Den Traum vom Eigenheim ist für die meisten Menschen in der Schweiz mittlerweile zum Fiebertraum geworden. Auch die Suche nach einer bezahlbaren Mietwohnung gleicht für immer mehr einem Albtraum. Der Schweizer Mietwohnungsmarkt gebe «hinsichtlich sozialer Nachhaltigkeit derzeit kein gutes Bild ab». Zu diesem Fazit kommt nicht etwa die SP oder der Mieterinnen- und Mieterverband, sondern die Zürcher Immobilienberatung Wüest Partner, die für nüchterne Analysen bekannt ist.
Die Verfügbarkeit von Wohnungen oder die Bezahlbarkeit von Wohnraum nach einem Umzug haben sich in den letzten Jahren zuungunsten der Mieterinnen und Mieter entwickelt, heisst es im neuen Report von Wüest Partner. Und die Problematik verschärft sich weiter: Die aktuellsten Daten aus dem 1. Quartal 2024 zeigen, dass die Angebotsmieten – zu denen Mietwohnungen inseriert werden – im Jahresvergleich schweizweit um rund 6 Prozent zugenommen haben. «Damit hat sich der Anstieg der Angebotsmieten nochmals beschleunigt», sagt Immobilienexperte Robert Weinert (45).
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In diesen Kantonen wäre ein Umzug finanziell am schwierigsten
Das stellt Haushalte vor Probleme, falls ihre Mietwohnung abgerissen oder kernsaniert wird oder Vermieter Eigenbedarf anmelden. 28 Prozent der Haushalte müssten nach einem Umzug für eine vergleichbare Wohnung zur Angebotsmiete neu mehr als ein Drittel ihres Bruttolohns zahlen. Im Kanton Waadt sind es 36 Prozent, in Zürich 37 Prozent und in Zug 40 Prozent. In den meisten Fällen berücksichtigen Verwaltungen keine Bewerbungsdossiers, aus denen hervorgeht, dass der potenzielle Mieter mehr als ein Lohn-Drittel für die Miete berappen müsste. Folglich könnten sich diese Haushalte einen Umzug innerhalb des Kantons ohne Glück bei der Wohnungssuche gar nicht leisten.
Am härtesten trifft es die Mieterinnen und Mieter im Kanton Genf, wo die Miete bei 56 Prozent der Menschen über die Ein-Drittel-Regel springen würden. «Der Unterschied zwischen den Bestandes- und Angebotsmieten ist in Genf besonders gross», weiss Weinert.
Einpersonenhaushalte besonders betroffen
Natürlich gibt es zwischen den verschiedenen Haushaltstypen grosse Unterschiede. Bei Alleinerziehenden oder allein lebenden Rentnern müssten bei einem Umzug mehr als die Hälfte über 33 Prozent ihres Bruttoeinkommens für die Miete ausgeben – und das für eine mittelgrosse Wohnung für den jeweiligen Haushaltstyp. Zur Einordnung: 40 Prozent der Haushalte in der Schweiz können sich gemäss der Ein-Drittel-Regel eine Bruttomiete von höchstens 1750 Franken leisten. Das ergibt ein Bruttoeinkommen von 5250 Franken oder weniger. Oft handelt es sich um Singlehaushalte oder Alleinerziehende.
Wüest Partner stützt sich bei der Auswertung auf Daten der Strukturerhebung des Bundesamtes für Statistik, auf das eigene Kaufkraftmodell sowie inserierte Angebotsmieten. Sozialtransfers oder Vermögen wurden dabei nicht berücksichtigt und würden das düstere Bild ein wenig mildern. Viele einkommensschwache Haushalte erhalten Ergänzungsleistungen, und viele Rentnerhaushalte verfügen über Vermögen.
Wer als Normalverdiener ein Drittel seines Einkommens für die Miete ausgibt, muss stark auf seine Finanzen achten. Der Dachverband Budgetberatung empfiehlt, nicht mehr als einen Viertel des Nettoeinkommens für die Miete aufzuwenden – gerade bei Familien mit tiefem Einkommen.
Fast jede dritte Familie hätte ein Problem
Auch 28 Prozent der Paare mit Kindern würden bei einem Umzug über die Drittel-Grenze springen. Bei einer Familie mit zwei Kindern und 10'000 Franken Bruttoeinkommen wären das rund 3300 Franken pro Monat. In Zürich, Genf oder Zug werden zahlreiche 4,5-Zimmer-Wohnungen zu deutlich höheren Mieten inseriert.
Einiges entspannter sieht die Situation für Zweipersonenhaushalte aus, unabhängig davon, ob die Leute noch im Erwerbs- oder im Pensionsalter sind. Hier sind es etwa zehn Prozent, die nach einem Wohnungswechsel mehr als 33 Prozent des Haushaltseinkommens an den Vermieter überweisen müssten.
Viele zahlen mehr als einen Drittel des Lohns für Miete
Die Auswertungen von Wüest Partner zeigen, dass auch bestehende Haushalte bereits oft mehr als einen Drittel ihres Bruttoeinkommens für die Miete aufwenden müssen – gerade in den urbanen Zentren Zürich, Genf, Lausanne oder Basel trifft dies auf mehr als 22,5 Prozent der Haushalte zu.
An der Goldküste am Zürichsee, in steuergünstigen Gemeinden im Kanton Schwyz sowie in gewissen Gebieten im Baselbiet sind es bis zu 30 Prozent der Haushalte. Im Kanton Tessin gibt es regional gar deutlich über 30 Prozent solche Haushalte. Das liegt zum einen am niedrigeren Lohnniveau und dem hohen Anteil an Rentnerhaushalten. Im landesweiten Mittel belastet die Miete den Bruttolohn mit 21,9 Prozent.
Für eine höhere soziale Nachhaltigkeit auf dem Schweizer Mietwohnungsmarkt sieht Immobilienexperte Weinert vor allem ein Mittel: «Die Neubautätigkeit ist ein entscheidender Faktor. Kürzere Bewilligungsverfahren und ein Abbau der Regulierungsdichte beim Wohnungsbau würden helfen.»