Auf einen Blick
Nach dem Messerangriff von Aschaffenburg (D) hat sich die deutsche Migrationsdebatte nochmals verschärft. Bei der Attacke auf eine Kindergruppe in einem Park der bayrischen Stadt starben der Bub Yannis (†2) sowie ein Helfer (†41), der den Täter stoppen wollte. Drei weitere Personen kamen schwer verletzt ins Krankenhaus, darunter ein zweijähriges Mädchen. Als mutmasslichen Angreifer hat die Polizei kurz nach der Tat vom letzten Mittwoch (22. Januar) den Afghanen Enamullah O.* (28) festgenommen. Sein Asylantrag war im Juni 2023 abgelehnt worden.
CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (69) hatte nach der Gewalttat weitreichende Verschärfungen in der Asylpolitik gefordert. Grenzen sollen dauerhaft kontrolliert werden. Menschen ohne gültige Papieren sollen ein «faktisches Einreiseverbot» erhalten. Merz möchte die illegale Migration nach Deutschland «drastisch reduzieren». Jetzt könnte es in Deutschland plötzlich ganz schnell gehen: Kommt schon am Freitag der Asyl-Hammer?
Showdown in Berlin
Bereits am Mittwoch will die Union zwei Anträge zur Migrations- und Sicherheitspolitik zur Abstimmung stellen. Ein Fünf-Punkte-Plan verlangt unter anderem «dauerhafte Grenzkontrollen» zu den Nachbarstaaten sowie die «Zurückweisung ausnahmslos aller Versuche illegaler Einreise». Dies soll auch für Asylsuchende gelten.
Am Freitag folgt der Showdown im Bundestag: Dann ist die Abstimmung über den Entwurf für ein sogenanntes «Zustrombegrenzungsgesetz» geplant. Er konkretisiert verschiedene Verschärfungen im Asylbereich, darunter eine Einschränkung des Familiennachzugs. Auch soll die Bundespolizei selbständig Abschiebehaft für ausreisepflichtige Ausländer beantragen dürfen.
Somit steht diese Woche faktisch die deutsche Willkommenskultur zur Debatte, die bei der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 ausgerufen worden war. Kein Wunder also gehen die Wogen derzeit besonders hoch.
«Unabhängig, wer ihnen zustimmt»
Für Schnappatmung sorgte Merz, als er andeutete, dass er eine Unterstützung der AfD nicht ablehnen würde. Die Partei werde Anträge einbringen, «die ausschliesslich unserer Überzeugung entsprechen», hatte Merz am Freitag gesagt, «unabhängig davon, wer ihnen zustimmt.» Erstmals könnte somit ein Gesetz mithilfe der AfD beschlossen werden.
Daraufhin warnten SPD und Grüne vor einem «politischem Dammbruch». Am Montag sagte die grüne Aussenministerin Annalena Baerbock (44), Merz wolle «Europarecht brechen und einen Zaun um Deutschland bauen.» Baerbock warnte: «Wenn wir damit anfangen, dann geht Europa kaputt.»
Am Dienstag warnte auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Merz davor, ein Gesetz mithilfe der AfD durchzusetzen. Zudem seien die von Merz vorgelegten Vorschläge «unausgegoren» und würden nicht viel helfen.
«Von Nazis unterstützen»
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte am Montag gar in einem – inzwischen gelöschten – Beitrag auf X geschrieben: «Friedrich Merz hofiert AfD. Als erster Demokrat sagt er im Prinzip: Wo es mir hilft, lasse ich mich auch von Nazis unterstützen. Moralisch bankrott.»
Merz hingegen betonte, dass gehandelt werden müsse. «Wir müssen Schaden vom deutschen Volk abwenden», sagte er. Zudem stehe die «Brandmauer» zur AfD weiterhin. In ihren Antragsentwürfen grenzt sich die Union scharf von der AfD ab. Dies soll es der Rechtspartei demonstrativ schwer machen, der CDU zuzustimmen.
Knappe Mehrheit in Aussicht
Die Vorsitzenden der AfD stellten am Dienstag dennoch eine Zustimmung in Aussicht – wie auch die FDP. Notwendig wäre für eine Mehrheit zudem die Zustimmung des BSW, das aber ebenfalls einen schärferen Kurs in der Migrationspolitik befürwortet.
Dass Merz bei der Asylpolitik Dringlichkeit verspürt, ist nach den schlimmen Anschlägen der letzten Monate verständlich. Der CDU-Chef geht diese Woche aber auch erhebliche Risiken ein. Der Vorwurf, die Brandmauer zur AfD eingerissen zu haben, könnte in der entscheidenden Phase des Wahlkampfs noch schwer auf ihm lasten.
Und nach den Wahlen braucht die CDU einen Koalitionspartner, möglicherweise gar die SPD. Und mit seinem forschen Vorgehen zerschlägt Merz hier gerade einiges an Geschirr. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich (65) sprach Merz am Dienstag bereits die Tauglichkeit für das Amt des Kanzlers ab – keine guten Voraussetzungen für die kommende Regierungsbildung.
* Name bekannt