Bundesrat Beat Jans (59) ist hundert Tage im Amt – und hält mit seinem Asylkurs bereits Freund und Feind auf Trab. Blick hat ihn am Donnerstag auf einem jurassischen Bauernhof getroffen, der seinen Freunden gehört – Jans, der einstige Bauernschreck, verbringt seinen Urlaub mit dem Hüten von Kühen. Der Magistrat gibt sich im Gespräch ganz offen. Einen Tag später nachgereichte Fragen zur Blick-Recherche über den Hilferuf der eritreischen Verbände wollte er allerdings nicht beantworten.
Was ist einfacher: Die Kühe im Zaum zu halten – oder die eigene Parteileitung?
Beat Jans: (Lacht.) In beiden Fällen geht es am besten, wenn man sich mit Respekt begegnet.
«Zäme gohts besser», lautet Ihr Leitspruch. Im SP-Präsidium scheint das noch nicht angekommen zu sein. Diese Woche kritisierten Cédric Wermuth und Mattea Meyer in den Tamedia-Zeitungen die neue Härte in der Asylpolitik.
Von einer härteren Asylpolitik kann keine Rede sein. Die 24-Stunden-Verfahren führen zu einer Beschleunigung. Wir wenden sie bei Menschen an, die aus Ländern mit einer sehr tiefen Schutzquote zu uns kommen, vor allem aus Nordafrika. Diese Leute beanspruchen Betten, sie müssen betreut werden, obwohl sie keine Chance auf Asyl haben. Wir wissen auch, dass die Deliktrate von Menschen aus besagten Staaten höher ist als bei anderen. Das akzeptieren wir nicht. Die Strategie lautet also: Ressourcen freischaufeln, um für einen möglichen Anstieg der Gesuche im Herbst gewappnet zu sein; gleichzeitig wollen wir dafür sorgen, dass die Kriminalität zurückgeht.
Besteht bei diesen Ultraschnellverfahren nicht die Gefahr, dass weniger sorgfältig geprüft wird?
Auf den Entscheid, ob eine Person Asyl bekommt oder nicht, haben diese Verfahren keinen Einfluss. Bisher gab es elf Beschwerden gegen SEM-Entscheide, das Bundesverwaltungsgericht hat alle abgewiesen. Das Recht auf Asyl halten wir ein, dazu gehört, dass jede und jeder ein faires Verfahren bekommt. Das ist mir sehr wichtig.
Bei der SVP konnten Sie mit Ihrem Vorgehen punkten – trotzdem bezeichnet Sie deren Fraktionschef Thomas Aeschi als «Ankündigungsminister».
Diese Kritik, egal, aus welchem Lager, nehme ich ernst. Entscheide fälle ich, sobald sie reif sind. Das 24-Stunden-Verfahren ist eine Massnahme, die funktioniert. Mir geht es nicht darum, Ankündigungen zu machen, sondern Lösungen zu präsentieren, die Erfolg versprechen. Das ist der Unterschied zur SVP: Sie stellt Forderungen, macht aber keine brauchbaren Vorschläge, wie die Probleme angegangen werden sollen.
Die SVP reichte vergangene Woche ihre Nachhaltigkeits-Initiative ein, die eine 10-Millionen-Schweiz verhindern will.
Wie soll die Initiative konkret umgesetzt werden? Die SVP liefert keine Antworten. Systematische Grenzkontrollen, die sie fordert, haben in Deutschland nicht zu weniger illegalen Grenzübertritten geführt. Einig bin ich mit der SVP, dass Zuwanderung bewältigbar sein muss. Darum werden wir im Bundesrat darüber diskutieren, ob es zur Nachhaltigkeits-Initiative einen Gegenvorschlag geben soll.
Wie soll der ausgestaltet sein?
Die Probleme, die Zuwanderung mit sich bringt, sollen angegangen werden. Etwa die Verschärfung der Wohnungsnot in den Städten oder der starke Druck auf die Infrastruktur. An der besseren Nutzung des Arbeitskräftepotenzials in der Schweiz arbeiten wir bereits.
Wird dieser Gegenvorschlag eine Obergrenze beinhalten?
Ich wohne sehr gerne im Matthäus-Quartier in Basel, einem der am dichtesten besiedelten Gebiete. Das Bevölkerungswachstum kann Probleme erzeugen, Angst davor habe ich indes nicht. Limiten sind keine Lösung. Man kann nicht den Hahn aufdrehen und glauben, es komme dann weniger Wasser. Wer für Unternehmen hervorragende Bedingungen schafft, muss damit rechnen, dass sich mehr bei uns niederlassen – und mit ihnen mehr Arbeitskräfte.
Auf jeden Fall kommt die SVP-Initiative in der Bevölkerung gut an.
Nochmals: Treiber der Zuwanderung in die Schweiz ist Arbeit, nicht Flucht. Unser Arbeitsmarkt ist international enorm vernetzt und schon heute stark auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen, sei es auf den Baustellen, in den Spitälern oder auch in der Landwirtschaft. Das ist der Grund, weshalb die Bevölkerung in der Schweiz wie auch anderswo in Europa zunimmt.
In der Ukraine siehts nicht nach baldigem Frieden aus. In der «NZZ» deuteten Sie an, den Schutzstatus S in einen Aufenthaltsstatus überführen zu wollen. Sollen die Geflohenen dann für immer bleiben?
Alle wären enorm erleichtert, wenn der Krieg enden würde. Allen voran die Ukrainerinnen und Ukrainer, die dann in ihre Heimat zurückkehren könnten. Leider ist eine schnelle Lösung nicht in Sicht. Deshalb muss sich ganz Europa überlegen, wie mit diesem Status künftig umgegangen werden soll. Vergessen Sie nicht: Andere Länder in Europa haben viel mehr Schutzbedürftige aufgenommen als die Schweiz.
In diesen Ländern liegt die Beschäftigungsquote der Ukrainer aber auch höher als bei uns. Wie bringen Sie die Unternehmen dazu, mehr Geflüchtete einzustellen?
Bis Ende Jahr wollen wir die Quote von heute 24 Prozent auf 40 Prozent erhöhen. Eine Überlegung ist zum Beispiel, ob es nicht sinnvoll wäre, Personen mit Arbeitsvertrag nach einer gewissen Zeit eine Aufenthaltsbewilligung zu geben.
Migranten gehen aufeinander los, Junge Schweizer bewaffnen sich im Ausgang mit Messern, Hooligans sind ausser Rand und Band. Hat die Schweiz ein Gewaltproblem?
Diese Entwicklung beunruhigt mich – gerade bei den Jugendlichen. Die ganze Gesellschaft muss hier Gegensteuer geben. Gleichzeitig sehe ich meine Aufgabe auch darin, nicht zusätzlich die Alarmglocken zu läuten. Ich will mit einer positiven Grundhaltung auf die Bevölkerung zuzugehen: Lasst uns zusammen Lösungen finden!