Auf einen Blick
- Markus Ritter spricht über Armee, EU und Bundesratskandidatur
- Ritter kritisiert Ausmusterung seiner Söhne, befürwortet aber Frauenanteil in Armee
- Armee-Ausgaben sollen bis 2032 auf 1 Prozent des BIP erhöht werden
Herr Ritter, sind Sie nachtragend?
Markus Ritter: Überhaupt nicht! Wir können miteinander streiten, aber später ein Bier trinken – dann ist der Streit vergessen.
Armee-Kreise sehen das anders: Sie sollen einen Groll gegen die Armee hegen, weil Ihre beiden Söhne als untauglich eingestuft wurden.
Das hat mich sehr stark beschäftigt und ich habe mich damals auch bei VBS-Vorsteher Guy Parmelin eingebracht. Mein Grossvater war ein Aktivdienstler im Ersten Weltkrieg, mein Vater im Zweiten Weltkrieg. Mein Bruder war Offizier, ich war gerne in der Armee und elf Jahre Schützenmeister. Hier auf dem Land gehört die Armee zum Leben dazu ...
… und dann will die Armee Ihre zwei Söhne nicht!
Unser ältester Sohn Adrian kann mit Waffen umgehen, er hat den Jungschützenkurs besucht. Er hat den militärischen Fahrervorkurs für Lastwagen erfolgreich absolviert, auch mit Anhänger. Er ist topfit, hat das Sportabzeichen ohne weiteres erreicht. Er ist Landmaschinenmechaniker, könnte also auch in einer Armeewerkstatt seinen Dienst tun.
Der St. Galler Markus Ritter (57) ist gelernter Landwirt und sitzt seit 2011 im Nationalrat. Gleichzeitig ist er der Präsident des Schweizerischen Bauernverband. Er ist verheiratet und Vater dreier Kinder. Vor seiner Zeit im Parlament sass er im Stadtrat von Altstätten SG.
Der St. Galler Markus Ritter (57) ist gelernter Landwirt und sitzt seit 2011 im Nationalrat. Gleichzeitig ist er der Präsident des Schweizerischen Bauernverband. Er ist verheiratet und Vater dreier Kinder. Vor seiner Zeit im Parlament sass er im Stadtrat von Altstätten SG.
Warum hat die Armee ihn ausgemustert?
Adrian war einmal bei einem Augenarzt, der eine falsche Diagnose gestellt hat: zu tiefer Augendruck.
Woher wissen Sie, dass die Diagnose falsch war?
Seine Augen sind immer röter geworden. Er hat später den Augenarzt gewechselt und der hat festgestellt, dass der Augendruck falsch berechnet worden war. Das spielte damals, bei der Rekrutierung, aber keine Rolle: Er hat ehrlich Auskunft gegeben – und dann hiess es, das Risiko sei zu gross. Er müsse Zivilschutz machen, es gebe keine Funktion in der Armee für ihn.
Und dann sind Sie zu Bundesrat Guy Parmelin?
Ja, ich bin zu Guy und auch zu Sicherheitspolitikern im Parlament und habe gefragt: Wie sollen wir genügend Leute für die Armee finden, wenn nicht einmal fitte Bergbauern rekrutiert werden? Wir haben nochmals mit dem Ausbildungszentrum hin und her diskutiert. Am Ende gab es die Möglichkeit, Rekurs einzulegen.
Hat Ihr Sohn Rekurs eingelegt?
Nein. Er fand das Vorgehen der Armee so unprofessionell und destruktiv, dass er am Ende nicht mehr wollte.
Sie setzen alles in Bewegung – und dann legt Ihr Sohn keinen Rekurs ein?
Mein Sohn war richtig enttäuscht von der Armee. Immerhin hat Guy Parmelin den Prozess unter die Lupe genommen.
Und was war bei Ihrem zweiten Sohn?
Unser Sohn Daniel hat früher geschielt und deswegen eine Augen-Operation. Und er hatte mal eine Schulter-Operation. Er hat das wahrheitsgemäss angegeben – und dann hiess es, dass er gar nicht zum Rekrutierungstag kommen müsse. Ich verstehe das nicht: Jene, die gerne zur Armee gehen würden und Freude daran haben, sollten, wenn immer möglich, auch einen Platz dort finden.
