dass das veraltete System zur Luftraumüberwachung in fünf Jahren teilweise oder ganz ausfalle, als «sehr hoch» ein. Die Vorgabe, Skyview auf der neuen Digitalisierungsplattform zu betreiben, solle «fallengelassen» werden, empfahlen die Experten.

Armee verteidigt ihr Vorgehen

Eine Empfehlung, welche ungehört blieb. «Varianten, die nicht auf der neuen Digitalisierungsplattform basierten, wurden von der Programmführung aufgrund zu vieler Unsicherheiten hinsichtlich der Zeitverhältnisse, Kosten und Risiken als wenig erfolgversprechend beurteilt und deswegen verworfen», verteidigt die Armee gegenüber Radio SRF ihr Vorgehen.

Zudem stellt sich die Armee auf den Standpunkt, dass es gar keinen Bericht der KPMG gebe. Es gebe nur einen Mitarbeiter der Firma KPMG, der den Armeechef unterstütze. Da sich dieser aber erst habe einarbeiten müssen, sei mit der Firma vereinbart worden, «dass erst der Bericht im Quartal 4 ‹scharf› sein soll und verteilt wird».

Radio SRF hingegen betont, dass im Bericht für das dritte Quartal von mehreren «Teams» die Rede sei, welche die Themenfelder bearbeitet hätten. Und: «Als ‹Verfasserin› wird auf dem Deckblatt des Berichts die ‹KPMG AG› genannt.»

Für weiteren Zunder in der Debatte um problematische Armeeprojekte ist also gesorgt.

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