Die rasch wachsende Bevölkerung ist an den Stammtischen seit Wochen und Monaten Thema. Die Schweiz wächst schneller als jedes andere Land in Europa. Im letzten Jahr wanderten netto knapp 100'000 Menschen ein. Zudem übertraf die Zahl der Neugeborenen jene der Todesfälle um 8200. Inzwischen zählt die Schweiz mehr als neun Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Das Bevölkerungswachstum verschärft die angespannte Situation auf dem Mietwohnungsmarkt und bringt hie und da die Infrastruktur – beispielsweise beim Verkehr – an den Anschlag.
Die SVP will das Wachstum mit der Initiative «keine 10-Millionen Schweiz!» begrenzen, über die die Bevölkerung abstimmen wird. Doch wie wird sich die Bevölkerung bis 2050 entwickeln? Wann könnte die 10-Millionen-Marke fallen? Und welchen Einfluss hat das Wachstum auf die Immobilienpreise? Die Antworten darauf liefert Wüest Partner im aktuellsten Report.
Wachstum verlangsamt sich deutlich
Die Zürcher Immobilienberatung prognostiziert einen deutlichen Rückgang des Bevölkerungswachstums. Während in diesem Jahr weitere 80'000 Menschen dazukommen sollen, sind es 2040 noch 45'000 und 2050 weniger als 37'000. Das liege einerseits am Geburtenrückgang, sagt Immobilienexperte Robert Weinert (45). Ab 2039 soll die Zahl der Todesfälle über jener der Geburten liegen. «Zudem dürfte auch die Einwanderung deutlich abnehmen, da die Bevölkerung in den Haupteinwanderungsländern wie Portugal, Deutschland, Frankreich oder Italien ebenfalls immer älter wird und die Zahl der Arbeitskräfte sinkt», führt Weinert aus. Gemäss Prognose könnte die 10-Millionen-Schweiz 2041 Realität werden. Bis 2050 könnte das Land 10,3 Millionen Einwohner zählen.
Wo die Bevölkerung schneller wächst, steigen auch die Immobilienpreise stärker an. «Den stärksten Preiseinfluss haben die Neubautätigkeit und die Zinsen. Aber auch das Bevölkerungswachstum ist wichtig», so Weinert.
Mehr zum Immobilienmarkt in der Schweiz
Zuwanderung erhöht die Preise
Eine Analyse von Wüest Partner zeigt, dass das Preiswachstum um 1,8 Prozentpunkte zunimmt, wenn das Bevölkerungwachstum um einen Prozentpunkt zulegt. Ist jedoch die Neubautätigkeit genug gross, könne der preistreibende Effekt einer wachsenden Bevölkerung aufgefangen werden, so der Immobilienexperte. Dabei spielen jedoch auch die Verfügbarkeit von Bauland und die Verdichtungsreserven eine zentrale Rolle.
Gemäss Report dürfte es regional sehr unterschiedliche Entwicklungen geben: Das stärkste Bevölkerungswachstum bis 2030 wird für die Kantone Freiburg, Aargau, Waadt, Thurgau und Zürich erwartet. Beim Spitzenreiter Freiburg beträgt das jährliche Plus gemäss Prognose 1,2 Prozent. Zu dieser Entwicklung tragen die hohe wirtschaftliche Attraktivität und die relativ junge Bevölkerung bei. In der Gemeinde Bussigny VD soll die Bevölkerung in den nächsten sieben Jahren gar um 30 Prozent zunehmen.
Hier soll die Bevölkerungszahl sinken
Im Kanton Neuenburg hingegen wird ein Bevölkerungsrückgang vorhergesagt. Negative Entwicklungen soll es auch in mehreren Regionen in Graubünden, Tessin, Jura und im Berner Oberland geben. Lokal könnten bei einem Rückgang die Immobilienpreise unter Druck geraten. Handelt es sich jedoch um eine Tourismusgemeinde, könne die Nachfrage nach Zweitwohnungen diesen Effekt kompensieren oder gar übertreffen, so Weinert.
Zudem wächst die Zahl der Haushalte gemäss Prognose von Wüest Partner stärker als jene der Bevölkerung. Das ist auf einen Anstieg der Ein-Personen-Haushalte zurückzuführen. Die Treiber dafür sind die steigende Zahl der Rentnerhaushalte sowie die Wohlstandsentwicklung. Gemäss der Immobilienberatung dürfte der aktuelle Trend zu mehr Wohngemeinschaften in den Zentren nur ein vorübergehendes Phänomen sein – verursacht durch die derzeit stark steigenden Mieten und die Wohnungsknappheit.
Sinkende Preise infolge eines rückläufigen Bevölkerungswachstums wären jedoch alles andere als ein positives Signal für die betroffenen Regionen. «Der Schweizer Wohlstand basiert auf wirtschaftlichem Wachstum. Dieser erfordert derzeit noch zusätzliche Arbeitskräfte», so Weinert. Für eine positive Entwicklung sei es deshalb zentral, genügend Wohnraum und Infrastruktur zur Verfügung stellen.