Das heisst, Sie haben mit der Armee noch eine Rechnung offen!
Nein! Die Prozesse bei der Rekrutierung wurden in der Zwischenzeit angepasst. Es besteht heute mehr Flexibilität bei der Rekrutierung. Dies ist ein Erfolg. Aber sollte ich Bundesrat werden und das VBS führen dürfen, würde ich sicher nochmals ein Gespräch mit dem Oberfeldarzt führen.
Was ist mit Ihrer Tochter?
Unsere Tochter wollte nicht zur Armee. Sie ist ein ganz anderer Typ, sie hat eine Banklehre absolviert und robbt nicht gerne im Schlamm.
Aktuell liegt der Frauenanteil der Schweizer Armee bei 1,6 Prozent. Sollte die Armee am Zehn-Prozent-Ziel festhalten?
Für mich gibt es keinen Grund, das nicht zu machen. Wichtig ist, dass die Armee für junge Menschen attraktiv ist und einen Mehrwert bietet, um im Berufsleben weiterzukommen. Das gilt für Frauen wie für Männer.
Wenn Sie nicht nachtragend sind: Warum erzählen Parlamentarier, dass Sie alle plattmachen, die sich Ihnen in den Weg stellen?
Dies wäre völlig falsch und führt an kein Ziel. Manchmal passt man aber einfach nicht zusammen, wie das in landwirtschaftlichen Fragen mit Kilian Baumann der Fall war. Ich bin ihm nicht böse. Aber wenn man vier Jahre lange immer das Gegenteil vom Bauernverband sagt, ist man in der Konferenz der bäuerlichen Parlamentarier vielleicht am falschen Ort.
Und was ist mit SP-Nationalrat Jon Pult? Er ist Verwaltungsrat der Agentur Feinheit, die die Kampagne entworfen hat: «Agrarlobby stoppen». Die Kampagne zeigt Sie feuchtfröhlich Sekt trinkend.
Ich kann mit Jon Pult jederzeit einen Kaffee trinken. Ich weiss nicht, ob er bei der Kampagne an vorderster Front dabei war. Es hat mich damals aber im Herzen getroffen, dass mit einer Negativ-Kampagne während zehn Monaten gezielt auf unseren Verband und die Führungspersonen geschossen wurde. Die Kampagne soll mehr als eine Million Franken gekostet haben. Ich möchte in der Schweiz keine amerikanischen Verhältnisse. Es sollte um die Sache gehen.
Bundesrätin Karin Keller-Sutter dominiert den Bundesrat. Würden Sie im Bundesrat harmonieren?
Ich habe es gut mit ihr. Übrigens mit allen Bundesräten.
Auch mit Beat Jans? Er hat als Nationalrat den Bauernverband einen Selbstbedienungsladen genannt.
Beat Jans und ich haben während seiner Zeit im Nationalrat herrlich gestritten, das gehört zum politischen Geschäft dazu. Jetzt hat er eine andere Rolle, menschlich ist er ein feiner Typ.
Hatten Sie mit Karin Keller-Sutter mal Knatsch?
Nein. Wir arbeiten seit 30 Jahren zusammen. Wir sind nicht in derselben Partei, ticken aber sehr ähnlich. Die Schuldenbremse ist für uns sakrosankt. Man muss schauen, dass man den Franken zuerst verdient, bevor man ihn ausgibt. Wir wollen eine Schweiz, die prosperiert. Wir wollen eine Wirtschaft, die gesund ist.
Als VBS-Chef müssen Sie sich aber mit der Finanzministerin anlegen. Die Armee braucht mehr Geld.
Das Parlament hat eine Erhöhung der Ausgaben für die Armee auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2032 beschlossen – das können wir aus dem Bundeshaushalt stemmen. Finanzielle Sorgen machen mir die Finanzierung der 13. AHV, die das Volk beschlossen hat und weitere zusätzliche Ausgaben im Sozialbereich, die auf uns zukommen könnten. Hier müssen wir über Zusatzeinnahmen diskutieren. Das kann man nicht irgendwie zusammensparen, es geht um Milliardenbeträge.
