Die Schweiz ist besonders widerstandsfähig. Unser Land gehört zu den erfolgreichsten Staaten im Umgang mit der Corona-Pandemie. Zu diesem Schluss kommt die aktuelle Resilienz-Rangliste der Agentur Bloomberg. Das auf Wirtschaftsnachrichten spezialisierte Unternehmen vergleicht darin die Daten von 53 grösseren Volkswirtschaften.
Wir lassen Neuseeland, Frankreich, die USA und Österreich hinter uns. Besser als die Schweiz klassiert sich im Bloomberg-Ranking einzig Norwegen, das eine Gesamtzahl von 77,2 Punkten erreicht. Das nordische Land steht vor allem bei den Corona-Zahlen besser da als die Schweiz, die 75,4 Punkte macht. So forderte die Pandemie im Land unter der Führung von Ministerpräsidentin Erna Solberg (60) auf eine Million Einwohner «nur» 147 Todesopfer. Bei uns sind es 1259 Opfer.
Gute Zahlen auf der Insel
Viel besser als Norwegen und die Schweiz kommt bei den Corona-Zahlen der Inselstaat Neuseeland weg. Der südpazifische Inselstaat zählt praktisch keine Corona-Fälle und bloss fünf Todesopfer auf eine Million Einwohner. Das dürfte er seiner isolierten Lage zu verdanken haben.
Damit die Zahlen so tief bleiben, hat Neuseeland sich im Frühling 2020 abgeriegelt. Seither sind Ferien für Ausländer dort nicht mehr möglich. Bis anhin macht die Regierung unter Premierministerin Jacinda Ardern (41) keine Anstalten dazu, das zu ändern. Ausländische Touristen können vor dem Frühjahr 2022 wohl nicht mit einer Öffnung rechnen.
Die dichten Grenzen, aber auch die tiefe Impfrate von 15,8 Prozent kosten Neuseeland die Führung im Ranking. Es kommt auf eine Gesamtpunktzahl von 75,2.
Zum Vergleich: In der Schweiz sind schon mehr als 51 Prozent der Bevölkerung doppelt geimpft. In Emmanuel Macrons (43) Frankreich, das mit 75 Punkten Bronze nur knapp verpasst, sind schon 54,3 Prozent der Bevölkerung ab zwölf Jahren zweimal geimpft.
Momentaufnahme
Das Bloomberg-Ranking ist jedoch eine Momentaufnahme, wie die Agentur selbst betont. Und die Ergebnisse sind aus zwei Gründen mit Zurückhaltung zu geniessen. Erstens: Die Wirtschaftsagentur gibt den ökonomischen Daten ein starkes Gewicht. Hohe Flugkapazitäten, offene Grenzen und möglichst wenige Einschränkungen durch einen Lockdown sowie das erwartete Wirtschaftswachstum bringen den Staaten viele Punkte.
Doch zweitens können genau der Tourismus und der wirtschaftliche Austausch die Corona-Zahlen wieder hochschnellen lassen. Das wird nur teilweise durch Kriterien wie die Impfrate ausgeglichen.
Schon vorher schlechter
Und was kaum verwundert: Im hinteren Bereich der Rangliste finden sich Schwellenländer wie Bangladesch, deren Gesundheitssystem längst nicht westlichem Standard entspricht und in denen kaum jemand eine Krankenversicherung hat. Unterernährung, problematische hygienische Verhältnisse in beengten Behausungen tragen ihr übriges zur Verbreitung des Coronavirus bei. Und fehlende medizinische Infrastruktur sowie die geringe Zahl an Ärzten vermindern die Chancen auf eine gute Behandlung gerade ärmerer Patienten weiter.
Natürlich sind westliche reichere Länder widerstandsfähiger. Auch ist der Befund, dass die Schweiz im Vergleich mit ähnlichen Staaten gut durch die Krise kommt, nicht ganz neu. Es hat sich schon länger abgezeichnet, dass andere westliche Staaten, die viel einschneidendere Massnahmen wie Ausgangssperren ergriffen, weder bei den erkrankten oder hospitalisierten Personen noch bei den Wirtschaftsdaten besser dastehen.
Und dass die viertplatzierten Franzosen seit drei Wochen wieder zu Zehntausenden auf die Strassen gehen gegen Macros verschärfte Corona-Massnahmen und es dabei zu massiven Auseinandersetzungen mit der Polizei kommt, findet im Bloomberg-Ranking auch keinen Niederschlag. (pt)