Viola Amherd (62) ist ein Politfuchs. Natürlich hatte sie mit der Frage gerechnet. Noch so gerne nahm sie am Mittwoch vor den Medien ihre Notizen hervor und zählte die Erfolge in ihrer sechsjährigen Amtszeit im Verteidigungsdepartement (VBS) auf.
So darf sie sich etwa eine deutliche Erhöhung des Armeebudgets auf die Fahne schreiben, was allerdings vorab durch den Ukraine-Krieg bedingt ist. Das Kommando Cyber wurde unter ihr geschaffen, genauso wie das Staatssekretariat für Sicherheit. Der Nachrichtendienst wird um- und ausgebaut, und sie hat damit begonnen, die internationale militärische Zusammenarbeit deutlich auszubauen.
Innenpolitisch immer stärker im Gegenwind
Ganz vergessen hatte die Mitte-Bundesrätin bei ihrer Aufzählung ihren ersten Grosserfolg: Im September 2020 hatte das Stimmvolk dem 6-Milliarden-Kauf neuer Kampfjets zugestimmt – wenn auch mit hauchdünnem Mehr. Ihr SVP-Vorgänger Ueli Maurer (74) scheitere noch an der Volksabstimmung mit seiner Vorlage für den Kauf der Gripen.
In ihrer persönlichen Bilanz beliess es Amherd bei ihren Erfolgen, das «Sündenregister» überlasse sie anderen. Und tatsächlich stand die Mitte-Bundesrätin innenpolitisch immer stärker im Gegenwind. Immer wieder war denn auch über ihren Rücktritt spekuliert worden.
Die Kritik an ihr gipfelte am vergangenen Wochenende mit der ultimativen Rücktrittsforderung der SVP. Die Mitte-Frau setze die falschen Prioritäten und sei «zu einem Sicherheitsrisiko für die Schweiz geworden». Nur wenige Tage später kommts tatsächlich zum Rücktritt.
Amherd hat den Laden nicht in den Griff bekommen
Nicht nur von der SVP musste Amherd Kritik anhören: Die Finanzdelegation des Parlaments listete in einem geharnischten Brief an Amherd gleich sieben grosse Rüstungs- und IT-Vorhaben auf, bei denen sie massive Probleme und Risiken mit Gesamtkosten von 19 Milliarden Franken feststellte.
Das Problem ist nicht neu. Seit Jahrzehnten kommt es bei Rüstungsvorhaben immer wieder zu Mehrkosten in Millionenhöhe und teilweise mehrjährigen Verzögerungen. Bedeutet auch: Viele Probleme hat Amherd schon von ihren SVP-Vorgängern geerbt. Aber: Auch sie hat den Laden nicht in den Griff bekommen.
Kommt hinzu: Die Fehlerkultur scheint im VBS nicht sehr ausgeprägt zu sein. Probleme werden klein- oder gleich ganz weggeredet, gegen aussen und innen. Exemplarisch zeigt das ein interner Bericht zur neuen Luftraumüberwachung. Dieser kritisiert im zuständigen Kommando Cyber eine «problematische Führungskultur». Eine «Lehmschicht» verhindere, dass Probleme offen diskutiert würden.
Die Vorwürfe sind auch gegen Bundesrätin Amherd gerichtet. Kritiker werfen ihr vor, statt Probleme im eigenen Departement zu lösen, sich lieber ins internationale Schaufenster zu stellen, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66) oder Ukraine-Präsident Wolodimir Selenski (46) die Hand zu schütteln – und parallel dazu die Armee immer weiter in Richtung Nato zu rücken.
Dabei erkennt das Parlament zahlreiche dringliche Baustellen bei Armee und VBS. Das betrifft längst nicht nur harzige Rüstungsvorhaben. Auch der Nachrichtendienst fällt immer wieder negativ auf. Die Besetzung des Spitzenpostens im neuen Staatssekretariat für Sicherheit zog sich über Monate hin, nachdem Staatssekretär Jean-Daniel Ruch (61) gehen musste, bevor er kam. Hinzu kommen Vorwürfe der Vetterliwirtschaft. Und zuletzt brummte das Parlament Amherd den Auftrag auf, eine Gesamtstrategie auf Stufe Bundesrat zu entwerfen. Bis heute sei unklar, wohin die Regierung mit der Armee wolle.
«Will nicht sagen, dass immer alles perfekt gelaufen ist»
Doch auch mit Alleingängen hat Amherd immer wieder Geschirr zerschlagen – auch im Bundesrat. So hat sie etwa gegen den Willen ihrer Regierungskollegen hinter den Kulissen den von Mitte-links-Politikerinnen geschnürten «Kuhhandel» für einen 15-Milliarden-Franken-Deal zugunsten von Armee und Ukraine-Hilfe unterstützt – was nicht zur guten Stimmung im Bundesrat beitrug.
Das alles aber konnte Amherd keinen spürbaren Schaden zufügen. Unbeirrt geht die Walliserin bis zuletzt ihren Weg weiter. «Ich will nicht sagen, dass immer alles perfekt gelaufen ist», sagte Amherd bei ihrer Rücktrittsankündigung. «Wo etwas erneuert wird, können Fehler passieren.» Sie habe in ihrer Amtszeit denn auch viele Kampagnen gegen sie erlebt. «Aber ich habe alle gut überstanden.»