Der Asyl-Showdown in Deutschland und die Zuwanderungsdebatte in der Schweiz
Wir stecken in der Migrationsfalle!

Deutschland zerfleischt sich in der Migrationsfrage, und das europäische Asylsystem entlarvt sich als Farce. Warum die Schweiz auch bei der Zuwanderung ein bisschen ein Sonderfall ist, aber von der Realität bald eingeholt wird. Der Blick-Leitartikel zum Thema der Woche.
Publiziert: 09:58 Uhr
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Aktualisiert: 12:13 Uhr
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CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz: Er will keine irregulären Asylsuchenden mehr nach Deutschland lassen.
Foto: AFP

Auf einen Blick

  • Deutschland stürzt Europa noch mehr ins Asylchaos
  • Die Schweiz integriert besser dank Berufslehre
  • Wie viel Zuwanderung ist genug? Ein Dilemma
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Rolf CavalliStv. Chief Content Officer

Deutschland droht an der Migrationskrise zu zerbrechen. Und mit Deutschland Europa. Selbst wenn der Plan von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (69), die Grenzen dichtzumachen, heisse Luft bleibt – schon ein Lüftchen reicht, um das bröckelnde Asylsystem Schengen/Dublin wie ein Kartenhaus einstürzen zu lassen.

Das bürokratische Monstrum verlangt, dass Asylsuchende ihren Antrag im ersten EU-Land stellen. In der Praxis funktioniert das kaum. Die meisten Migranten kommen über Land oder Meer aus dem Osten oder Süden – also nicht direkt nach Deutschland oder in die Schweiz. Länder wie Italien und Griechenland tragen die Hauptlast. Schengen ist längst zur Farce geworden, ein politisches Schwarzer-Peter-Spiel.

«Steigt Deutschland aus, ist Schengen ganz tot», warnt der renommierte Migrationsforscher Gerald Knaus. «Alle Länder würden wieder beginnen, ihre Grenzen zu kontrollieren.» Die EU verspricht Reformen: effizientere Asylverfahren, solidarische Verteilung. Doch Knaus bleibt skeptisch: «Das wird nie umgesetzt.» Erste Länder wie Italien distanzieren sich bereits.

Drei Vorteile für die Schweiz

Und die Schweiz? Der Bund erwartet dieses Jahr 15 Prozent weniger Asylgesuche. Schon 2023 gingen die Zahlen leicht zurück. Doch im Langzeitvergleich bleibt die Migration hoch – und damit der Druck auf Kantone und Gemeinden. Die Probleme sind ungelöst: Zehntausende vorläufig Aufgenommene ohne Bleiberecht, die nicht abgeschoben werden können, sowie eine anhaltende Zuwanderung durch die Personenfreizügigkeit.

Die Schweiz ist nicht Deutschland. Die Migrationsdebatte spitzt sich auch bei uns zu, ist aber längst nicht so aufgeheizt. Das hat Gründe.

Bessere Integration: Junge Ausländer werden bei uns besser eingegliedert. Nicht wegen staatlicher Programme, sondern dank der guten alten Berufslehre. Die Jugendarbeitslosigkeit ist vergleichsweise tief, Ghettobildung selten. Man kann die stille Integrationsleistung gerade von kleinen und mittleren Unternehmen nicht genug würdigen und pflegen.

Weniger Terrorgefahr: Anders als in Deutschland gab es hier bisher keine Anschlagsserie durch abgelehnte Asylbewerber, die wahllos Menschen töten, wie zuletzt in Aschaffenburg. Kriminologen bescheinigen der Schweiz ein besseres Frühwarnsystem. Doch die Messerattacke eines jungen Muslims auf einen Juden in Zürich zeigt: Die Schweiz sollte wachsam bleiben.

Mehr Demokratie: Alle grossen Parteien sitzen in der Regierung, was extreme Positionen dämpft. Die SVP fährt in der Migrationspolitik einen ähnlich harten Kurs wie die AfD, trägt aber als Regierungspartei Mitverantwortung. Noch wichtiger: Das Volk kann per Abstimmung direkt eingreifen.

10-Millionen-Initiative fordert Politik heraus

Trotzdem bleibt die Schweiz keine Insel der Seligen. Sorgen über unkontrollierte Zuwanderung werden grösser.

Die SVP will mit ihrer Initiative «gegen eine 10-Millionen-Schweiz» eine festgeschriebene Obergrenze der Bevölkerung. Der Bundesrat warnt: Das gefährde den Arbeitsmarkt, bremse die Wirtschaft und belaste das Verhältnis zur EU. Das Problem: Der Bundesrat bietet keine Alternative. Dabei hat das Volk vor elf Jahren bereits die Masseneinwanderungs-Initiative angenommen – bei geringerem Migrationsdruck.

Nun ist das Parlament gefragt. Es muss eine Lösung erarbeiten, welche die Migration steuert, aber den Wirtschaftsstandort nicht gefährdet. Ein Balanceakt. Die Schweiz braucht Kontrolle über die Zuwanderung – doch wegen der Überalterung auch neue Arbeitskräfte, die in die AHV einzahlen.

Die Schweiz steckt in der Migrationsfalle. Nicht weniger als Deutschland und Europa.

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