Die Schweiz wuchs im vergangenen Jahr wie schon lange nicht mehr: Laut den definitiven Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) lebten Ende 2023 8'962'300 Menschen in der Schweiz. Im Vergleich zum Vorjahr ergab sich damit ein Plus von 1,7 Prozent. Warum dieser Wachstumsschub? Und wie wirkt sich dieser auf die nächsten Jahre und Jahrzehnte aus? Blick erklärt es dir in fünf Punkten.
Migration wie zuletzt in den 1960er-Jahren
1,7 Prozent. Einen solchen Bevölkerungszuwachs erlebte die Schweiz mehr als ein halbes Jahrhundert nicht mehr. Damals, Anfang der 1960er-Jahre, hatte das noch ganz andere Gründe: Der Babyboom und Arbeitsmigranten aus europäischen Nachbarländern sorgten für ein Rekord-Wachstum. Die Schweiz besass damals gar die höchste Zuwachsrate in ganz Westeuropa.
Danach flachte die Entwicklung ab: Wirtschaftliche Krisen und strengere Auflagen für Ausländerinnen und Ausländer, um sich hierzulande niederzulassen, verlangsamten das Wachstum in den nächsten Jahrzehnten wieder. Erst das Freizügigkeitsabkommen mit der EU kurbelte das Wachstum nach der Jahrtausendwende wieder nachhaltig an. Bis es in der Corona-Pandemie abermals einbrach.
Krieg in der Ukraine und Arbeitsmarkt als Beschleuniger
«Die Migration prägt das Bevölkerungswachstum mehr denn je», sagt Johanna Probst von der Sektion Demografie und Migration des BFS. Zum einen habe der wirtschaftliche Aufschwung nach der Pandemie für einen Schub gesorgt. Die Arbeitsmigration habe dadurch wieder zugenommen.
Zum andern wurden 2023 neu auch 59’500 Ukrainerinnen und Ukrainer zur ständigen Wohnbevölkerung gezählt, die ein Jahr zuvor aufgrund des Krieges in der Schweiz den Schutzstatus S erlangten. Sie machen damit 2,5 Prozent der ausländischen Bevölkerung und ein Drittel des gesamten Wachstums im letzten Jahr aus. Ukrainerinnen und Ukrainer, die den Schutzstatus am 31. Dezember 2023 weniger als ein Jahr besassen, sind in den Zahlen noch nicht eingerechnet.
Wenig Geburten, viel Überalterung
Zwar wächst die Schweiz, doch beim Nachwuchs verliert sie fortlaufend. 2023 war punkto Geburten historisch: «Noch nie wurden in der Schweiz so wenige Kinder pro Frau geboren, wie vergangenes Jahr», sagt Probst. Und auch 2024 würden die Zahlen in Richtung tief bleibender Geburtenraten zeigen.
Gleichzeitig spitzt sich die Überalterung weiter zu. Die Bevölkerung über 65 Jahren erhält im Vergleich zu jüngeren Altersgruppen immer mehr Gewicht. «Die Migration entschärft das zwar etwas», sagt Probst. Ausländerinnen und Ausländer seien durchschnittlich jünger als Menschen mit Schweizer Pass. Zumindest zu einem gewissen Grad sei dies aber ein statistisches Phänomen: «Über die Zeit lassen sich einige einbürgern.» Und würden somit ab dann ebenfalls bei den Schweizerinnen und Schweizern eingerechnet.
Kanton Wallis ist unerwarteter Spitzenreiter
Das Bevölkerungswachstum findet vor allem in den urbanen Gebieten statt. So prognostiziert es jedenfalls das BFS. Doch 2023 stehen unerwartet eher ländliche Kantone zuoberst. Spitzenreiter ist der Kanton Wallis mit einem Zuwachs von 2,4 Prozent. Das hat laut Probst weder mit einer besonders hohen Geburtenrate noch mit überdurchschnittlich vielen Ukrainerinnen und Ukrainern zu tun. «Die Gründe für die Zunahme können wir also ohne vertiefte Analysen kaum beantworten.»
Auch nach dem Bergkanton folgen nicht Zürich oder Genf, sondern der Kanton Schaffhausen, gefolgt vom Aargau und dem Kanton Freiburg. Längerfristig wachsen laut BFS-Berechnung aber dennoch die städtischen Gebiete.
9 Millionen, 10 Millionen, ... – Wann ist es so weit?
Vergangenes Jahr fehlten noch 37’700 Menschen bis zur 9-Millionen-Schweiz. Laut vorläufiger BFS-Zahlen wurde die Zahl auch im ersten Quartal 2024 noch nicht erreicht. Eigentlich. Denn wird auch die nicht-ständige Wohnbevölkerung eingerechnet, ist die Zahl längst geknackt. Zusammen mit Kurzaufenthaltern sowie Personen im Asylverfahren und Schutzbedürftigen, die sich weniger als ein Jahr in der Schweiz befanden, lebten in der Schweiz Ende März dieses Jahres 9’077’267 Menschen. «Bald könnte aber auch bei der ständigen Wohnbevölkerung die Schwelle überschritten sein», sagt Probst.
Bis zur politisch aufgeladenen 10-Millionen-Schweiz dauert es derweil laut BFS-Referenzszenario noch knapp zwei Jahrzehnte. Die Hypothesen für dieses Szenario wurden jedoch bereits vor fünf Jahren erstellt. «Da sind weder die Pandemie noch der Krieg in der Ukraine berücksichtigt», sagt Probst. Gemäss dem üblichen 5-Jahres-Rhythmus sei das BFS daran, neue Szenarien zu entwickeln.