Der Bundesrat verliert allmählich die Geduld. Die Impfquote ist noch immer längst nicht dort, wo es sich die Landesregierung wünscht. Deshalb zieht sie die Corona-Schraube nochmals an und erhöht den Druck auf Ungeimpfte. So soll ab Oktober Schluss sein mit Gratistests.
Im Auge hat Gesundheitsminister Alain Berset (49) gerade auch das Pflegepersonal. Ende Juli hatte er es noch bei einer «dringlichen» Empfehlung an die Kantone belassen, ungeimpftes Gesundheitspersonal regelmässig zu testen.
Kantone blieben bisher zurückhaltend
Allerdings sind dem bisher nur wenige Kantone nachgekommen. So hat etwa der Genfer Staatsrat beschlossen, dass das Pflegepersonal in Spitälern, Heimen und anderen Einrichtungen künftig ein Covid-Zertifikat vorweisen muss. Der Kanton Bern hat bisher nur eine dringliche Empfehlung ausgesprochen, während im Kanton Zürich bereits eine Testpflicht für das nicht immune Gesundheitspersonal gilt.
Nun wird der Bundesrat nochmals etwas deutlicher. Aus der Empfehlung wird eine Forderung. Er ruft die Kantone dazu auf, «das nicht geimpfte Personal der Alters- und Pflegeeinrichtungen zu repetitiven Tests zu verpflichten, um die besonders gefährdeten Personen zu schützen».
Schutz der Patienten hat Priorität
Unterstützung erhält die Landesregierung vom Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK). «Der Schutz der Patienten hat höchste Priorität», betont SBK-Geschäftsführerin Yvonne Ribi. «Das repetitive betriebliche Testen ist aus unserer Sicht verhältnismässig und gut vertretbar.»
Zwar seien bereits über 80 Prozent der Heimbewohner und ein «beträchtlicher Teil» des Personals geimpft. Dennoch brauche es angemessene Schutzkonzepte – dazu gehörten regelmässige Tests für ungeimpfte Angestellte und Besucher. «Auch für die Patientinnen und Patienten ist es wichtig zu wissen, dass sie von geimpften, getesteten oder genesenen Personen gepflegt und betreut werden», sagt Ribi.
«Eine Testung trägt wesentlich zum Schutz vulnerablen Personengruppen bei und ist damit für das Personal sowohl zumutbar als auch effektiv», findet auch Daniel Höchli vom Dachverband Curaviva Schweiz. Wichtig sei, dass der Aufwand für die Betriebe möglichst gering gehalten wird.
Gesundheitsdirektoren wollen kein Obligatorium
Im Grundsatz spricht sich auch die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) für regelmässiges Testen bei ungeimpftem Pflegepersonal aus. «Für die GDK ist es unbestritten, dass in den Gesundheitseinrichtungen ein möglichst guter Ansteckungsschutz bestehen muss», sagt Sprecher Tobias Bär. Die GDK sehe hier die Arbeitgeber in der Pflicht, repetitive Tests vorzusehen und anzubieten.
So weit wie der Kanton Genf will die GDK aber nicht gehen. Unterzieht sich dort ungeimpftes Pflegepersonal nicht alle sieben Tage einem Screening-Test, drohen Strafen, hatte die Kantonsregierung klargestellt. Im Kanton Jura soll ungeimpftes Spitalpersonal, das nach dem Kontakt mit Covid-Patienten in Quarantäne muss, ab September in dieser Zeit sogar nur noch 80 Prozent des Lohns erhalten.
Für die GDK dagegen stünden «harte rechtliche und durchsetzbare Verpflichtungen» derzeit nicht im Fokus, erklärt Bär. Vielmehr seien auf die jeweilige Situation in den Institutionen angepasste und überzeugende Massnahmen zu treffen. (dba)