Einst wurden sie abgewählt. Oder wechselten in ein anderes Amt. Doch so sie können die Finger nicht von der Politik lassen: Gut 20 frühere Nationalrätinnen und Nationalräte haben am Sonntag ihr Comeback nach Bern versucht. Bei den meisten hat es nicht geklappt.
Die Prominente unter den Gescheiterten: GLP-Frau Chantal Galladé (50, ZH). 2018 trat die Zürcherin – nach 15 Jahren im Amt – aus dem Nationalrat zurück. Nun nahm sie für die Grünliberalen einen neuen Anlauf. Dabei reichte es immerhin für einen Achtungserfolg: Sie hat sich von Listenplatz 21 nach vorn gekämpft, auf den 8. Rang. Da die GLP in Zürich allerdings nur noch vier Sitze hat, rückt für Galladé ein Nachrutschen während der Legislatur in weite Ferne.
Ex-Staatsrat Poggia will in Ständerat
Gelungen ist das Comeback dafür einem welschen Männer-Trio. Der Bekannteste darunter ist der Genfer Ex-Staatsrat Mauro Poggia (64) von der rechtsbürgerlichen Protestbewegung Mouvement Citoyens Genevois (MCG). Von 2011 bis 2013 war er Kurzzeit-Nationalrat, bevor er in der Genfer Kantonsregierung gewählt wurde, der er bis vergangenen Frühling angehörte. Als Gesundheitsminister machte er sich während der Corona-Krise schweizweit einen Namen, weil er in seinem Kanton auch strikte Massnahmen durchsetzte oder gegen Impfgegner schoss. Im Wahlkampf machte er die Krankenkassen-Prämien zum grossen Thema.
Nun schicken die Genfer den populären Politiker mit einem Glanzresultat in den Nationalrat – und vielleicht sogar in den Ständerat. In der ersten Runde setzte er sich nämlich an die Spitze, muss aber in den zweiten Wahlgang. Am 12. November fällt die Entscheidung, in welcher Kammer Poggia sitzen wird.
Ex-Polizist kehrt zurück
Neben Poggia schafft in Genf ein weiterer MCG-Politiker den Sprung zurück nach Bern: Parteichef Roger Golay (64). 2013 war er für Poggia in den Nationalrat nachgerückt. Der mittlerweile pensionierte Polizist schloss sich damals der SVP-Fraktion an und sass in der Sicherheitspolitischen Kommission.
Via Vorstoss wollte er etwa die Anzahl der Grenzgänger begrenzen. 2019 wurde er abgewählt, jetzt kehrt er erneut als Nationalrat ins Bundeshaus zurück. In Bern will er sich insbesondere den Themen Sicherheit und Verkehr widmen, wie er «Le Temps» sagte.
Gaddafis einstiger Anwalt
Der Dritte im Genfer Trio: Charles Poncet (76), der für die SVP nach Bern zieht. Seine Zeit im Nationalrat liegt schon weit zurück: Von 1991 bis 1995 politisierte er für die Liberale Partei (LPS), die vor 15 Jahren mit der FDP fusionierte, in der grossen Kammer. Nun also für die SVP. «Wir müssen die Schwächsten vor der Kriminalität schützen, die aufgrund einer schlecht gesteuerten Einwanderung ständig zunimmt, wobei die Mittelschicht das erste Opfer ist», wird er auf der Partei-Homepage zitiert.
Für Aufsehen sorgte Poncet vor Jahren in ganz anderer Funktion. Im Streit um die Verhaftung des Herrschersohns Hannibal Gaddafi (48) im Jahr 2008 in der Schweiz vertrat der Wirtschaftsanwalt die libysche Seite. Gaddafi war in Genf vorübergehend festgenommen worden, nachdem ihm zwei Hausangestellte Misshandlung vorgeworfen und angezeigt hatten. Ein Vorfall, den die Schweiz noch lange im Rahmen der sogenannten «Libyen-Affäre» beschäftigte.
Poncet ist nicht nur eine schillernde Figur, sondern – Ende Jahr wird er 77 – neu auch der älteste Nationalrat in Bern.