Wen möchten Sie künftig stärker melken? Die Reichen – oder alle mit einer Mehrwertsteuererhöhung?
Im Vordergrund würde die Mehrwertsteuer stehen. Wir müssen darauf achten, dass wir als Wirtschaftsstandort weiterhin attraktiv bleiben.
Glauben Sie wirklich, dass Donald Trump akzeptieren wird, dass die Schweiz aktuell nur 0,8 Prozent ihres BIP für die Sicherheit ausgibt – und die Nato die Schweiz gratis mitschützt?
Die Schweiz ist kein Nato-Mitglied, deswegen gibt es auch keine Beistandspflicht. Die Schweiz ist ein neutrales Land und leistet gute Dienste. Trump erwartet von der Schweiz etwas anderes als von einem Nato-Mitgliedsland. Wir tun gut daran, hier unter dem Radar der Grossmächte zu bleiben.
Sprechen wir über das EU-Dossier. Ihre Mutter stammt aus Italien, das Rheintal grenzt an Österreich, auf Ihrem Hof hatten Sie früher Helfer aus Osteuropa. Warum blicken Sie nicht euphorischer auf das EU-Dossier?
Die EU ist unser wichtigster Handelspartner. Mir ist es wichtig, dass wir die EU nicht vergraulen. Ich bin für stabile Beziehungen – aber ich möchte den Vertragstext zu den Bilateralen III erst einmal lesen. Insbesondere, was den Streitbeilegungsmechanismus betrifft. Es ist wichtig, dass wir die Souveränität der Schweiz nicht aufgeben.
Viele in der Schweiz wollen mehr Wohlstand, mehr Wachstum – aber weniger Migration. Wie soll das klappen, wenn schon jetzt die Arbeitskräfte ausgehen?
Mehr Zuwanderung bedeutet auch: der Wohnraum wird knapper, es gibt mehr Verkehr – und wir müssen Schritt halten mit Integration. Das gelingt nicht immer.
Sie selbst beschäftigen auf Ihrem Hof Praktikantinnen aus Brasilien.
Die Brasilianerinnen unterstützen unsere Söhne und meine Frau im Haushalt und auf dem Betrieb, sie kommen für ein 18-monatiges Praktikum und gehen dann zurück nach Brasilien.
Braucht die Landwirtschaft Migration?
Speziell für den Obst- und Gemüsebau sind die ausländischen Erntehelfer sehr wichtig. Ohne die rund 30'000 Erntehelfer würde es nicht funktionieren.
Warum sind Sie Mitte-Politiker und nicht SVP-Politiker?
Ich bin gerne in der Mitte-Partei. Die politische Ausrichtung passt gut zu mir. Meine Arbeitsweise, auch im Bauernverband, ist stark auf Konsens ausgerichtet. Es gilt, alle relevanten Kräfte und Meinungen einzubinden. Zudem setze ich mich neben den wirtschaftlichen Themen auch für einen sozialen Ausgleich ein. Dies ist für die langfristige Stabilität eines Landes und damit den Erfolg von hoher Bedeutung.
Zum Schluss: Wie gut kennen Sie Ihren Konkurrenten, den Zuger Regierungsrat Martin Pfister?
Wir haben am Mittwoch miteinander telefoniert. Er macht einen sehr sympathischen Eindruck. Wir wollen beide gut zusammenarbeiten. Er hat es im Moment noch schwerer als ich, weil er nicht direkt in der Bundespolitik ist. Ich habe ihm den einen oder anderen Tipp gegeben.
Sie coachen Ihre Konkurrenz?
Das ist doch keine Konkurrenz, sondern ein Kollege von mir. Ich probiere immer, das Gute weiterzugeben und das Gute mitzunehmen. Ich bin Martin Pfister sehr dankbar, dass er kandidiert. Wir haben jetzt einen Regierungsrat mit einem guten Leistungsausweis und mich als Nationalrat. Das ist eine gute Auswahl für die Vereinigte Bundesversammlung.