Auf einen Blick
- Bundesrat lehnt SVP-Initiative ab
- Migrationsminister Beat Jans plant Massnahmen gegen Zuwanderung
- Schweiz erreichte hat 9-Millionen-Einwohner-Marke bereits überschritten
Zehn Millionen Menschen in der Schweiz. Das will die SVP mit ihrer neusten Zuwanderungs-Initiative verhindern – und dafür notfalls auch die Personenfreizügigkeit mit der EU und damit die bilateralen Verträge kippen. Der Bundesrat lehnt die Initiative ohne Gegenvorschlag ab. Von Kontingenten oder Höchstzahlen bei der EU-Immigration will er nichts wissen.
Ganz untätig will er aber trotzdem nicht bleiben. Denn die Zuwanderungsfrage brennt der Bevölkerung unter den Nägeln. Dies umso mehr, als die Schweiz letztes Jahr einen neuen Zuwanderungsrekord verzeichnet und die 9-Millionen-Einwohner-Marke gerissen hat. Die SVP-Initiative erscheint daher vor dem Volk nicht chancenlos zu sein.
Massnahmenpaket soll helfen
Anstelle eines Gegenvorschlags möchte die Landesregierung der SVP-Initiative mit Begleitmassnahmen den Wind aus den Segeln nehmen. Bereits letzten Juni hatte SP-Migrationsminister Beat Jans (60) den Auftrag gefasst, ein entsprechendes Massnahmenpaket zu erarbeiten. Im November lief er mit einer ersten Fassung bei seinen Gspänli auf.
Nun hat der Bundesrat eine abgespeckte Variante beschlossen. Das sind die wichtigsten Punkte:
- Das Asylrecht soll in verschiedenen Punkten verschärft werden. So sollen etwa Asylgesuche rascher abgeschrieben werden können, wenn Asylsuchende untertauchen oder ihre Mitwirkung verweigern. Zudem soll bei vorläufigen Aufnahmen regelmässiger und intensiver überprüft werden, ob diese aufgehoben werden können. Geprüft wird auch, ob in einem vorgelagerten Verfahren untersucht werden kann, ob die Voraussetzungen für das Einreichen eines Asylgesuches erfüllt sind. Auch Mehrfachgesuche sollen strenger geregelt werden. Parallel dazu ist das Staatsekretariat für Migration (SEM) bereits daran, eine Reihe von neuen Massnahmen zu erarbeiten und umzusetzen, damit Personen, welche Straftaten in der Schweiz begangen haben, das Asyl- und Ausländerrecht nicht ausnutzen können.
- Das Potenzial der inländischen Arbeitskräfte soll besser genutzt werden. So sollen unter anderem Personen, die im Rahmen des Familiennachzuges zugewandert sind, stärker und rascher in den Arbeitsmarkt integriert werden. Das betrifft vor allem Frauen. Ansetzen will der Bundesrat bei der Anerkennung von Diplomen von gut Qualifizierten und bei der Beratung. Ältere und schwer Vermittelbare sollen zudem bei der Suche nach einem passenden Job gezielter unterstützt werden, etwa mit Coachings. Geprüft werden zudem Innovationszuschüsse an Kantone sowie Einarbeitungszuschüsse der ALV für Stellensuchende ohne Taggeldbezug.
- Geplant ist auch eine Verschärfung der «Lex Koller». Mit verschiedenen Anpassungen werden die Bedingungen strenger geregelt, unter welchen Personen im Ausland Immobilien in der Schweiz kaufen und behalten können. Auch der Erwerb von Ferienwohnungen soll dabei geprüft werden.
- Verbesserungen im Miet- und Wohnungsbereich waren im Bundesrat umstritten. Geblieben sind einzig zusätzliche Fördergelder für preisgünstigen Wohnraum. Der sogenannte Fonds de Roulement für den gemeinnützigen Wohnungsbau wird ab 2030 verlängert und um 150 Millionen Franken aufgestockt
- Die Töpfe für die Standort- und damit auch die Tourismusförderung werden unter die Lupe genommen.
Sozialpolitische Massnahmen gestrichen
Ursprünglich wollte Jans ein viel grösseres Paket schnüren, welches auch sozialpolitische Massnahmen vorsah. Die Gewerkschaften forderten, dass die Bevölkerung an den Gewinnen beteiligt wird, welche die Unternehmen dank der Zuwanderung erwirtschaftet. Solche Forderungen hatten bei den Bürgerlichen keine Chance.
So wurden etwa folgende Massnahmen aus dem Paket gestrichen:
- Höhere Kinderzulagen wird es keine geben. Die Rede war von 50 Franken zusätzlich pro Kind und Monat.
- Der Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmende wird nicht verbessert.
- Die Idee für einen nationalen Berufsbildungsfonds wurde versenkt.
- Der AHV-Freibetrag für Personen, die über das Pensionsalter hinaus arbeiten, wird nicht erhöht.
Jans stiess besonders bei den SVP- und FDP-Bundesräten auf Widerstand. Diese blockten viele Vorschläge ab. Die SVP-Mannen Guy Parmelin (65) und Albert Rösti (57) sind wenig erpicht darauf, ihrer parteieigenen Initiative Steine in den Weg zu legen.
Und die Zugeständnisse an die Gewerkschaften stiessen auch den Freisinnigen Karin Keller-Sutter (61) und Ignazio Cassis (63) sauer auf. So pochte Keller-Sutter auf Budgetneutralität – sprich: Alles, was kostet, hatte einen schweren Stand. Stattdessen drängte sie darauf, dass Jans Asylverschärfungen ins Paket packt.
Doch selbst das abgespeckte Paket ist noch lange nicht in trockenen Tüchern. So gibt es in der Verwaltung Stimmen, welche das Massnahmenpaket für «Pflästerlipolitik» halten, die wenig bewirke. Die Stimmbevölkerung werde sich davon kaum beeinflussen lassen. Auch im Parlament dürften einige Massnahmen nochmals heftig diskutiert werden. Selbst die Grundsatzfrage, ob es die Begleitmassnahmen wirklich braucht. Denkbar ist auch, dass das Parlament auf einen eigenen Gegenvorschlag setzt.