Merz umstrittener Asyl-Plan
Migrations-Showdown in Deutschland

CDU/CSU bringen umstrittene Anträge zur Verschärfung der Migrationspolitik in den deutschen Bundestag ein. Friedrich Merz nimmt mögliche AfD-Zustimmung in Kauf. Was am Mittwoch wichtig wird.
Publiziert: 29.01.2025 um 12:05 Uhr
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Aktualisiert: 29.01.2025 um 13:48 Uhr
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Vor dem Hintergrund der Attacke von Aschaffenburg fordert CDU-Chef Friedrich Merz Sofortmassahmen für einen Politikwechsel in der Migrationspolitik.
Foto: imago/Jens Schicke

Auf einen Blick

  • Union will Migrationspolitik verschärfen, Merz nimmt AfD-Stimmen in Kauf
  • Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylsuchenden gefordert
  • Für Mehrheit im Bundestag benötigt Merz mindestens 367 Stimmen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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AFPAgence France Presse

Nach dem Messerangriff von Aschaffenburg will die Union am Mittwoch zwei Anträge zur Verschärfung der Migrationspolitik in den deutschen Bundestag einbringen. Am Freitag soll ein Gesetzentwurf folgen. Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) will bei den Beschlüssen in Kauf nehmen, dass erstmals Mehrheiten mithilfe der AfD zustande kommen. Ein Überblick:

Welche Anträge werden am Mittwoch eingebracht?

Ein Fünf-Punkte-Plan verlangt «dauerhafte Grenzkontrollen» zu den Nachbarstaaten sowie die «Zurückweisung ausnahmslos aller Versuche illegaler Einreise». Dies soll auch für Asylsuchende gelten. Wer vollziehbar ausreisepflichtig ist, soll «unmittelbar in Haft» kommen, Abschiebungen müssten «täglich» und auch wieder nach Syrien und Afghanistan stattfinden. Für Straftäter und Gefährder verlangen CDU/CSU «zeitlich unbefristeten Ausreisearrest». Die Bundespolizei soll die Befugnis erhalten, selbst Haftbefehle für Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam zu beantragen.

Im zweiten Antrag verlangt die Union einen «Politikwechsel bei der inneren Sicherheit». Zu insgesamt 27 Forderungen gehören eine Stärkung der Befugnisse der Sicherheitsbehörden, darunter die Speicherung von IP-Adressen für drei Monate und der verstärkte Einsatz von elektronischer Gesichtserkennung. Hinzu kommen weitere Forderungen im Migrationsbereich, etwa das Ende des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte – also für Menschen, die kein Asyl erhalten, aber aus anderen Gründen vorerst in Deutschland bleiben dürfen.

Warum wollen SPD und Grüne nicht zustimmen?

SPD und Grüne werfen der Union vor, mit ihren Plänen das im Grundgesetz garantierte Recht auf Asyl und europäisches Recht auszuhebeln. Die Union argumentiert ihrerseits damit, dass der Grundgesetz-Artikel zu Asyl Ausnahmen vorsieht, wenn Betroffene aus einem anderen EU-Staat einreisen. Auch nach europäischem Recht müssten Schutzsuchende ihren Asylantrag in dem EU-Land stellen, in dem sie zuerst europäischen Boden betreten haben.

Rückführungen erfolgen aber nach den sogenannten Dublin-III-Regeln in einem geordneten Verfahren, bei dem Betroffene erst noch in Deutschland bleiben. Und die Union verweist darauf, dass das System unter anderem nicht funktioniert, weil Flüchtlinge in den Ankunftsstaaten nicht registriert würden. Durch Erklärung einer in den EU-Verträgen vorgesehenen «nationalen Notlage» will die Union deshalb die Geltung nationalen vor europäisches Recht stellen, um direkte Zurückweisungen zu ermöglichen.

Wie positioniert sich Merz gegenüber der AfD?

Merz betont, er wolle die AfD-Stimmen nicht und werbe auch nicht um sie. Er lasse sich aber nicht davon abbringen, das Richtige zu tun, «nur weil die Falschen es auch für richtig halten». Dies bringt Merz den Vorwurf ein, die sogenannte Brandmauer der CDU gegenüber der AfD zu beschädigen oder aufzugeben. Hintergrund ist ein Unvereinbarkeitsbeschluss von 2018, in dem die CDU «Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit» mit der AfD ausschliesst.

Wie gross sind die Chancen für Merz, die Pläne durchzubekommen?

Bleiben SPD und Grüne bei ihrer Ablehnung, hängt das von AfD und BSW ab. Für eine Mehrheit bräuchte Merz im Bundestag mindestens 367 Stimmen. CDU/CSU selbst verfügen über 196. Die AfD (76 Mandate) will beiden Anträgen zustimmen. FDP (90 Sitze) und BSW (10 Sitze) lehnen den 27-Punkte-Plan ab. Zustimmen will die FDP aber dem Fünf-Punkte-Antrag, das BSW liess dies offen. Damit könnte die Union zumindest beim Fünf-Punkte-Plan mit bis zu 372 Stimmen über die Mehrheitsschwelle kommen – sofern es keine Abweichler oder fehlende Abgeordnete gibt.

Die AfD-Fraktion würde beim Fünf-Punkte-Plan auch für Passagen votieren, mit denen die Union versucht, sich von ihr abzugrenzen. Darin heisst es, die AfD nutze Probleme, Sorgen und Ängste der Menschen, «um Fremdenfeindlichkeit zu schüren und Verschwörungstheorien in Umlauf zu bringen». Die Partei sei damit «kein Partner, sondern unser politischer Gegner».

Worum geht es in dem Gesetzentwurf?

Er umfasst nur einen Teil der Unionsforderungen. Inhaltlich hat das schon im September in erster Lesung behandelte Zustrombegrenzungsgesetz drei wesentliche Punkte: Im Aufenthaltsgesetz soll die Begrenzung der Migration als Ziel festgeschrieben werden; der Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige soll eingestellt werden; und die Bundespolizei soll die Befugnis bekommen, selbst Haft oder Gewahrsam für Ausreisepflichtige zu beantragen.

Die Chancen für eine Annahme am Freitag stehen gut: Sowohl FDP, BSW als auch AfD wollen zustimmen.

Welche Wirkung hätte eine Annahme?

Die Anträge sind politische Absichtserklärungen, die rot-grüne Bundesregierung wäre nicht verpflichtet, sie umzusetzen. Dem Gesetzentwurf müsste wegen der Verlagerung von Länderbefugnissen auf die Bundespolizei auch der Bundesrat zustimmen. Er würde in der Länderkammer voraussichtlich erst am 21. März behandelt – also nach der Bundestagswahl. Bisher zeichnet sich dafür aber auch keine Mehrheit im Bundesrat ab.

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